Máté Szőke empfiehlt
Das Schöne, Schäbige, Schwankende
Kronauer bastelt ihre kurzen Geschichten aus halbseitigen, mit zahlreichen Attributen und Partizipien geschmückten Sätzen zusammen. Die verblüffenden „Romangeschichten“ wirken wie auf die Spitze getriebene literarische Fingerübungen: als Spiele mit Farben, Gezwitscher, Perspektiven und mit der Verschmelzung innerer Gedankengänge der Figuren und persönlich wirkender Beschreibungen des Erzählers. Wie Kronauers Ich in jeder Geschichte „heim“ ist, um von Ausgangsmöglichkeiten und Buntheit in der Welt um uns herum zu erzählen, so sickern die Eigenschaften und Stimmen schäbiger und farbiger Vögel in die Geschichten und Figuren der Babyromane herunter und schmelzen zu einem lauten und farbigen Käfig zusammen, gefolgt von längeren Roman-Modellen. Die Schriftstellerin verfährt mit den Romanembryen wie eine der prächtigen Protagonistinnen ihres Inkubator-Buches mit den chilenischen Volksliedern: „Sie spielte mit den Liedern, die ihre Möglichkeiten unterforderten, beugte sich lächelnd, aber eifrig über sie, machte entweder Diamanten daraus oder flog ihnen kurzfristig davon.“
Geht es entweder um schöne, schäbige, schwankende Vögelchen oder um schmeichelnde Familienväter, persönlich wirkende Erinnerungen oder schnoddrige Literaturkritikerinnen, verpasst Kronauer keine Möglichkeit, in den Vogelsang und in die Romanbabys etwas Zwitschern, Behauptungen über die Literatur, Kritik an die Literaturbranche zu schmuggeln, die Romangeschichten mit schrillend zutreffenden Figurenbeschreibungen auf verblüffende Endeffekte hinauslaufen zu lassen und die Leser*innen mit frechen Redewendungen, mit einem eleganten Deutsch und mit literarisierten „Zufallsbekanntschaften“ zu verwöhnen.
Klett-Cotta Verlag
Brigitte Kronauer
Das Schöne, Schäbige, Schwankende: Romangeschichten
Klett-Cotta, Stuttgart, 2019
ISBN 9783608964127
595 Seiten
Rezensionen in den deutschen Medien:
Perlentaucher
Deutschlandfunk
Deutschlandfunk
Frankfurter Rundschau
Süddeutsche Zeitung