VIELFÄLTIGER DENN JE...
Erst vor Kurzem verblüffte ein Internetvideo die deutsche Filmindustrie. Helena Zengel grüßte da Arm in Arm mit Tom Hanks vom Set des neuen Paul-Greengrass-Werks News of the World, in dem die Jungschauspielerin ein entführtes Mädchen spielt. Natürlich kennt die Welt Greengrass und Hanks, aber die Sensationsüberraschung aus Systemsprenger, die als neunjährige Bennie mit irrwitziger Rage die Leinwand füllt, wird damit einem weltweiten Publikum bald bekannt. Das Publikum in Tallinn kann ihr Talent entdecken, noch bevor Hollywood sie präsentiert.
Systemsprenger wurde als deutsche Einreichung für den Oscar ausgewählt, ist mit derzeit schon über 300.000 Zuschauern in den deutschen Kinos ein außergewöhnlicher Erfolg an der Kinokasse - und zugleich ein absoluter Film des Moments. Überall auf der Welt wird es zur Normalität, dass sich Kinder und Jugendliche gegen als überkommen empfundene soziale Strukturen auflehnen für eine bessere oder überhaupt eine Zukunft. Der Gap zwischen den Generationen charakterisiert auch andere Filme wie
Pelikanblut (der Horror und Drama einzigartig verbindet),
Lara,
Golden Twenties,
Kirschblüten & Dämonen … Auf die eine oder andere Art geht es dabei immer um Dämonen, die die Kommunikation auf privater wie auf gesellschaftlicher Ebene zunehmend erschweren: ein Meta-Trend, nicht nur dieser Selektion, sondern gewichtiger Teile des deutschen Filmschaffens insgesamt.
Zugleich zeigen diese Filme, dass sich das deutsche Filmemachen durch immer größere Diversität auszeichnet - den Forderungen nach vielschichtigeren Gesellschaftsbildern wird zunehmend entsprochen. So ist diese Auswahl vielfältiger denn je – und wird deshalb ganz unterschiedliche Zuschauerschaften, von Familien über Literaturliebhaber bis hin zu Cinephilen begeistern.
Christoph Gröner
Kurator Reihe „Neuer Deutscher Film“
Christoph Gröner, Kultur- und Medienjournalist, ist seit 2008 für das FILMFEST MÜNCHEN tätig und seit 2019 dessen künstlerischer Leiter.