FREIRAUM
Von Europa erzählen heißt, über Freiheit zu sprechen

Freiheit geht durch den Magen. Das Projekt „Freiraum“ präsentiert vom 12.-17. März in Berlin seine Ergebnisse zum Stand der Freiheit in Europa
Freiheit geht durch den Magen. Das Projekt „Freiraum“ präsentiert vom 12.-17. März in Berlin seine Ergebnisse zum Stand der Freiheit in Europa | Foto: Anja Weber

An rund 40 Orten in Europa bringt das Goethe-Institut mit seinem Projekt „Freiraum“ Partner aus Kultur und Zivilgesellschaft miteinander ins Gespräch. In Tandems aus je zwei Städten sind sie der Frage nachgegangen, was Freiheit für sie bedeutet und wo sie in Gefahr ist. Gemeinsam mit dem Zentrum für Kunst und Urbanistik und der Stiftung Mercator zeigen ausgewählte „Freiraum“-Tandems nun in Berlin die Ergebnisse ihres Austauschs.

Von Annette Walter

Die Entfernung zwischen Carlisle in Nordengland und dem mazedonischen Skopje beträgt über 3000 Kilometer. Es sind gegensätzliche Städte und doch verbinden sie auch viele Gemeinsamkeiten, denn beide sind Teil des europäischen Kontinents. Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, erinnert bei der Eröffnung des „Freiraum“-Festivals im Zentrum für Kunst und Urbanistik in Berlin an eine Reise, die ihn im letzten Jahr an diese beiden Orte führte. Diversität, Toleranz und Freiheit seien heute die Werte von Europa, betont er. Aber es bleibe dennoch viel zu tun. Nationalismus und der Glaube an die eigene Überlegenheit in vielen Ländern schienen lange vorbei. Nun sind sie ein drängendes Problem in der europäischen Union. Die zahlreichen Kooperationen zwischen den „Freiraum“-Partnern sind ein Beispiel dafür, wie gelebtes Miteinander in Europa aussehen und wie dem Auseinanderdriften der Länder entgegengewirkt werden kann. „Freiraum“ will erkunden, wie es in den Städten Europas um die Freiheit bestellt ist. Das Projekt begann 2017 und mündete nun in einer dreitägigen Konferenz in Berlin, auf der sich die Partnerinnen und Partner austauschen und ihre Projekte vorstellen.

Beim Netzwerktreffen diskutieren die Goethe-Institute gemeinsam mit ihren Partnern die fünf Freiraum-Themen
Beim Netzwerktreffen diskutieren die Goethe-Institute gemeinsam mit ihren Partnern die fünf Freiraum-Themen | Foto: Anja Weber

„Junge Menschen müssen ihr eigenes Narrativ schaffen“

 
Zum Auftakt wurde in der Diskussion „Europa erzählen“ nach möglichen Narrativen für das, was Europa gegenwärtig ausmacht, gesucht. Die Regisseurin Britt Beyer hat den Dokumentarfilm „24 Stunden Europa“ gedreht und dafür 66 Protagonisten aus 26 Ländern mit der Kamera begleitet. Sie zeigt auch Jugendliche mit rechter Einstellung in ihrem Film, denn sie hält es für sehr wichtig, unterschiedliche Personen zusammenzubringen: „Kunst soll versuchen, die Welt zu verändern, auch wenn es in kleinen Schritten erfolgt.“ Nur so könne man von Europa erzählen, befürwortet Johannes Ebert das Konzept des Films. Ein Manifest, das Künstlerinnen und Intellektuelle im Auftrag des damaligen EU-Kommissionspräsidenten Barroso vor sechs Jahren geschrieben hatten und das ein neues Narrativ für Europa vorgeben sollte, hätte nicht funktioniert, denn ein solches Vorhaben müsse aus den Erfahrungen der Menschen kommen. Seine Überzeugung: „Wir müssen Bedingungen schaffen, dass die jungen Menschen ihr eigenes Narrativ schaffen können.“ Ein Ansatz, den „Freiraum“ in die Tat umsetzt. Gerade Kunst könne Perspektiven eröffnen, die über Politik nicht erreichbar seien. Ebert hält es für ungeeignet, ein Konzept einer europäischen Leitkultur zu etablieren. „Das würde eine neue Festung schaffen. Diesen Fehler sollten wir nicht machen.“

Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, Britt Beyer, Regisseurin von „24 Stunden Europa“, und Sarah Grochala, Theaterautorin und Dozentin, diskutieren auf dem Panel „Europa erzählen“
Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, Britt Beyer, Regisseurin von „24 Stunden Europa“, und Sarah Grochala, Theaterautorin und Dozentin, diskutieren auf dem Panel „Europa erzählen“ | Foto: Anja Weber

Proeuropäer als bedrohte Spezies

Britt Beyer ist skeptisch, ob das Vernetzen von Akteurinnen und Akteuren aus dem Kunst- und Kulturbereich tatsächlich eine Lösung sein könnte. Dadurch entstünden Echokammern und man bliebe in seiner eigenen Gruppe, andere wiederum blieben außen vor. Sie mahnte, dass es Menschen in Europa gebe, die keine Stimme hätten. Für Beyer sind Bürgerrechte und die Pressefreiheit die wichtigsten europäischen Werte. Die britische Theaterautorin Sarah Grochala erwähnte Freiheit, Chancen und Sicherheit als die drei zentralen Begriffe, die sie mit Europa assoziiert. Sie bedauert, dass viele Menschen in ihrem Heimatland vergessen hätten, dass die EU einst gegründet wurde, um militärische Auseinandersetzungen zu verhindern. Gegenwärtig fühle sie sich als proeuropäische Intellektuelle in Großbritannien wie eine bedrohte Spezies. Moderatorin Katarzyna Wielga-Skolimowska, Referentin der Abteilungsleitung Kultur des Goethe-Instituts München, hinterfragte kritisch, ob wir diese Werte wirklich leben und nicht mehr tun müssten. „Wir müssen unser Verhalten reflektieren“, sagte Ebert. Ein Vorhaben, das auch auf den zahlreichen Veranstaltungen von „Freiraum“ in Berlin realisiert wird.

Im ZKU wird ein Film des „Freiraum“-Tandems Marseille-Prag präsentiert
Im ZKU wird ein Film des „Freiraum“-Tandems Marseille-Prag präsentiert | Foto: Anja Weber

„Freiraum in Berlin“ ist eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik und wird gefördert durch die Stiftung Mercator. Medienpartner sind ARTE, die tageszeitung und rbb Kulturradio.

„Freiraum in Berlin“ bildet den Auftakt zur zweiten Phase des Projekts „Freiraum“, in der das europaweite Netzwerk der Partner aus Kultur und Zivilgesellschaft gestärkt und ausgebaut wird.

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