Urmas Klaas
Der begeisterte ZDF-Zuschauer aus Põlva schrieb einen Brief an Helmut Kohl

Urmas Klaas Urmas Klaas - Oberbürgermeister Tartu

Damals, als ich noch zur Schule ging, war eben Deutsch die einzige Möglichkeit neben Russisch noch eine Fremdsprache zu lernen. Ich habe also Deutsch gelernt, hatte die beste Zensur, obwohl ich nicht wirklich sprechen konnte. Irgendwie habe ich ein paar Brocken Deutsch sprechen können, aber mit meinen Sprachkenntnissen war ich nicht zufrieden.

Als ich dann an der Uni Geschichte studierte, waren Deutschkenntnisse Pflicht – die meisten Quellen und Literatur waren ja gerade auf Deutsch. So fing ich an, eigenständig die Sprache zu erlernen, denn nun gab es mehr Motivation. Es kamen die 90er Jahre, die Grenzen öffneten sich, über den Satellitenanschluss konnte man verfolgen, was in der Welt passierte. Aus mir wurde ein treuer Zuschauer des ZDF und ORF. Bei der Wiedervereinigung habe ich mit Studienfreunden von der Uni sogar Bundeskanzler Helmut Kohl einen Brief geschrieben, um dem deutschen Volk zu gratulieren und mitzuteilen, dass die Geschichtsstudenten der Universität Tartu solidarisch hinter ihm stehen!

Es boten sich reale Möglichkeiten, in anderen Teilen der Welt Freunde zu finden – zum Beispiel Brieffreunde. Im Landkreis Põlva traf ein Schreiben aus Bad Segeberg ein, in dem angeboten wurde, mit dortigen Familien in Kontakt zu treten. Auch ich schrieb, dass wir – zwei Brüder, meine Mutter und mein Vater – an einer Freundschaft mit einer ähnlichen Familie interessiert seien. So kamen eines Tages Ingo, Inge, Jens und Jörn in unser Leben. Ich erinnere mich bis heute daran, wie Vater und Sohn uns nach einer abenteuerlichen Schiffsreise das erste Mal besuchten, sie kamen mit einem kleinen Audi – vollgeladen mit allerlei notwendigen Dingen. Sogar Mineralwasser war dabei, ganz zu schweigen von Coca-Cola, Lebensmitteln und Zahnpasta. Freunde sind wir heute noch.

Später bin ich sehr oft in Deutschland gewesen: Sowohl als Student, als auch als Politiker und musste auf alle möglichen Fragen zu Estland antworten, denn Interesse an uns besteht weiterhin. Ich bin irgendwie halb aus Versehen zum großen Freund Deutschlands geworden, habe fast die Rolle eines Experten angenommen. Auch als Journalist habe ich oft über Themen geschrieben, die sich auf Deutschland bezogen, habe sogar für deutsche Zeitungen gearbeitet. Im Parlament war ich Vorsitzender der Deutsch-Estnischen Parlamentariergruppe. Ich werde nicht müde, meine Bewunderung für die deutsche Ingenieurskunst und deren Leistungsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen. Gleiches gilt für deutsche Medien, wie zum Beispiel die Nachrichtensendungen des ZDF; den Spiegel oder die Frankfurter Allgemeine Zeitung lese ich auch heute noch regelmäßig.

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