Plan B

. © Karte: Tallinn

Plan B ist ein Audiospaziergang, in dem Menschen zu Wort kommen, die sich auf unterschiedliche Art und Weise dafür einsetzen, dass die Welt um uns für alle zu einem besseren Ort wird. Der Spaziergang beginnt am estnischen Parlament Riigikogu. Es ist ein symbolisch stark aufgeladener Ort, an dem Beschlüsse gefasst werden, die unsere Umwelt sowohl direkt als auch indirekt beeinflussen. Aber ist das genug? Plan B – der Titel der Audiotour – dient hier als Sammelbezeichnung für Pläne und Handlungen von Personen, die sich entschieden haben, abseits von politischen Parteien aktiv zu werden. Selbstverständlich können sich die Rollen der Personen auch überschneiden. Die hier vorgestellten sechs Personen aber, die während des Spaziergangs über ihre Tätigkeit und ihre persönliche Motivation sprechen, vertreten Bürger*inneninitiativen und -vereine.

Die Zuhörer*innen der Audiotour werden erfahren, wie Fridays For Future Estland, der Estnische LGBT-Verein, der Blindenverein Nord-Estland, die Estnische Flüchtlingshilfe, das Linnalabor (Stadtlabor) und das Zentrum für Angewandte Anthropologie tätig sind. Es handelt sich um verschiedene Initiativen, die sich in sehr unterschiedlichen Bereichen engagieren. Der wichtigste gemeinsame Nenner ist, dass alle Beteiligten über ein Estland sprechen, in dem Menschen besser (und sicherer) leben können und niemand ausgegrenzt wird. Einige der Weggefährt*innen in Plan B haben keine geringere Ambition als den Planeten zu retten.

Vor Ort in Tallinn kann die estnischsprachige Tour mit Kopfhörern mitgelaufen werden. Man kann sich das Audio selbstverständlich auch anhören, während man ganz andere Wege geht. Das Video bietet zusätzlich die Möglichkeit, am heimischen Bildschirm die Stadtlandschaften zu sehen, die sich den Sprecher*innen während des Spaziergangs eröffnen.

Stadtplan von Tallinn mit der Wegmarkierung der Audiotour Plan B © Karte: Tallinn

Audiotour

Kertu Birgit Anton, Verantwortliche für Fridays For Future Estland, steht vor dem Parlamentsgebäude © Foto: Keiu Virro Kertu Birgit Arro Foto: Keiu Virro
Fridays For Future und Kertu Birgit Anton

Ab 00:01:25
Der Spaziergang beginnt vor dem estnischen Parlament, einem bedeutsamen Platz für junge estnische Klimaaktivist*innen. Es ist ein symbolträchtiger Ort, ein Ort der Macht und gerade dort protestierten wochenlang die estnischen Vertreter*innen der Jugendbewegung Fridays For Future. FFF arbeitet darauf hin, die Klimakrise zu entschärfen. Die Jugendlichen sind für ihre Klimaproteste bekannt. Sie halten nicht nur Demonstrationen ab, sondern geben auch Gastunterricht in Schulen und initiieren notfalls Gerichtsverfahren. Kertu Birgit Anton – eine der Verantwortlichen für Fridays For Future Estland – sagt, dass sie öfters daran denkt, dass es idealerweise nicht Jugendliche sein sollten, die auf Missstände hinweisen. Es bleibt ihnen aber nichts anderes übrig, wenn der Rest der Menschheit trotz aller vorliegenden Informationen keine notwendigen Schritte unternommen hat. Diese Jugendlichen sind die erste Generation, die ihr ganzes Leben in der Klimakrise verbracht haben. Für sie ist es ein Kampf um ihre Gegenwart und Zukunft.

fridaysforfuture.ee

Porträtbild von Kristiina Raud vom Estnischen LGBT-Verein © Foto: Keiu Virro Kristiina Raud Foto: Keiu Virro
Estnischer LGBT-Verein und Kristiina Raud

Ab 00:20:04
Das Zentrum des Estnischen LGBT-Vereins wurde als sicherer Ort für alle geschaffen, die ihn brauchen. Kristiina Raud, Kommunikationsmanagerin des LGBT-Vereins, geht während des Spaziergangs näher darauf ein, wie LGBT-Personen und ihre Angehörigen durch den Verein unterstützt werden. Der Spaziergang führt über den Freiheitsplatz zum Kino Sõprus. Das sind die Orte, an denen Mitglieder des LGBT-Vereins im Rahmen der Pride oder zur Unterstützung der „Ehe für alle“ offen demonstriert haben. Sichtbarkeit bedeutet leider auch, dass man zur Zielscheibe wird. Für die Beteiligten lohnt sich aber das Eintreten für gleiche Rechte. Es geht immerhin um grundlegende Menschenrechte. Ohne Sichtbarkeit wird es auch keine Änderungen bei den tief verwurzelten Missverständnissen geben. Und obwohl noch vieles zu tun bleibt, hat es bereits Veränderungen zum Guten gegeben.

lgbt.ee

Artur Räpp, Vorstandsmitglied des Blindenverein Nord-Estland, steht vor einem großen Blumenkübel, welcher eine Straßensperre darstellt. © Foto: Keiu Virro Artur Räpp Foto: Keiu Virro
Blindenverein Nord-Estland und Artur Räpp

Ab 00:39:31
Der Spaziergang mit Artur Räpp, Vorstandsmitglied des Blindenvereins Nord-Estland und Peer-Berater, beginnt in der Altstadt an der Kreuzung der Straßen Müürivahe und Harju. Der Blindenverein Nord-Estland berät seine Mitglieder und bietet ihnen verschiedene Kurse an, die einem helfen, den Alltag besser zu bewältigen. Artur erklärt aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, sich als Blinder in der Stadt zu bewegen, und welche Teile des öffentlichen städtischen Raumes den Weg angenehmer machen. (Springbrunnen sind zum Beispiel ausgezeichnet!) In der Stadt gibt es viele Orte, die Sehende nicht als gefährlich oder unangenehm erkennen können, obwohl sie es für einige Personen sind. Zum Beispiel gibt es zurzeit am Anfang der Route hohe Pflanzen als Straßensperren. Früher gab es dort helle taubenförmige Sperren. Für Sehende waren sie schön anzusehen, für Menschen mit Sehbehinderung sind sie aber eine große Gefahr. Solange die Straßen für sie nicht sicher und bequem sind, ist es für sie schwieriger, sich allein zu bewegen. Artur denkt, dass es sehr wichtig ist, dass blinde und sehbehinderte Menschen im öffentlichen Leben möglichst sichtbar sind, da sie und ihre Bedürfnisse so nicht in Vergessenheit geraten können. Ohne ein ständiges in Erinnerung rufen tendieren Entscheidungsträger*innen leider doch öfter dazu.

ppy.ee/est

Porträtbild von Shorok Alsulaiman von der Estnischen Flüchtlingshilfe © Foto: Keiu Virro Shorok Alsulaiman Foto: Keiu Virro
Estnische Flüchtlingshilfe und Shorok Alsulaiman

Ab 00:56:37
Shorok Alsulaiman ist eine 19-jährige junge Frau, die mit ihrer Familie vor dem syrischen Bürgerkrieg zuerst in die Türkei und anschließend nach Estland geflüchtet ist. Vor kurzem absolvierte sie mit guten Noten das Altstadtgümnasium für Erwachsene in Tallinn. Nach der Ankunft in Estland erlernten sie und ihre Geschwister überraschend schnell Estnisch. Jetzt arbeitet Shorok als Koordinatorin der estnischen Flüchtlingshilfe. Die Organisation arbeitet darauf hin, dass in Estland ankommende Flüchtlinge sich möglichst schnell in der neuen Umgebung einleben können und dass Geflüchtete auch jenseits der estnischen Grenzen nicht in Not geraten. Die Stärke und der Zusammenhalt einer Gesellschaft ist umso größer, je besser sie ihre schwächeren Mitglieder unterstützt. Die Estnische Flüchtlingshilfe unterstützt Menschen, die gezwungen sind, ihr Leben hier neu aufzubauen. Je erfolgreicher sie es tun, desto besser ist es für das gesamte Land.

pagulasabi.ee

Porträtbild von Linnalabor-Mitglied Keiti Kljavin © Foto: Keiu Virro Keiti Kljavin Foto: Keiu Virro
Linnalabor und Keiti Kljavin

Ab 01:10:24
Mit Keiti Kljavin, Urbanistin und Mitwirkende bei Linnalabor (Stadtlabor), führt uns der Weg von der Estnischen Kunstakademie über den Baltischen Bahnhof zum Kreativviertel Telliskivi. Der Weg verdeutlicht die Veränderung des Stadtraums und den Einfluss der Gentrifizierung. Das Linnalabor ist ein Ort, an dem über solche Themen nachgedacht wird – es handelt sich um einen Think Tank für urbane Themen, der seit 15 Jahren besteht. Am Anfang ermöglichte das Linnalabor den jungen Forscher*innen ihren Interessen außerhalb der Akademie nachzugehen und bot eine Plattform für andersartige Initiativen und Tätigkeiten, die in den Universitäten noch nicht möglich waren. Laut Keiti hat sich das Labor mit der Zeit institutionalisiert, bleibt aber nach wie vor eine projektbasierte Zwischenbühne für unterschiedliche Akteur*innen, die die Stadtentwicklung beeinflussen. So werden Lösungen gesucht, die das Funktionieren und Verwalten von dicht besiedelten Gebieten verbessern, ebenso wie Möglichkeiten zur Förderung einer bereichs- und fachübergreifenden Zusammenarbeit sowie zur Verbreitung von bewährten Ideen und Praktiken.

linnalabor.ee

Sigrid Solnik, Geschäftsführerin des Zentrums für Angewandte Anthropologie, sitzt in Tallinns Kreativviertel Telliskivi. © Foto: Keiu Virro Sigrid Solnik Foto: Keiu Virro
Zentrum für Angewandte Anthropologie und Sigrid Solnik

Ab 01:30:19
Mit Sigrid Solnik, der Geschäftsführerin des Zentrums für Angewandte Anthropologie, schauen wir uns das Kreativviertel Telliskivi näher an. Bei Raumplanungsprojekten begleiten und erforschen die Anthropolog*innen die Wegstrecken von Menschen. Zum Beispiel: Welche Hindernisse gibt es beispielsweise im städtischen Raum, die Kindern das Leben schwer machen, von denen die Erwachsenen aber nichts wissen? Sigrid bringt mehrere Beispiele. Solche tiefen Einblicke helfen Raumplaner*innen, ihr Wissen und Einfühlungsvermögen einzusetzen, um inklusivere Räume mit mehr Rücksicht für alle zu gestalten. Es versteht sich von selbst, dass dies den Willen dazu erfordert.

antropoloogia.ee

Die Interviews führte:

Keiu Virro studierte Semiotik und Kulturtheorie. Früher war sie unter anderem Redakteurin des Fernsehmagazins Ringvaade beim estnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ETV, Theaterredakteurin der Zeitung Müürileht und Kulturjournalistin der Zeitung Eesti Päevaleht. Jetzt arbeitet sie bei der Estnischen Notrufzentrale.

Initiativen und Projekte aus Deutschland




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