„Couch Lessons“
„Was dürfen Maschinen selbständig tun?“
Die „Couch Lessons“ beleuchten Chancen und Risiken algorithmischer Entscheidungssysteme. In einer neuen Folge diskutierten die Abrüstungsexpertin Angela Kane und der amerikanische Politikwissenschaftler P. W. Singer über das Thema „Künstliche Intelligenz und Frieden“.
Von Annette Walter
Technologischer Fortschritt wurde häufig durch militärische Konflikte angetrieben. Seit Jahrzehnten nutzen Nationen weltweit Künstliche Intelligenz (KI) auch als Mittel der Kriegsführung, etwa mit bewaffneten Drohnen in Afghanistan. Doch wie kann KI verantwortungsvoll für militärische Belange eingesetzt werden, wie zur Förderung von Frieden beitragen und zur Bekämpfung bewaffneter Konflikte?
Fragen, mit denen sich die Wissenschaftlerin Angela Kane vom Wiener Zentrum für Abrüstung und Nichtverbreitung (VCDNP) seit langem intensiv befasst. Sie betonte, wie wichtig es sei, ethische Fragen in diesem Zusammenhang zu diskutieren: „Wir brauchen mehr Regulierung für den Einsatz von bewaffneten Drohnen und anderen militärischen KI-Technologien.“ Als durchaus gutes Beispiel nannte sie die USA, wo unter der Präsidentschaft von Barack Obama konkrete politische Maßnahmen zum Umgang mit Drohnen im Militär angestoßen wurden: „Das war ein Beginn, ich fand das positiv.“ Unter seinem Nachfolger Donald Trump existiere dieses Vorhaben allerdings nicht mehr.
Wichtigste Veränderung in der menschlichen Geschichte
P. W. Singer, amerikanischer Politikwissenschaftler und Militärexperte, hat sich bereits in seinem 2009 veröffentlichten Buch „Wired for War: The Robotics Revolution and Conflict in the 21st Century“ mit dem Einsatz von Drohnen und Militärrobotern befasst. Für ihn handelt es sich bei KI um die wichtigste Veränderung in der menschlichen Geschichte, eine Technologie, die in vielen Bereichen einen Bruch verursacht. Nicht nur die amerikanische Verteidigungsstrategie involviere KI. IT-Giganten wie Google und Facebook investieren Milliarden in dieses Feld, aber auch Konzerne, bei denen man es auf den ersten Blick nicht annehmen würde, wie etwa die Fast-Food-Kette McDonald’s und der Landmaschinenhersteller John Deere.Für Singer ist dabei zentral: „Jede neue Technologie stellt neue Fragen, was richtig und was falsch ist. Damit tauchen unbekannte rechtliche und ethische Fragen auf, wie wir sie noch nie zu beantworten hatten: Was dürfen Maschinen selbständig tun, wer sollte sie besitzen und wer die Früchte ihrer Arbeit ernten?“
Fragen der Privatsphäre müssen neu verhandelt werden
Er erwähnte in diesem Zusammenhang auch die Technik der automatischen Gesichtserkennung als gängige Methode, mit der das US-Militär Angriffsziele in der Dunkelheit identifizieren könne. Aber auch die Polizei in Städten wie Moskau, Peking und New York arbeite mit solchen Programmen, etwa bei Straßenprotesten. Einerseits könne diese Methode mehr Sicherheit für die Bürger*innen gewährleisten, andererseits wirft ihr Einsatz komplexe Fragen zur Privatsphäre auf.Singer ist der Ansicht, dass die Corona-Pandemie die Entwicklung von KI sogar noch beschleunigen werde, etwa im Bereich der Tele-Medizin. Das beträfe robotergesteuerte Corona-Tests, das bereits praktizierte Tracken von Kontakten zwischen Menschen oder das automatisierte Messen der Körpertemperatur von Personen im öffentlichen Raum, das auf eine Corona-Infektion hindeuten könne.