Hauptformat dieses grenzüberschreitenden interdisziplinären Projekts war eine zirkumpolare Residenzkette, die im Jahr 2021 stattgefunden hat. Das übergeordnete Thema war der Klimawandel, der die Lebensbedingungen in den nördlichen Territorien grundlegend beeinträchtigt. Insbesondere Fragen zu Indigenem Wissen, Ökologie, Klimagerechtigkeit und Kultur lagen im Fokus der Projekte. Finden Sie hier Informationen zu den Residenzorten, den Teilnehmerinnen sowie einigen Berichten.
Trotz der schwierigen Umstände in der Pandemie und den damit zusammenhängenden Einschränkungen des Reisens konnten die meisten der geplanten Besuche stattfinden. Es ist eine Reihe fantastischer Werke entstanden und der Austausch mit Kunstschaffenden in einem anderen Umfeld hat ihre künstlerische Arbeit gegenseitig bereichert. In Wort und Bild stellen Ihnen in dieser Reihe von Videos die Residentinnen selbst ihre Arbeit im Rahmen des Projektes vor.
Die Klimakrise bedroht alle Gesellschaften, insbesondere diejenigen, die im zirkumpolaren Norden leben. Während Indigene Kenntnisse in internationalen Diskursen zunehmend anerkannt werden, werden sie insbesondere als Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels betrachtet. Das Programm „The Right To Be Cold“ erkennt den Zusammenhang und die Wechselbeziehung zwischen der Dringlichkeit der Klimakrise und der Relevanz der Indigenen Rechte und der Selbstbestimmung an. Das Projekt ist ein Ausgangspunkt für den Wissensaustausch und die Verbindung von Diskursen im Norden mit denen im Süden.
Im Rahmen dieses Projekts bilden bestehende und neue Residenzprogramme in Nunavik, Finnland, Yakutien, Norwegen und Sápmi ein Netzwerk für Künstlerinnen und Künstler sowie Forscherinnen und Forscher.
Ziele des Residenz-Netzwerks:
Ermöglichung und Verwirklichung eines Austausches zwischen den verschiedenen Residenzprogrammen im zirkumpolaren Norden.
Entwicklung einer zirkulären Austauschpraxis unter den Residenzen, mit der Möglichkeit zu Interaktionen zwischen den verschiedenen Resident*innen und lokalen Gemeinschaften sowie eines Austausches ihres Wissens und der praktischen Kenntnisse.
Die Resident*innen kommen aus verschiedenen Disziplinen und künstlerischen Bereichen (Kunst, Forschung, Literatur, Kuratieren, Erzählen (storytelling), Kunsthandwerk, Film, Architektur, Wissenschaften), die Indigene Wurzeln haben oder ein starkes Wissen und eine intensive Beziehung zu Indigenen Gemeinschaften im zirkumpolaren Norden haben. Die Residenten*innen werden zum Austausch ihrer Praktiken in öffentlichen Formaten für die lokalen Gemeinschaften eingeladen.
Folgende Residenz-Programme nehmen am Netzwerk teil:
Das Avataq Kulturinstitut bietet eine stabile Grundlage für die lebendige Kultur der heutigen Inuit. Seit seinen Anfängen in den 1980er-Jahren, hat sich Avataq eine solide Reputation als kultureller Repräsentant für Nunavik-Inuit erarbeitet und eine wichtige Ressource für die Kultur der Inuit in Kanada und darüber hinaus aufgebaut.
"Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass Kultur und Sprache der Inuit auch in Zukunft weiterleben, sodass unsere Nachkommen von dem reichen Erbe profitieren, das uns durch die Weisheit unserer Vorfahren überliefert wurde."
Im Frühling 2009 richtete das Avataq Kulturinstitut eine neue Abteilung als Nunavik Kunstsekretariat unter dem Namen Aumaaggiivik ein. Ihr Ziel ist es, die Entwicklung der Künste in Nunavik zu fördern sowie die wirtschaftliche Entwicklung anzuregen und langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten im Kunst- und Kultursektor der Region zu schaffen.
Aumaaggiivik – der Name stammt von einem Inuit-Wort und bedeutet „der Ort, an dem Funken gewonnen werden“ – bietet Künstler*innen aus allen künstlerischen Disziplinen (bildende Künste, Musik, Medien-Künste, Literatur, Erzählen, etc.) Unterstützung, indem man hier ihre Karriere durch ein Programm von Kunststipendien und spezielle Kurse fördert.
Aumaaggiivik bietet außerdem „Artist-in Residence“-Aufenthalte und unterstützt die Errichtung von lokaler Infrastruktur, um den Künstler*innen Arbeitsstätten zu bieten und die Kunst sowohl in der Region als auch auswärts zu promoten.
Malakta kann als ein Ökosystem angesehen werden, das für und mit Blick auf Künstler*innen gebaut wurde.
In den vergangenen 13 Jahren hat Malakta die Infrastruktur immer weiter ausgebaut, um verschiedenste Veranstaltungen im künstlerischen Bereich zu ermöglichen. Dazu gehören Residenz-Programme, Workshops, Laboratorien, etc. zum kulturellen Austausch zwischen den Gastkünstler*innen und der Region.
Da Malakta geografisch innerhalb der Bevölkerungsminderheit der Finnlandschwed*innen und zudem an der Peripherie der ‚zentralisierten Kunstwelt‘ liegt, richtet sich unser Fokus darauf, mehr Künstler*innen mit einem besonderen Interesse an Natur und Umwelt zu gewinnen.
Zieht man eine Parallele zu den Indigenen Gemeinschaften, kann ein gegenseitiges Interesse erreicht werden, indem der menschliche Zustand durch die geopolitischen Umstände, die Geschichte, die Kultur geteilt, untersucht und verstanden wird und auch unser tägliches Leben in Symbiose mit der Umwelt verbessert wird.
Malakta AiR konzentriert sich darauf, Künstler*innen für die Malakta-Kunstgemeinschaft zu gewinnen, die sich in ihrer Kunstpraxis von der Natur inspirieren lassen. Natur als Thema, aber auch Natur als Rohmaterial. Natur als per Definition etwas, das menschlichen Schöpfungen gegensätzlich ist, und Kunst als physischer Prozess menschlicher Schöpfung. Mit den Ergebnissen der Residenz ist Erfahrung und wachsendes Bewusstsein zwischen natürlichen und vorgefertigten Lebensräumen verbunden, in die sich die heutige Gesellschaft bewegt.
Das Ziel der Malakta-AiR-Programme ist es, Begegnungen zwischen Kunst und Natur zu schaffen, das Bewusstsein für Natur und Kunst zu stärken und es Gastkünstler*innen zu ermöglichen, ihre Arbeiten in einer unterstützenden und kreativen Umgebung, zu entwickeln, zu schaffen und zu teilen. Dies umfasst auch eine blühende Kunstgemeinschaft und speziell gebaute Arbeitsräume mit der Natur vor der Haustür. Malakta-AiR baut seine Multi-Art-Residenz-Programme weiter aus, die eine klare und direkte Wirkung auf lokale und regionale Gemeinschaften haben. Das trägt zu einer vielseitigeren und virilen Kunstszene bei und schafft neue Formen partizipativer und gemeinschaftlicher Kunst in der Region.
Das Nationale Kunstmuseum der Republik Sakha (Yakutien) ist ein wichtiges Zentrum für Kunst und Kultur der kältesten bewohnten Stadt der Welt: Yakutsk. 1928 gegründet, kristallisiert das Museum die Erfahrung vieler Generationen von Künstlern, die das Bild der nördlichen Region unter den schwierigen historischen Bedingungen kultivierten. Das Nationale Kunstmueum der Republik Sakha ist mit acht Niederlassungen über die Republik verteilt vertreten und wurde 2019 mit dem „Haus der Künstler“ erweitert – einem der bedeutendsten Orte für die Kunstszene aus den 1960er-Jahren.
Wir laden Künstler*innen aus verschiedensten Disziplinen ein, deren Arbeiten auf die Themen des Projekts von „The Right To Be Cold” abzielen und die an den lokalen Kontext gerichtet sind. Unerlässlich ist ein Dialog mit lokalen Resident*innen, Künstler*innengespräche, von den Künstler*innen geleitete Workshops. Eine öffentliche Präsentation der Abschlussarbeiten wird von den Museumsmitarbeiter*innen unterstützt.
Ein Atelier im Künstler*innenhaus wird gestellt, ein*e Koordinator*in aus den Mitarbeiter*innen des Nationalen Kunstmuseums der RS (Y), unterstützt die Kommunikation mit lokalen Institutionen und der Kunstszene.
Røst AiR ist eine multidisziplinäre Non-Profit-Vereinigung mit Artist-in-Residence- und Artist-run-Programmen. Sie hat ihren Sitz auf Røst und zusätzlich während der Sommermonate einen Standort im Leuchtturm auf Skomvær, einer Insel im Schärengürtel vor Røst (Nordnorwegen/Sápmi, 67. Breitengrad). Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Naturreservat Nykan, auf dem sich die größte nordeuropäische Kolonie von Seevögeln befindet.
Unsere Schwerpunkte und Interessen beinhalten folgende Bereiche, sind aber nicht auf sie beschränkt: ökologische Umstellung, Geopolitik, Diversität, Selbstversorgung, Rassen- und Gendertheorie und die Schnittstellen zwischen Ökologie, dekolonialem Denken und Handeln sowie postkolonialer Feminismus und Queer-Theorie. Standortspezifische Projekte, Prozessarbeit und interdisziplinäre Treffen werden gefördert. Trotzdem möchten wir unterstreichen, dass wir für jegliche Art von singulären oder gemeinschaftlichen Ausdrucksformen künstlerischer Praktiken offen sind.
Røst AiR arbeitet an alternativen Wegen, um in dieser Welt zu navigieren, sie zu erschaffen und in ihr zu sein, und erforscht beispielsweise das Potenzial postfossiler Brennstoffe. Wir lassen uns inspirieren von der Tradition der Küsten-Sámi sowie der nordnorwegischen Fischerei und Landwirtschaft und legen allmählich die alten Gemüse- und Kräutergärten am Leuchtturm wieder an.
Dáiddadállu
Dáiddadállu ist ein einzigartiges Sámi-Kunstkollektiv in Guovdageaidnu/Kautokeino, Sápmi, das 2014 gegründet wurde.
Die Künstler*innen auf Dáiddadállu verfügen über Fachkenntnisse in ihren jeweiligen Bereichen und zusammen vertreten wir Themen wie visuelle zeitgenössische Kunst, Fotografie, Film, Fernsehproduktion, Grafikdesign, Schreiben, Musik, Choreografie, Innenarchitektur, Schauspiel, Joik und Musik. Alle Dáiddadállu-Mitglieder halten Verbindung zu Guovdageaidnu/Kautokeino, reisen aber und arbeiten an Projekten auf der ganzen Welt. Das übergeordnete Ziel von Dáiddadállus ist es, ein starkes, aktives Umfeld für sámische Künstler*innen zu schaffen. Unser Ziel ist die Professionalisierung der Disziplinen sowie die Rentabilität der Geschäftstätigkeiten der Künstler/innen.
Sámi Dáiddaguovddáš/Sámi-Center für Zeitgenössische Kunst (SDG)
SDG wurde 1986 vom Sámi-Kunstverband gegründet, der 2013 zusammen mit dem Sámi-Parlament von Norwegen die Stiftung Sámi Dáiddaguovddás initiierte. Die Stiftung setzt die 1986 begonnenen Arbeiten in ihren neuen Räumlichkeiten in Karasjok fort, die 2014 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden.
Im neuen Zentrum bietet SDG ein umfangreiches Programm von Ausstellungen und Events in erster Linie zu zeitgenössischer Kunst der Sámi von Künstler*innen aus Norwegen, Schweden und Finnland, aber auch von internationalen Künstler*innen. SDG soll ein „Ressourcenzentrum“ für zeitgenössischen Sámi-Kunst sein, es engagiert sich aber auch außerhalb bei nationalen und internationalen Aktivitäten.
Es ist der Auftrag von SDG, die visuelle Kunst der Sámi und ähnliche Bestrebungen zu fördern und zu präsentieren, als führendes Ressourcenzentrum für die zeitgenössische Kunst der Sámi zu fungieren und als kraftvoller, anerkannter, respektierter und allgemein sichtbarer Akteur in der zeitgenössischen Kunstszene zu dienen. SDG arbeitet an der Entwicklung und Ausweitung der Begegnungen zwischen zeitgenössischer Sámi-Kunst und der Öffentlichkeit. Zu den SDG-Zielsetzungen zählt auch, zeitgenössische Kunst zu präsentieren, Interesse dafür zu wecken und Betrachter*innen zu helfen, zeitgenössische Kunst zu schätzen, einen Ort für neue experimentelle künstlerische Praktiken zu schaffen und künstlerische Freiheit zu gewährleisten.
¹ Der Titel des Projekts stammt aus dem langen Kampf der Inuit um ihre Rechte im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Das gleichnamige Buch von Sheila Watt-Cloutier (2015, Allen Lane Publication), zeugt von ihrer Pionierarbeit bei der Verknüpfung des Klimawandels mit den Menschenrechten mit der Inuit-Petition, die sie und 62 andere Inuit aus Kanada und Alaska bei der Amerikanischen Kommission für Menschenrechte 2005 in Washington DC eingereicht haben. Inuit-Repräsentanten und Klimawandel-Aktivisten verwenden diesen Ausdruck für ihren Kampf in der Hoffnung, dass die politische Führung erkennt, wie stark ihre Gemeinschaften vom Klimawandel betroffen sind. Auch wenn die Kommission die Inuit-Petition nicht annahm, gab es eine historische Anhörung zu den rechtlichen Auswirkungen und Zusammenhängen zwischen Klimawandel und Menschenrechten. Okalik Eegeesiak, die ehemalige Vorsitzende des Inuit Circumpolar Council (ICC), verwendete diesen Ausdruck in ihrer Rede bei der UN-Klimakonferenz COP 21 am 3. Dezember 2015 in Paris: „Der Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein Menschenrechtsproblem, und das Abschmelzen der Arktis wirkt sich auf alle Aspekte des Lebens der Inuit aus. Daher muss der endgültige Text die Rechte der indigenen Völker wirksam machen und in Artikel 2.2 beibehalten. Wir haben das Recht kalt zu sein“, argumentierte Eegeesiak.