Jan M. Piskorski
Die Verjagten : Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts

Sharon Dodua Otoo: Adas Raum © © Verlage S. Fischer Sharon Dodua Otoo: Adas Raum © Verlage S. Fischer
Sharon Dodua Otoo: Adas Raum
Frankfurt am Main: S. Fischer Verlage, 2021, 320 Seiten.
 

Eine vielfache Ada, die durch die Jahrhunderte streift und sich ständig zwischen den Orten bewegt, ist die Hauptfigur des ersten, lang erwarteten Romans von Sharon Dodua Otoo, den sie auf Deutsch geschrieben hat – vorausgegangen sind zwei Novellen auf Englisch und eine Erzählung auf Deutsch, für die sie 2016 mit dem berühmten Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde.
Mal taucht Ada als Sklavin in einem Dorf in Ghana 1459 auf, mal als brillante Mathematikerin in London 1848 (angelehnt an Ada Lovelace, die Tochter Lord Byrons, die eine außereheliche Beziehung zu Charles Dickens führte), mal als Polin im KZ 1945 und mal als schwarze, schwangere Frau auf der Wohnungssuche im heutigen Berlin, und ist stets der Gewalt, der Unterdrückung, der Unterwerfung, dem Rassismus und dem Sexismus in ihren verschiedenen, im Laufe der Jahrhunderte stattgefundenen historischen Transformationen ausgesetzt. Mit seinem starken politischen (feministischen und antirassistischen) Ansatz kann Adas Raum als Beispiel einer kämpferischen, politisch engagierten Literatur von heute betrachtet werden, allerdings beschränkt sich seine Wirksamkeit keineswegs auf eine solche Bezeichnung. Dazu trägt zweifellos die komplexe Struktur des Buches bei, in der sich die Zeitebenen abwechseln und verschränken, die Vielstimmigkeit, wie auch die unterschiedlichen, oft unerwarteten Erzähltechniken, die die Autorin einsetzt – was zur Folge hat, dass sogar Gegenstände wie ein Reisigbesen, ein Türklopfer und ein Reisepass zum Ich-Erzähler avancieren und von der Autorin beauftragt werden, die Geschichte zu erzählen. Zu den Vorteilen des Romans zählt ebenfalls sein nüchterner Ton, der in Zusammenhang mit dem sorgfältigen Einsatz von Ironie die Ereignisse bewusst entdramatisiert, was wiederum gerade dazu führt, dass sie in ihrer vollen dramatischen Wirkung erscheinen.
 
Marina Agathangelidou © © Marina Agathangelidou Marina Agathangelidou © Marina Agathangelidou
Von Marina Agathangelidou

Marina Agathangelidou, geboren 1984 in Athen, lebt in Berlin. Sie studierte Theaterwissenschaft und literarisches Übersetzen in Athen und promovierte anschließend am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität Berlin. Seit 2006 ist sie als freie Übersetzerin tätig.
 
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