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Künstler*innen aus dem Irak bekämpfen Umweltschäden und Klimawandel mit Farbe und Pinsel

Künstler erklärt zwei Gästen eine Skulptur
© Mahmoud Waleed, Goethe-Institut e.V.

Dutzende von Kunstwerken schmücken die Wände der Irakischen Gesellschaft für Plastische Kunst in Babylon. Sie greifen Umweltthemen auf, die aktuell in der irakischen Gesellschaft relevant sind. Sie stammen von 14 Künstler*innen und Künstlern und sind im Rahmen von Guan Eden entstanden, einem Projekt des Goethe-Instituts Irak, gefördert vom Auswärtigen Amt. Ziel des Projektes ist es, das gesellschaftliche Bewusstsein für den Klimawandel und seine Folgen für die Umwelt zu stärken.

Von Haydar Hussein al-Janabi

Spiegelung einer Frau im Bilderrahmen © Mahmoud Waleed, Goethe-Institut e.V.

Im heutigen Hilla stieß das Projekt auf regen Zuspruch. Die neben den historischen Ruinen der Stadt Babylon liegende Stadt hat eine lange Siedlungsgeschichte, die mehr als 6000 Jahre zurückgeht und mit archäologischen Funden aus den Bereichen Architektur, Kunst und Literatur sowie mythologischen Erzählungen wie den hängenden Gärten von Babylon assoziiert wird. Die frühen Hochkulturen der Sumerer, Babylonier und Assyrer entwickelten sich zwischen Euphrat und Tigris im Becken des sogenannten fruchtbaren Halbmonds, in dem auch das heutige Hilla liegt. Früh wurde hier Landwirtschaft betrieben. Noch immer spielt diese eine wichtige Rolle in der Region.

Ein Möbelstück das einen Büffel ähnelt © Mohamad al-Shajiri

Die Harfe der Dürre

An einer der Wände lehnt die Harfe der mesopotamischen Sümpfe. An ihrem Platz zwischen den Gemälden erzählt sie eine Geschichte von Dürre. Der Künstler hat sich eines Büffelkörpers oder Büffelskelettes als Bild bedient, um dadurch eine wahre Begebenheit wiederzugeben: die Geschichte eines Büffelzüchters, der in den mesopotamischen Sümpfen seinen einzigen Büffel an die Dürre verliert. Aus dem Skelett des Büffels baut der Mann eine Harfe, um seine Verbundenheit mit dem Boden auszudrücken. Der Künstler spielt mit dieser zeitgenössischen Geschichte auf die goldenen Harfen von Ur der 4500 Jahre alten sumerischen Kultur an. Drei Saiteninstrumente wurden bei Ausgrabungen im 20. Jahrhundert auf dem Friedhof der ehemaligen Stadt Ur, im Süden des Irak, gefunden. Die als älteste Saiteninstrumente geltenden Funde sind heute in Museen im Irak, Großbritannien und den USA ausgestellt.

Frau steht mit Mobiltelefon vor einem Kunstwerk © Mahmoud Waleed, Goethe-Institut e.V.

Andere Gemälde scheinen die Besucher*innen beim Gang durch die Ausstellung zu beobachten, zeigen relevante Themen auf und überbringen Botschaften, durch die die Gesellschaft für die Gefahr des Klimawandels sensibilisiert werden soll.

Anlässlich des Welttags für die Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre, dem 17. Juni, haben die Vereinten Nationen im Juni 2022 einen Bericht veröffentlicht. Darin rufen sie Organisationen zu mehr Einsatz für den Schutz des Iraks vor den zerstörerischen Auswirkungen des Klimawandels auf und fordern, das Land bei der Bewältigung der Herausforderungen stärker zu unterstützen. Der Irak leidet unter den langen Hitzewellen, sinkenden durchschnittlichen Niederschlagsmengen, dem Verlust von fruchtbarem Boden, der Versalzung der Böden und der Ausbreitung von Sandstürmen.

Die Ausstellung in Hilla knüpft an den Bericht an und greift die gesamtgesellschaftlich relevante Thematik auf künstlerische Weise auf.

Kunstwerk Dürre © Allaadin Mohamad

Der Vorsitzende der Irakischen Gesellschaft für plastische Kunst in Babylon, Ayad al-Zubaidi sagt über das Projekt: „Wir machen eine gute Erfahrung mit der Ausstellung. Die teilnehmenden Künstler*innen sind Dozierende von der Fakultät für Bildende Kunst sowie junge Künstler*innen. Die Ausstellung umfasst insgesamt 30 Gemälde, Skulpturen und Plastiken, Keramiken und Graphiken. Die Besucher*innen kommen aus allen Teilen der Gesellschaft, auch derie amtierende deutsche Botschafterin und Anaïs Boelicke, die Leiterin des Goethe-Instituts Irak, haben die Ausstellung besucht.“

Er führt weiter aus: „Dreh -und Angelpunkt aller Werke sind Umwelt und Klima.” Es werde in einer großen Bandbreite behandelt: sowohl steigende Temperaturen, fehlender Niederschlag und daraus resultierende Dürren mit einhergehenden Folgen wie das Aufreißen der Böden, Bodenerosion und Desertifikation, als auch rein menschengemachte Probleme, wie die Umnutzung landwirtschaftlicher Flächen für Siedlungsraum, oder die Folgen von Kriegen auf die Menschen, würden angesprochen. Manche Werke schlügen positivere Töne an und drückten beispielsweise den Wunsch aus, die Natur in schöne Grünflächen zu verwandeln.

Zubaidi führt weiter aus: “die Kunstwerke lösen bei den Besucher*innen eine emotionale Reaktion aus, wie auch Worte, Nachrichten, Romane, Geschichten und Filme es können. Über die Vermittlung der Inhalte leisten die Kunstwerke einen Beitrag zur Sensibilisierung der Menschen für Umweltthemen.“

Künstler erklärt Gästen ein Kunstwerk © Mahmoud Waleed, Goethe-Institut e.V.

Die Kunst wird nicht sterben

Für Zubaidi hängen Kunst und Umwelt unmittelbar miteinander zusammen, dies äußere sich unter anderem durch Farben und ihre Symbolik: als Ursprung aller Farben wirke sich ein Wandel der Natur durch Umwelt- und Klimaänderungen auch auf die Farbwelt und ihre Nutzung aus. So sei in vielen Werken das Wasser nicht mehr blau, sondern werde schwarz dargestellt, während Farben wie Braun die Dürre, und Gelb, Rot und Violett die Hitze repräsentieren.

Trotz der zahlreichen Kriege und der Zerstörung, die der Irak seit über 40 Jahren erlebt, äußert sich Zubaidi zuversichtlich: “die Kunst bleibt lebendig und entwickelt sich weiter, solange es genug zum Leben, Strom und Wasser gibt [...]. Unsere Aufgabe ist es zu malen, Kunst zu schaffen und sie mit der Gesellschaft zu teilen. Die Waffen der Künstler*innen sind Leinwand und Farbe, und es ist ihre Pflicht, die Aufmerksamkeit der Menschen für Umweltprobleme zu gewinnen, um sie so bewältigen zu können.“

Dr. Haydar Ruuf Said, Dozent für Keramik an der Fakultät der Bildenden Künste und stellvertretende Vorsitzende der Irakischen Gesellschaft für Plastische Kunst in Babylon stellt in Hilla mehrere Plastiken aus. Auch er findet, die Kunst könne darüber aufklären, wie wichtig die Umwelt ist und davor warnen, wie gefährlich es sei, den Klimawandel zu ignorieren. Er ergänzt: “Wir leben in einer Umwelt, deren Gesundheit bedroht ist und die so eigentlich kaum mehr für das menschliche Zusammenleben geeignet ist und zu einer Bedrohung für die Menschen werden kann. Mithilfe der Kunst können wir die Leute dazu anhalten, die Umwelt sauber zu halten, damit wir zufrieden leben können. Auch für künftige Generationen.“

Kunstwerk aus Babylon-Kunstausstellung © Raja Ghaly al-Issawi

Das Land von Euphrat und Tigris lechzt nach Wasser

In dem Land, das seit Jahrtausenden zu einer der fruchtbarsten Regionen der Erde gehört hat und bereits unter frühen Herrschern wie Nebukadnezar ausgefeilte Kanal- und Bewässerungssysteme entwickelt hatte, herrscht eine der schlimmsten Dürren seit Jahrzehnten. Das Marschland, in dem Euphrat und Tigris zusammenfließen und das zum UNESCO Welterbe gehört, droht auszutrocknen: steigende Temperaturen und fehlender Niederschlag führen zu immer weiter sinkenden Wasserständen. Dazu kommt, dass das verbliebene Wasser durch Abwassereinleitungen und Rückstände aus der Landwirtschaft stark mit Giften belastet, und durch die erhöhte Verdunstungsrate der Salzgehalt im Wasser stark angestiegen ist.

Der Künstler Aqeel Khareef aus Bagdad bestätigt die Aussagen seiner beiden Kollegen: „Kunst trägt Verantwortung. Die ausgestellten Kunstwerke leisten einen Beitrag zur Behandlung der Umweltprobleme, vor denen der Irak steht. Kunst hat Einfluss auf die Politik im Irak, weil Probleme visualisiert und zeitgemäß aufgearbeitet werden. So regt Kunst die Öffentlichkeit an, Entscheidungsträger dazu zu bringen, die Risiken der Vernachlässigung von Umweltproblemen anzugehen. Das trägt zur Bewusstseinsbildung aller bei, damit wir die Gefahren des Klimawandels bändigen können.“

Er schließt mit: „Es ist wirklich wichtig, dass Künstler*innen sich mit den klimatischen Veränderungen in ihrer Region beschäftigen und so künftig Werke ausstellen können, bei denen es auch um lokale Themen geht.“

Kunstwerk mit Fischen © Makki Imran Raji


 

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