von Hemin Khasraw aus Erbil
Comics in Singar

Hemin Hamed W
Salam Yousry © Goethe-Institut

Hemin Khasraw (41) ist Künstler und für die kanadische Organisation Art Matica im Irak tätig. Er wurde in der historischen Stadt Erbil geboren und absolvierte einen Masterabschluss in Soziologie und Anthropologie an der Simon Fraser University in Vancouver, Kanada.
 
In seinem Projekt Comics in Sinjar bedient er sich der Kunstform des Comics um einerseits kritisches Denken zu fördern und andererseits die Widerstandsfähigkeit bei Trauma zu stärken.
 
Diese Idee wurde erstmals in Mossul im Januar 2019 umgesetzt und war dort ein Erfolg. Im Moment arbeitet Hemin daran, das Projekt auch in der Stadt Sinjar umzusetzen. Aufgrund der dort existierenden religiösen, gesellschaftlichen und politischen Spaltungen ist die Situation in Sinjar besonders komplex; Population und Streitkräfte setzen sich aus Jesiden, Schiiten und Sunniten zusammen. Aber auch wenn die Lage in Sinjar nach all der Zerstörung und dem Massenexodus seiner Anwohnerinnen und Anwohner empfindlich ist, glaubt Hemin an das große Potenzial derjenigen, die geblieben sind.
 
Für sein Projekt will Hemin eine möglichst diverse Teilnehmenden-Gruppe zusammenstellen und so eine Basis für Kommunikation und Diskussion zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen schaffen. Er rechnet fest damit, dass es in der Gruppe aufgrund der existierenden gesellschaftlichen Spaltungen zu Meinungsverschiedenheiten kommen wird, sieht aber die Möglichkeit im Kontext von Workshops diese Sichtweisen einander gegenüberzustellen und Konflikte mittels Diskussion und Dialog zu klären. Gleichzeitig stehen der Schutz und die Sicherheit der Teilnehmenden an erster Stelle. Die Workshops sollen einen sicheren Ort für diesen Austausch bieten.
 
Hemin möchte eine 70-prozentige weibliche Beteiligung erreichen. Die Frauen und Mädchen aus Sinjar leiden schon lange an ihrer Unterdrückung durch die Gesellschaft, weshalb sogar berufstätigen Frauen oft verwehrt wird ihre Meinung kritisch zu äußern. Ein wichtiges Ziel des Projekts ist es also, Frauen in ihrer Fähigkeit eigenständig zu handeln zu stärken. Die Anzahl der Teilnehmenden sollte 16 nicht überschreiben, sodass jeder und jedem einzelnen genügend Zeit zum effektiven Lernen zur Verfügung steht. Das Alter der Zielgruppe liegt zwischen 19 und 25 Jahren. Der Workshop wird fünf bis sechs Tage dauern, gefolgt von einer Ausstellung zu den erstellten Comics und der Zusammenstellung eines Bands mit den besten drei Comics. Es wird die erste Comic-Ausstellung in Sinjar sein.
 
Nachdem die Teilnehmenden mit Techniken, ihre Geschichten durch Comics zu erzählen, vertraut gemacht wurden, werden sie individuell arbeiten. In den Workshops werden sie lernen, die Details ihrer täglichen Leben und Begegnungen in Comics zu verarbeiten. Später werden sie erfahren, wie ihre eigenen Geschichten in Beziehung zu denen der anderen und ihrer Umgebung stehen.
 
Hemin möchte mittels Comics Kunst und Bildung auf den Straßen sichtbar machen, sozusagen ins Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens stellen. Er hofft, die Verknüpfung von Bildung und Alltag werde erfolgreicher als die unpopuläre Fachliteratur und Forschung sein, um das ultimative Ziel, echten gesellschaftlichen Wandel, zu erreichen. Indem Überlebende von Konflikten ihre eigenen Lebensgeschichten in Kunst und Comics verarbeiteten, hätten sie eine bessere Chance ihr Trauma zu verarbeiten.
 
Im Kern von Hemins Arbeit auf Basisebene steht sein Glaube daran, dass die Ermächtigung zu eigenständigem Handeln und Stärkung der Willenskraft für Individuen wichtig ist, um ihren Lebensweg selbst zu bestimmen. Kritisches Denken und Widerstandsfähigkeit bei Trauma, die bei der Arbeit mit Kunst und Kultur aufgebaut werden können, seien wiederum Voraussetzungen für die Lösung von Konflikten, Spaltungen und Kriegen.
 
Hemin glaubt, dass Menschen zu Pessimismus und dem Gefühl, mit ihren Problemen allein zu sein, tendierten. Diese Denkweisen ließen sich mit Comics und anderen Kunstformen herausfordern, da sie die Gemeinsamkeiten zwischen den Menschen, besonders deutlich in den Details des täglichen Lebens und Erfahrungen in Kriegszeiten, visualisierten.
 
Das Konzept der Widerstandsfähigkeit ist darauf gerichtet, die Beziehung von Menschen zu ihren eigenen Körpern, Träumen, ihrer Umwelt und grundlegenden Notwendigkeiten, wie so etwas Grundlegendem wie Essen und Schlafen, wiederherzustellen. Hemin widmet sich in seiner Arbeit den kleinen Details großer Ereignisse und möchte Individuen mit sich selbst versöhnen.

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