Der Fall des Ondiri-Sumpfes
Der bürgerschaftliche Umweltschutz ist nicht tot
Wenn Sie den neuen, vielspurigen Southern Bypass, die städtische Superautobahn, die in einem riesigen Bogen um die südliche Hälfte Nairobis führt, entlangfahren, kommen Sie an einem der wichtigsten urbanen Feuchtbiotope der kenianischen Hauptstadt vorbei, das Sie jedoch wahrscheinlich gar nicht weiter beachten würden.
Dieses Feuchtgebiert ist der Ondiri Sumpf. Auf den ersten Blick sieht er aus wie eine üppige, eingesunkene, sich selbst überlassene Wiese. Bei genauerem Hinsehen jedoch, würden Sie sehen, dass es ein Sumpfgebiet ist, das von einer schwammigen Matte aus Torf bedeckt ist, die so dick ist, dass man darauf laufen könnte. Ondiri hat die Größe eines großen Weihers – weniger als zwei Kilometer im Umfang – aber dennoch ist er nicht nur die wichtigste Wasserquelle für die Stadt Kikuyu, eine kleine Pendler*innenstadt vor den Toren Nairobis, sondern auch eine Quelle des Nyongara Flusses, der wiederum in die Flüsse Nairobi und Athi mündet, die beide wichtige Wasserquellen für die rasant wachsende kenianische Hauptstadt sind.
Trotz seiner Bedeutung für Kikuyu und den Großraum Nairobi, wissen nicht einmal die Bewohner*innen von Kikuyu viel über den Ondiri Sumpf oder interessieren sich groß für ihn, sagt Samuel Njoroge, Gründer des in Kikuyu ansässigen Touristik Unternehmens Rhodes Tours. Er wuchs selbst nur drei Parzellen vom Sumpf entfernt auf, sagt aber, dass „die meisten Leute hier nicht viel über ihn wissen, obwohl sie so nahe an ihm leben.“ Als die Kellnerin ihm am selben Morgen seine Tasse Frühstückstee brachte, hatte er sie gefragt, wann sie den Sumpf zuletzt besucht hätte. Sie sagte, dass das wohl noch in ihrer Grundschulzeit gewesen sein müsse, als sie einen Ausflug dorthin unternahmen.
Sam ist Mitglied der Freiwilligen-Organisation Friends of Ondiri, die sich dem Schutz und der Wiederbelebung des Ondiri Sumpfes verschrieben hat, sich aber auch darum bemüht, das Interesse der Bewohner*innen Kikuyus für das Feuchtbiotop vor ihrer Haustür zu wecken. Obwohl solche Feuchtbiotope nur einen winzigen Teil des gesamten Staatsgebiets Kenias ausmachen – nur 2,5 Prozent und dieser Anteil nimmt weiter ab – bieten sie einen Lebensraum für unterschiedlichste Spezies, reinigen das Wasser von Giftstoffen und binden Kohlenstoff. Darüber hinaus absorbieren Feuchtgebiete Wasser während der Regenzeit und geben es während der Trockenzeit langsam wieder ab. Diese Funktion der Feuchtgebiete wird in Zukunft noch wichtiger werden, je mehr Nairobi bewaldete Gebiete durch neue Baugebiete und Straßen ersetzt und gleichzeitig das Problem der Überflutungen von Jahr zu Jahr zunimmt.
Leider wird Ondiri von den gleichen Problemen bedroht wie andere Feuchtgebiete auf der Welt, wie etwa die Verschmutzung durch Industrieabwässer, die unsachgemäße Entsorgung von Abwässern, die exzessive Entnahme von Wasser für die Landwirtschaft und die Ausbreitung fremder, invasiver Arten. Eine Zeit lang pumpten lokale Hausverwaltungen regelmäßig ungefilterte Abwässer von Tanklastwagen aus in den Sumpf, um die mit einer ordnungsgemäßen Entsorgung verbundenen Kosten zu vermeiden. Freiwillige von Friends of Ondiri versuchten, die lokalen Behörden zum Handeln zu bewegen und nahmen, als dies scheiterte, die Sache selbst in die Hand. Abwechselnd bewachten sie nachts Ondiri und meldeten Fälle illegaler Entsorgung der Polizei. Dies führte zu mehreren Festnahmen und darüber hinaus zu einer sichtbaren Verbesserung der Wasserqualität, wie die langsame Rückkehr von heimischer Flora und Fauna belegt.
Den größten Einfluss übt die Organisation jedoch nicht durch Wachsamkeit und Konfrontation aus, sondern vielmehr durch einfache, aber zeitintensive Überzeugungsarbeit gegenüber anderen Bewohner*innen Kikuyus. Hierzu zählt etwa das Beispiel der Besitzer*innen von Land am Rand des Sumpfs, von denen einige Eukalyptusbäume gepflanzt hatten – eine schnellwachsende, aber viel Wasser benötigende Baumart – während andere Gewächshäuser errichtet hatten, die viel zu nah an den Sumpf heranreichten. Durch individuelle Gespräche mit diesen Landbesitzer*innen, in denen ihren Sorgen Gehör geschenkt wurde, in denen sie aber auch über die Bedeutung des Sumpfes und die Bedingungen des Funktionierens seines Ökosystems aufgeklärt wurden, gewannen die Freiwilligen ihre Unterstützung. Diese Unterstützung ging sogar so weit, dass einige freiwillig begannen ihre eigenen Eukalyptusbäume zu fällen und andere ihre Gewächshäuser aufgaben.
Nachhaltigkeit findet nicht nur auf nationaler oder internationaler Ebene statt. In Wahrheit sind es kleine, von lokalen Gemeinschaften ausgehende Bemühungen, die nicht nur effektiv lokale Ökosysteme schützen, sondern darüber hinaus auch noch dabei helfen zu verstehen, worum es bei Nachhaltigkeit im Kern geht, nämlich darum, Ökosysteme auf eine Art und Weise wertzuschätzen, die auch noch kommenden Generationen ermöglicht, sie ebenfalls wertzuschätzen.
Während sie die Bewohner*innen Kikuyus über ihre Bemühungen zur Wiederbelebung des Sumpfs aufklären, organisieren die Freiwilligen von Friends of Ondiri auch die Umzäunung des Sumpfs als staatlich geschütztes und als ökotouristisch ausgewiesenes Gebiet. Für genau dieses Ziel setzt sich David Wakogy, der Gründer von Friends of Ondiri, seit Jahren ein. Als Besitzer eines Touristikunternehmens ist Sams Beitrag zu dieser Sache, Touren zum Ondiri Sumpf anzubieten. Ein anderer Freiwilliger (ein Fahrradenthusiast) hat Pläne für Fahrradwege um den Sumpf herum vorgelegt. Andere, die an den regelmäßigen Baumpflanz-Aktionen von Friends of Ondiri teilnehmen, kultivieren Obstbäume – eine Arbeit, die erst in einigen Jahren Früchte tragen wird.
Diese Art des Naturschutzes ist ein Akt gemeinsamer Vorstellungskraft, einer, der nicht nur darauf abzielt den Sumpf sauber zu halten und ebenso wenig darauf, ihn einfach nur in seinen früheren Zustand zurückzuversetzen. Vielmehr geht es darum, den Menschen in Kikuyu zu vermitteln, warum der Sumpf so wichtig ist und ihn darüber hinaus in einen Ort zu verwandeln, der für die Anwohner*innen einen höheren Wert besitzt als bisher.
Diese Geschichte hat zwei „Happy Endings“. Dank des Einsatzes von Friends of Ondiri erholt sich der Ondiri Sumpf natürlich und gleichzeitig beginnen sowohl die lokalen Behörden als auch die Bürger*innen sich für ihn zu interessieren, sich seiner anzunehmen und Verantwortung für das Feuchtgebiet vor ihrer Haustür zu übernehmen.
Aber darüber hinaus bedeutet dies auch, dass es bei Nachhaltigkeit nicht immer darum geht in die Vergangenheit zu blicken und danach zu streben, Dinge in den Zustand zurückzuversetzen, in dem sie sich einst befanden. Nachhaltigkeit, wie die Friends of Ondiri gezeigt haben, kann eine neue Denk- und Handlungsweise sein, eine neue, tiefere Form der Wertschätzung, die sich in einer Generation materialisiert – etwas, dass eine Gruppe von Individuuen durch einiges Organisationsgeschick auf der Graswurzelebene erreichen kann – was wiederum eine engere und bessere Beziehung zwischen einer Gemeinschaft und einem Ökosystem schaffen kann, als sie je zuvor existierte.