Theateraufführung „Testament" von She She Pop

Festival Bo:m

Bereits zum sechsten Mal findet in diesem Frühjahr das internationale „Festival Bo:m“ statt; Kunst und Künstler aller Sparten präsentieren ihre neuesten Werke und Produktionen. Das Spektrum reicht von Musik über Tanz, Theater und Performance bis zu Film und Video. Vom 22. März bis zum 18. April werden an verschiedenen Spielorten in Seoul insgesamt zwanzig Werke präsentiert. Das Goethe-Institut hat dieses Jahr die Aufführung von zwei deutschen Produktionen ermöglicht: Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang vom Dramatiker und Regisseur René Pollesch (22. und 23. März, siehe Ankündigung) sowie die preisgekrönte Performance Testament von She She Pop und ihren Vätern (13. und 14. April). 

Die Geschichte von König Lear, der sein Erbe gerecht und effektiv seinen Töchtern hinterlassen wollte, zieht sich wie ein roter Faden durch Testament. Wer nun aber an eine Shakespeare-Inszenierung denkt, liegt falsch. Eher könnte man das Stück eine Selbstbefragung nennen: Ausgehend von der Frage nach dem Ausgleich zwischen den Generationen, thematisieren die Mitglieder des Performance-Kollektivs (vier Frauen und ein Mann, alle in den Vierzigern) ihre individuellen Beziehungen zu ihren Eltern – in Echtzeit und vor Publikum.

Und sie sind dabei nicht allein: Vier von ihnen haben den eigenen Vater mitgebracht. Die Vererbungspolitik des alten Königs ist in der Shakespeare’schen Tragödie naturgemäß zum Scheitern verurteilt – aber wie ist es im realen Leben? Kann im Ringen um gegenseitige Anerkennung ein gangbarer Kompromiss ausgehandelt werden? She She Pop und ihre Väter bringen diesen Dialog auf die Bühne. „Das Resultat“, so urteilte Claudio Steiger in der Neuen Zürcher Zeitung, „ist keine Nabelschau der Beteiligten, sondern eine unaufgeregte Dialektik, die wirklich berührt.“

Testament bietet neue Perspektiven auf einen alten Konflikt und stellt auf sehr persönliche Weise universelle Fragen über das Verhältnis von Eltern und Kindern. Das mehrfach ausgezeichnete Stück (u.a. Friedrich-Luft-Preis 2011, Preis des Goethe-Instituts beim Impulse Festival 2011) ist jetzt in Korea zu sehen, wo Respekt gegenüber Älteren und der Zusammenhalt der Familie traditionell eine große Rolle spielen. Das experimentelle Theaterspiel, in dem kaltblütig-analytische Diskussionen und zu Tränen rührende Szenen Hand in Hand gehen, wird auch hier das Publikum bewegen und einen pointierten Beitrag zur Debatte um Generationengerechtigkeit liefern.

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