Artguide
Simon Pfeffel: Ich räume dem Zuschauer immer das Recht ein, alles zu zerstören
Der deutsche Künstler Simon Pfeffel ist wegen der dritten Ausstellung nach Moskau gekommen ist, die im Rahmen des Projekts „Raum für Kunst“ läuft, welches das Goethe-Institut in Moskau und das MMOMA (Moskauer Museum of Modern Art) im Dezember 2017 gestartet haben. Hier präsentiert Pfeffel die Dokumentation der Performance „Nimm mich mit nach Hause“, mit der er einige Tage lang auf den Straßen Moskaus unterwegs war. Vom Bild des „Heimes“ und den Performance-Praktiken als neuem Tourismus hat der Künstler in einem Interview für „Artguide“ erzählt.
Von Tatjana Socharjewa
Performance von Simon Pfeffel in Moskau
| © Viktor Timofeev
Im Repertoire von Simon Pfeffel gibt es Dutzende verschiedener Performance-Praktiken, die den Menschen, denen er an öffentlichen Orten begegnet, nicht nur die Sinne verwirren, sondern sie mitunter auch schockieren. Er arbeitet mit einer Gesellschaft, in der Bindungen schwächer geworden sind und Kommunikation inzwischen derart schwerfällt, dass sie in erster Linie mit dem professionellen Tätigkeitsfeld assoziiert wird. Wenn er sich mit dem Plakat „Take me home“, „’I‘ll carry YOU!“ auf die Straße begibt oder sich mit einem Notizblock inmitten eines stark frequentierten Platzes niederlässt („Handeln ist sterben lernen“) oder er sich an ein Fahrrad bindet in der Hoffnung, dass ihn jemand den Berg hochzieht („Moving Mountains“), zieht Pfeffel die an ihm vorbeilaufenden Schaulustigen in seine Performances hinein, provoziert das Gespräch und delegiert letztlich das Recht, die Aktion in die eigenen Hände zu nehmen, an den Zuschauer.
Die künstlerische Methode von Pfeffel ist immer mit etwas nicht Greifbarem und nicht besonders Spektakulärem verbunden, eben mit dem Stoff, aus dem der Alltag gemacht ist. Unverzichtbar hierbei ist die „Ästhetik der Interaktion“. Wenn beispielsweise Rirkrit Tiravanija eine mobile Küche in den musealen Raum gebracht und dabei alltägliche Gepflogenheiten institutionalisiert hat, so arbeitet Pfeffel mit Erscheinungen des Alltags, die er gar nicht erst aus ihrem natürlichen Umfeld herauszulösen versucht. In diesem Sinne entsprechen seine Performances eher den Aktionen des tschechischen Konzeptualisten Jiří Kovanda, der in den 1970er Jahren in ähnlicher Weise die Passanten auf den Straßen Prags schockiert hat.
Nach Moskau hat Simon die Arbeit mit dem Titel „Nimm mich mit nach Hause“ gebracht – eine zweistündige Performance, bei der der Künstler zunächst mit einem Schild auf der Straße steht, mit dem er die Passanten dazu auffordert, ihn zu sich nach Hause einzuladen, wo er dann im Wohnzimmer des Gastgebers den zweiten Teil der Aktion durchführt. Wie ein Großteil seiner Performances geht es bei „Nimm mich mit nach Hause“ um soziale und Verhaltensnormen, Pfeffel spielt hier mit dem Bild eines Menschen, der mit einem Plakat auf der Straße steht und den man leicht für den stadtbekannten Verrückten oder einen Aktivisten halten kann, der vergessen hat, wofür er sich überhaupt einsetzt. Indem er Verwirrung, Angst und Unverständnis beim Zuschauer provoziert, lässt er die Distanz zwischen Autor und Beobachter schrumpfen. Die Performance kann ihm jederzeit aus den Händen gleiten und zu einem kollektiven Werk werden.
Simon Pfeffel
| © Viktor Timofeev
Erzähl uns von deinen ersten Performances. Warum hast du dich genau für diese Art der Darstellung entschieden?
In meiner Jugend habe ich mich für Graffiti interessiert und oft auf den Straßen gezeichnet, sprich, ich habe so oder so mit dem öffentlichen Raum interagiert. Während des Studiums habe ich mich mit Malerei befasst und mich danach für die Bildhauerkunst begeistert. Als ich mich auf die Reise nach Mexiko machte, kam mir der Gedanke in den Kopf, dass ich gern Plastiken machen würde, die man an wechselnden Orten schnell auf- und abbauen konnte. Mir wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt bewusst, dass mir die Mobilität des Werks wichtiger ist als das Objekt selbst. Das eröffnete mir die Möglichkeit, jedes Mal, wenn ich die Plastik mitnahm, etwas Neues aus ihr zu schaffen. Ich habe solche Arbeiten aus Stahl gemacht, weil das ein sehr praktisches Material ist, mit dem man nicht übermäßig vorsichtig umgehen muss. Schließlich ist aus der Plastik eine Konstruktion geworden, die mich während meiner Performances unterstützt hat. In diesem Moment war für mich wichtig, dass bei meiner Arbeit neben dem performativen Element auch Platz blieb für das Visuelle. Viele meiner Performances haben auch wie eine bildliche Darstellung funktioniert. Mehr noch, nur über das Bild konnte man verstehen, was da passiert. Als ich jedoch feststellte, dass ich Dialog und Handlung letztlich interessanter fand, habe ich mich gänzlich von der Plastik verabschiedet. Sie begann mich einzuengen, unterstützte mich nicht mehr. Was die Plastik betrifft, so beschäftigt mich momentan am meisten das Gefühl ihrer Zerbrechlichkeit: Der Moment, wenn die Menschen auf der Straße die Möglichkeit haben, die Konstruktion, die ich aufgebaut habe, zu zerschlagen, zu zertreten, sie auseinanderzunehmen bzw. niederzureißen. Ich räume dem Zuschauer immer das Recht ein, alles zu zerstören.
In Russland assoziiert man einen Plakatträger in der Regel immer mit einem Menschen, der um ein Almosen bittet, oder mit jemandem, der protestiert. Wenn man berücksichtigt, dass die Mahnwache eines Einzelnen die einzige Form des Protests ist, die nicht mit den Behörden abgestimmt werden muss, dann stellst du mit der Arbeit „Nimm mich mit nach Hause“ so oder so ein politisch aufgeladenes Bild in den Raum. Siehst du deine Performance in diesem Kontext?
Ich arbeite immer sehr aufmerksam und gründlich an meiner Figur, damit ich bei der Performance wie ein normaler Mensch aussehe. Das ist sehr wichtig. Natürlich kann ich es nicht verhindern, dass Assoziationen mit einem Bettler oder Protestierenden auftauchen, aber diese funktionieren auch nicht durchgängig. Ich sehe ganz normal aus und rufe zu nichts auf. Meine Plakate sind apolitisch. Deshalb stellen meine Arbeiten eher Fragen, als dass sie Antworten geben. Ich erforsche, welchen Eindruck ein Mensch im öffentlichen Raum macht. Was das betrifft, so hat mich seinerzeit Mexiko verblüfft. Ungeachtet dessen, dass die wirtschaftlichen Bedingungen dort einiges zu wünschen übriglassen, sind die Menschen in diesem Land unglaublich kreativ. So hat beispielsweise in den vier Monaten, die ich dort gelebt haben, irgendein Typ jeden Morgen vor meinem Haus so lange jongliert, wie die Ampel auf Rot geschaltet war. Zum Ende meiner Reise hatte er sich als Artist unwahrscheinlich weiterentwickelt: Es war ihm gelungen, in dieser Zeitspanne nicht nur aufzutreten, sondern auch eine riesige Leiter aufzustellen, seine Utensilien zu entzünden, die Nummer darzubieten, alles abzuräumen und von den Schaulustigen Geld einzusammeln. Genauso funktioniert die Ökonomik des Moments.
Performance von Simon Pfeffel in Moskau
| © Viktor Timofeev
Trittst du in den verschiedenen Ländern mit den gleichen Performances auf oder passt du diese an die jeweilige Stadt an?
Ich reise ziemlich viel mit meinen performativen Arbeiten und versuche, mir für jedes neue Land auch etwas Eigenes auszudenken. Ich habe keine Garantien, dass in diesem oder jenem Land die Performance funktioniert, die ich beispielsweise in Deutschland gemacht habe. Außerdem beginnen mich meine Arbeiten schnell zu langeweilen, wenn ich eine bestimmte Erfahrung schon gemacht habe. Ich wiederhole nur zwei Performances: „Nimm mich mit nach Hause“ und „Handeln ist sterben lernen“. Bei Letzterer lege ich mich an einem belebten Ort einfach hin und unterhalte mich mit Passanten, die versuchen, mir Wasser, Geld oder andere Hilfe anzubieten. Ich habe das Gefühl, dass ich mit diesen beiden Performances viel Neues über die jeweilige Stadt erfahren kann. Solche Situationen ziehen in der Regel viele Menschen an. „Nimm mich mit nach Hause“ sehe ich auch als ein Mittel an, Tourismus neu zu denken, und zwar durch die persönliche Bekanntschaft mit der Stadt. Diese Performance kann man vom ersten Tag seines Aufenthalts in einem Land machen – im Unterschied zu vielen anderen meiner Arbeiten, braucht sie keinerlei Vorbereitung. Im Gegenteil, mit ihrer Hilfe kann ich die Stadt studieren und den Boden für die folgenden Performances bereiten. Arbeiten, die in Deutschland entstanden sind, trage ich nirgendwohin. Ich sehe darin eine Art Kolonialismus.
Ich befürchte, dass in Russland niemand einen Unbekannten mit nach Hause nimmt, noch weniger, wenn es sich um einen Ausländer handelt. Warst du darauf vorbereitet, dass du mit der Performance scheitern könntest?
Ja, aber auch das ist eine Art Herausforderung für mich. Im vergangenen Jahr war ich vier Wochen im Iran und habe dort genau diese Performance mit unglaublicher Leichtigkeit gemacht: Jeder Passant hat mich mit zu sich nach Hause genommen. Ausnahmslos! So habe ich mich ein weiteres Mal davon überzeugen können, dass man noch so viele Sehenswürdigkeiten in einem Land sehen kann und trotzdem nichts über das Land selbst erfährt, solange man nicht bei den Menschen zu Besuch ist.
Performance von Simon Pfeffel in Moskau
| © Viktor Timofeev
Gab es in Moskau Fälle, dass dich wirklich Leute von der Straße zu sich eingeladen haben?
Nicht nur einen! Ich hatte geahnt, dass das in Moskau passiert, deshalb haben wir in den sozialen Medien extra eine Ankündigung verbreitet, so nach dem Motto: Lasst einen Künstler zu euch kommen. Mir war klar, dass es andernfalls passieren könnte, dass ich mit leeren Händen wegfahre. Obwohl, wenn ich an der Konzeption meiner Performances arbeite, dann finde ich auch die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns spannend. Das stimuliert sehr stark die Suche nach neuen Lösungen.
Den Iran stellt man sich normalerweise als ein Land vor, das abgeschotteter als Russland ist. Letztlich hat sich aber gezeigt, dass die Kultur der Gastfreundschaft dort weiterentwickelt ist?
Ja, genau, Gastfreundschaft ist in der iranischen Kultur tief verankert. Außerdem aber sind die Iraner im Verhältnis untereinander sehr misstrauisch – jedem Passanten unterstellen sie von vornherein eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Geheimdiensten. Dafür sind sie immer offen für eine Unterhaltung mit Ausländern, da ihnen klar ist, dass ich ja nun ganz sicher nicht für den Staat arbeite und auch ihre Geheimnisse nicht brauche. Dadurch, dass das Land abgeschottet ist, ist es für die Menschen bis heute schwierig zu reisen. Vermutlich sind sie deswegen so (neu)gierig auf alles Ausländische. Ich hatte beschlossen, auch deshalb dorthin zu fahren, weil es in Europa so viele Gerüchte und Vorurteile in Bezug auf den Iran und andere muslimische Länder gibt. Intime Dinge über das Leben dort kann man nur erfahren, wenn man das Land besucht und sich anschaut, wie die Menschen tatsächlich leben. Deshalb hat es wirklich keinen Sinn, eine Performance in Deutschland zu entwickeln und sich dabei auf die ewig gleichen Stereotypen zu stützen.
Im Iran habe ich meine Performance auf der Treppe der dortigen Kunstakademie gezeigt. Ich bin diese heruntergekommen und habe dabei mit Hilfe eines Stahlseils, das oben von Einheimischen gehalten wurde, eine horizontale Position beibehalten. Die Idee bestand darin, die Bewegung eines Astronauten zu imitieren, der sich auf einer vertikalen Treppe bewegt. Diese Performance beginnt wie alle meine Arbeiten mit einem Dialog: Ich muss mir vollkommen fremde Menschen dazu überreden, mich zu halten, weil ansonsten die Performance gar nicht stattfinden würde. Für mich ist es sehr wichtig, dass die Zuschauer aktiv an dem Ereignis beteiligt und nicht einfach nur Beobachter sind, da ich mittels Sprache ja nicht so viel erklären kann. Ein Mann, der sich einverstanden erklärt hatte, mir zu helfen, hat sogar selbst die übrigen Beteiligten für die Performance gewonnen und ihnen erklärt, was zu tun ist. Das war so ein Delegieren der Initiative. Diese Menschen haben mir eigentlich die Performance aus den Händen genommen. Obwohl es sie sehr erstaunt hat, dass ich keine Angst davor habe, ihnen mein Leben und meine Gesundheit anzuvertrauen. Ein französischer Kurator hat eine solche Praktik einmal Vertrauensvertrag genannt.
Simon Pfeffel. Handeln ist sterben lernen XIII. Teheran, 2017
| © Simon Pfeffel
An wem orientierst du dich bei deinen Performances? Deine Arbeiten erinnern sehr an Aktionen von Yoko Ono und ihre Straßenplakate sowie an die Performances von Marina Abramowitsch, die ebenfalls ihr Leben in die Hände der Zuschauer gelegt hat.
Ich finde die Abramowitsch sehr interessant, aber was mich an ihr verwirrt, ist, dass ihre Arbeiten äußerst religiös sind, gleichsam von Mystizismus durchdrungen. Um diesen Effekt zu vermeiden, bewege ich mich in öffentlichen Räumen, nicht in Museumssälen. An öffentlichen Plätzen habe ich die Möglichkeit, die Menschen aus ihrem Alltagsleben zu reißen. Was mich noch stark bewegt, ist der Aspekt der Sprache. Ich habe zum Beispiel vor kurzem eine Performance gemacht, die den Titel trug „Ich trage dich nach Hause“. Nachdem sie mein Plakat gesehen hatten, kamen die Leute auf mich zu und fragten: „Aha, wie willst du das denn machen? Mein Haus steht in Afrika!“ In dieser Arbeit läuft vieles auf das Bild des Hauses hinaus, auf die Privatsphäre. Aber die Absurdität der Situation und die Unmöglichkeit, das Versprechen zu erfüllen, klärt sich dann nur in einem Gespräch.
Ich denke, dass es sich allein deswegen lohnt, Performances zu machen, um in solche verrückten, seltsamen Situationen zu geraten, in denen auf deinem Rücken ein dir vollkommen unbekannter Mensch sitzt, zu dessen Haus ihr geht. Das Interessanteste daran ist, dass sich alle in dieser Situation sofort darüber Gedanken machen, dass es für mich wahrscheinlich schwer ist, jemanden auf meinem Rücken zu tragen, keiner aber daran denkt, dass es auch keinen Deut leichter ist, bei jemanden auf dem Rücken zu sitzen. Wie jedes Eindringen in die Privatsphäre, ist das alles andere als einfach. Normalerweise beginnt jeder, nachdem der erste Eindruck verflogen ist („Aаh, ein Künstler trägt mich nach Hause!“), die ganze Peinlichkeit und Zwiespältigkeit der Situation wahrzunehmen.
Was interessiert dich im Kontext deiner Performances am meisten – die Reaktion der Zuschauer, der Dialog, die Intervention in ihrem Wohnumfeld? Was ist für dich das Endprodukt?
Das frage ich mich selbst auch oft. Im Zentrum meiner Performances steht natürlich der Dialog. Aber was genau ist ein Dialog? Es gibt ein psychoanalytisches Herangehen an eine Unterhaltung, das sich in der Regel als in sich geschlossen erweist. Und es gibt einen angewandten Ansatz. Dieser bringt uns dazu, irgendeine gemeinsame Entscheidung zu treffen, zu einer Vereinbarung zu kommen. Deswegen würde ich sagen, dass das Endprodukt der Dialog ist, dessen Ziel wiederum das Haus ist.
Welche Rolle spielt für Dich der Raum? Kannst Du dir beispielsweise die Performance „Nimm mich mit nach Hause“ in einem Shopping-Center vorstellen?
Nein, das ist ausgeschlossen. In Österreich habe ich eine Performance gemacht, die nicht mit dem Bild des Hauses verbunden war. Man hatte mir damals ein Fahrrad geschenkt und ich beschloss, mit Hilfe dieses Rades eine weitere irritierende Situation zu schaffen. Ich habe mich in der Mitte der Straße mit Klebeband am Fahrrad festgemacht, Fragen aber nur in den Fällen beantwortet, in denen derjenige sein Einverständnis erklärt hat, mir zu helfen. Meine Antwort war also die Bezahlung für seine Hilfe. In dem Moment, als ich mich schon nicht mehr selbst am Fahrrad festmachen konnte, haben mir die Leute dabei geholfen, und dann haben sie mich zusammen mit dem Fahrrad den Berg hochgeschleppt. Mir gefällt diese Performance sehr, was mich daran allerdings in Verlegenheit bringt, ist die Tatsache, dass ich es bin, der hier das konkrete Ziel vorgibt. Bei „Nimm mich mit nach Hause“ ist das Interessante, dass jeder Beobachter sein eigenes Ziel hat. Das ist wie mit dem Wort „Heimat“ in der deutschen Sprache – jeder verbindet damit etwas anderes, eigenes.
Simon Pfeffel. I will carry you!. Pale de Tokio, Paris, 2017
| © Simon Pfeffel
Wir wird es mit den Videodokumentationen deiner Performances weitergehen?
Denkst du, dass ihnen entweder im Museum oder auf dem Markt ein Weiterleben beschieden sein wird
Ich zeige diese Videos auf meinen Ausstellungen, aber meines Erachtens entsteht beim Anschauen der Dokumentation das Gefühl, als hättest du die Party verpasst. Deshalb bemühe ich mich darum, Aufzeichnungen so wenig wie möglich zu zeigen und vielmehr die Menschen dazu aufzurufen, meine Performances live zu wiederholen. Auf der Moskauer Ausstellung beispielsweise gibt es einen Zettel mit meinen Kontaktdaten. Er gibt den Menschen die Möglichkeit, meine Performances zu wiederholen, darüber nachzudenken, wie sie sie umsetzen könnten. Das ist auch ein Mittel, um die Zuschauer aus einer Situation herauszuholen, in der sie lediglich die Rolle des Beobachters spielen. Aber ich versuche, das bei jeder Ausstellung anders zu machen. Insgesamt habe ich in Bezug auf die Videos keine bestimmte Lösung. Ich selbst stelle niemals Aufzeichnungen ins Internet. Ich möchte die Kontrolle über meine Arbeiten behalten. Und solche Sachen, wie Facebook interessieren mich überhaupt nicht, weil es hier nicht um die direkte Kommunikation geht. Aber wenn mich jemand auf der Straße filmt, dann protestiere ich nicht dagegen. Der öffentliche Raum erlaubt es mir, die Kontrolle über die Situation abzugeben.
Deine Performances ähneln sehr stark denen, die die Theatergruppe Rimini Protokoll macht. Sie haben auch ein Projekt, dass nur Zuhause bei zufälligen Leuten realisiert werden kann. Nimmst du deine Arbeit als Theaterpraktik wahr?
Ich habe noch nie nur in Kunstkategorien denken wollen. Momentan schöpfe ich sehr viel aus der Psychoanalyse und das interessiert mich weit mehr als die reine Kunst. Theater ist etwas, was mich auch sehr stark bewegt. Rimini Protokoll macht eine tolle Arbeit! Ich frage mich ständig, warum es junge Künstler immer so in die Museen zieht. Vor kurzem habe ich eine dreitägige Performance im Palais de Tokio gemacht und das ist mir, ehrlich gesagt, nicht leichtgefallen. Das ist ein noch recht junger Ort, der auch eine interessante Atmosphäre hat, aber arbeiten muss man dort mit Menschen, deren Sicht auf die Dinge sehr eingeschränkt ist. Deswegen sind mir öffentliche Räume lieber, wo ich meine Arbeit so zeigen kann, wie ich es möchte.