Berlinale-Blogger 2019
Wo bleibt der Charme?

"Die Einzelteile der Liebe": Birte Schnöink, Ole Lagerpusch
"Die Einzelteile der Liebe": Birte Schnöink, Ole Lagerpusch | Foto (Ausschnitt): © Markus Koob / dffb

Die Nachwuchssektion „Perspektive Deutsches Kino“ startet mit einem schwachen Eröffnungsfilm. Es finden sich aber auch einige vielversprechende Werke.
 

Von Philipp Bühler

Ein plötzlich bindungswilliger Rumtreiber, ein lesbisches Pärchen im Beziehungsstress, die Tochter einer feministischen Mutter als Amateur-Callgirl – eigentlich alles wie gehabt im Eröffnungsfilm der Perspektive, dem schnuckeligen Spezialportal für amouröse Verstrickungen. In der Nachwuchssektion der Berlinale geht es selten um große Themen. Die Erstregisseurinnen und -regisseure experimentieren mit dem, was sie kennen: vermurkste oder wundersam geglückte Beziehungen. Sie schreiben ein paar flotte Dialoge und wirken damit meist gewitzt und unverbraucht, gerne auch ganz absichtlich naiv. Doch wo ist er hin, der gewohnte Charme? Es gibt ein paar interessante Szenen in Easy Love, dem Debüt von Tamer Jandali, in dem sich sieben Exemplare der Generation Y um sich selbst drehen, auf der Suche nach Liebe natürlich. Aber insgesamt wirkt das alles nicht nur fürchterlich verkrampft, sondern in seiner formlosen Machart auch nervtötend.

Vom Hybridfilm zur „dokumentarischen Form“

„Dokumentarische Form“ heißt das neue Phänomen, so hat man es dieses Jahr genannt, sektionsübergreifend. Gemeint ist eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm, die mit dem aufregendem „Hybridfilm“ der letzten Jahre nicht viel zu tun hat. Das Spiel zwischen Realität und Fiktion, Improvisation und Kunst ist aufgehoben, die Ebenen sind schlicht nicht mehr unterscheidbar – was in Zeiten von Social Media und dauernder Selbstinszenierung natürlich ungeheure Authentizität beansprucht, aber über eine trübe Reality-Show nicht hinauskommt. Mit Dreißig von Simona Kostova und Thomas Moritz Helms Heute und morgen sind noch zwei weitere Filme nach ähnlichem Muster entstanden. Ich bin nicht sehr gespannt.

Das Leben im Durchgang

Wirklich originell hingegen ist die Idee von Miriam Blieses Trennungs-Tragikomödie Die Einzelteile der Liebe: Sämtliche Szenen einer Beziehung, vom ersten Flirt bis zum bitteren Ende, spielen vor einem Wohnblock im Berliner Hansaviertel – das Leben als ewiger Durchgang. Aber vielleicht wird in diesem seltsamen Jahr ja ein Dokumentarfilm mit schwerem Thema zum Favoriten: In Born in Evin macht sich die Schauspielerin Maryam Zaree auf die schmerzhafte Suche nach den Umständen ihrer Geburt in einem Iraner Gefängnis.

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