Jazz im Herbst
Paul Hubweber: „Ein wichtiger Teil der Musik von PaPaJo ist die Poesie“

Paul Hubweber's PaPaJo Trio
© Peter Gannushkin

Am 6. Oktober tritt das deutsch-britische Trio PaPaJo im Rahmen des vom Goethe-Institut organisierten Festivals „Jazz im Herbst“ im Moskauer Kulturzentrum DOM auf.  Begründer und Ideologe der Band ist Posaunist Paul Hubweber. Das zweite „Pa“ im Trio kommt von einem im Bereich Avantgarde-Jazz herausragenden Trommler – Paul Lovens. „Jo“ ist der britische Kontrabassist John Edwards. Paul Hubweber hat Grigorij Durnows Fragen zu den künstlerischen Prinzipien des Trios und anderen Projekten beantwortet.

Was können Sie über Ihre Partner aus dem Trio – Paul Lovens und John Edwars – sagen, über die Arbeit mit ihnen und das Trio selbst? Wie kam es zu der Idee, dieses Trio zu gründen?

Paul und John gehören zu den offensten Leuten, mit denen ich je gearbeitet habe und gereist bin. (Übrigens ist unser Lieblingsthema während dieser Reisen das Essen, was jeder von uns Zuhause zubereitet: in London, Nickelsdorf und Napoleonsberg, einem Stadtteil von Aachen). Oh Mann, wenn wir irgendwann mal eine Kochshow hätten, wäre das eine ganz große Party mit Knoblauch, scharfer Chili und Pasta. PaPaJo ist wirklich eine Band. Wir spielen so richtig zusammen. Wir sind nicht nur ein Solist mit einer Rhythmusgruppe. Einen adäquaten Begriff hierfür hat Peter Niklas Wilson gefunden, ein deutscher Jazz-Kontrabassist, Musikwissenschaftler und Journalist, der auch den Begleittext zu unserem ersten Album „PaPaJo“ verfasst hat, das 2002 bei Emanem erschienen ist: „Metainstrument“. Manchmal, wenn unser Trio spielt, kann man gar nicht auseinanderhalten, wo die Posaune, der Kontrabass oder das Schlagzeug ist. Und man darf nicht vergessen: Ein wichtiger Teil der Musik von „PaPaJo” ist die Poesie. Vielleicht ist das auch der Grund, warum dieses Ensemble weniger Aufmerksamkeit bekommt als, zum Beispiel, die Band von Peter Brötzmann. (Er grinst.) Die Idee, diese Band auf die Beine zu stellen, kam mir, nachdem Peter Kowald krankheitsbedingt das Trio HUKOLO (Hubweber-Kowald-Lovens) verlassen musste. Dieses Trio hatte von 1998 bis 2001 bestanden.
Und auf die Idee, Johnny einzuladen, war Paul Lovens gekommen. So entstand die Musik eines Trios, wie ihr sie noch nie gehört habt, und außerdem entwickelte sich zwischen uns eine wirkliche Freundschaft!
Ich kenne all diese Jungs seit dem Ende der 1960er oder dem Beginn der 1970er Jahre, teilweise noch aus den ersten Jahren des Jazz-Festivals in Moers, das ich von 1972-1977 im Orga-Komitee begleitet habe.
 
Welche von Ihren aktuellen Projekten würden Sie als die wichtigsten ansehen? Und wer von ihren musikalischen Partnern hat sie mehr als alle anderen beeinflusst und ist zu einem Quell der Inspiration für Sie geworden?

Ich kann nicht sagen, dass eines der Projekte wichtiger wäre als ein anderes. Jedes von ihnen hat seine eigenen Ideen, seine Wahrnehmung und Auffassung, seinen Sound und seine Färbung. Ich arbeite gerade an einem Duett mit Paul Lytton, ich spiele Solos im Ensemble Half Camouflage, mit Britta Lieberknecht, mit dj sniff, mit Claus van Bebber, ich dirigiere, spiele mit Fabian Jung und im Ensemble Yellow Snow Crystals. Ein Quell der Inspiration ist für mich Roswell Rudd, der erste Posaunenbläser, den ich kannte. Und genauso Michel Waiswies und Peter Kowald (vor allem im Bereich der organisatorischen Tätigkeit, was ich ebenfalls schon seit vierzig Jahren mache), Paul Lovens und auch Albert Mangelsdorf, Paul Rutherford, Günter Christmann, John Edwards, Radu Malfatti, Paul Lytton, Adrian Belew und andere.
 
Was können Sie über Ihre Arbeitserfahrungen mit Musikern sagen, die Elektro-Sounds einsetzen?

Ich mag solche Projekte sehr, wenn es dabei ebenfalls um das „Metainstrument“ geht. Zum Beispiel das Ensemble Schnack (mit Uli Böttcher). In den Projekten mit dj sniff und Claus van Bebber kann man sich die Umsetzung solcher Ideen anhören.  
 
Wie ist das Projekt mit der Filmmusik für den alten sowjetischen Film „Die seltsamen Abenteuer des Mr. West im Lande der Bolschewiki“ entstanden?

Im Jahr 2000 bin ich mit Musikern aus Ostdeutschland auf Tournee gefahren. Sie hatten ein Archiv mit DDR-Filmen. Die kommunistische Partei Großbritanniens hatte uns eingeladen. Und so fuhren wir also (zehn Leute inklusive Kindern) in einem alten „Ikarus“ und zwei Sedans  von Schönhausen aus über Hoek van Holland nach Harwich, Colchester, London, Birmingham, Bristol und in andere Städte. Die Tour ging zwei Wochen lang. Wir haben wie die Nomaden gelebt und in unseren Zelten geschlafen und gekocht – es war schließlich September. Wir sind in der Regel in einem großen Militärzelt aufgetreten, das wir dabei hatten. Hauptsächlich mit Musik zu Stummfilmen, auf acht oder 16mm gedreht. Erich Honnecker tätschelt beispielsweise zärtlich ein kleines Mädchen, und die Posaune macht: „Uuurrrchhh.“ Oder es laufen Filme aus der Stalinzeit, und die Posaune spielt Balladen. Ja, das waren lustige Zeiten… das war der Hammer. Ich würde so etwas gerne noch mal machen, ich bin so ein Frischluftfanatiker. Ich wohne auch außerhalb der Stadt.

Haben Sie Lieblingsobjekte oder Gerätschaften, die Sie oft für das Posaunenspiel verwenden?

Ich spiele sehr gern mit einem Schalldämpfer für ein Waldhorn. Ich nehme Plastiktassen, zwei gewöhnliche Schalldämpfer und ein Mundstück von einer Klarinette. Das Wichtigste ist aber die Stimme! Übrigens singe ich in den letzten Jahren mehr als früher. Im Projekt Vinyl & Blech mit Claus van Bebber setze ich Elektronik ein: Harmonizer, eine alte Echolette aus den Achtzigern und eine Loop Station.
 
Wie ist das Projekt entstanden, das eine Hommage an Frank Zappa ist (Yellow Snow Crystals)? Außerdem haben Sie bei einer Interpretation von Beatles-Liedern mitgemacht. Waren Sie noch bei weiteren, ähnlichen Projekten dabei?

Nachdem mein letztes Soloalbum „Loverman” herausgekommen war, auf dem ich eine Variation von „Evelyn, A Modified Dog” von Zappa spiele, hat mir ein sehr enger Freund angeboten, ein Zappa-Projekt zu machen. Genau wie im Projekt B_Tales war es für mich interessant, an Liedern zu arbeiten, die keiner besonderen Virtuosität unterworfen sind. Wie könnte ich – oder jemand anders – ein Lied schließlich noch interessanter machen, als Zappa selbst das getan hat? Und dann habe ich so eine Art Blues-Ensemble zusammengestellt, das auf Deutsch singt. (Es ist ja sooo langweilig, zuzuhören, wie die Deutschen mit ihrem fürchterlichen Akzent auf Englisch singen!

Gerade arbeite ich an einem irgendwie dadaistischen Projekt mit einem Dichter, der ebenfalls singt. In wenigen Tagen werden die ersten Proben des Projekts PAULPAULPAUL zu hören sein: Gedichte von Paul Rasendorf, es liest Paul Lovens, Posaune: Paul Hubweber. Außerdem habe ich noch vor, ein Stück für einen Chor zu schreiben.

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