2018 Solarzellen fürs Gymnasium und Mülltrennung in Buenos Aires:
SchülerInnen und Schüler aus zehn Ländern der Welt stellten ihre Umweltprojekte in Berlin vor
Trockenfrüchte aus Bischkek, eine Modenschau aus China, ein Puppentheater aus Saransk und echte kasachische Kumys: Im Berliner Grunewald blühte am 12. und 13. Mai die Völkerfreundschaft. Die Teilnehmenden der IV. Internationalen Umweltkonferenz stellten Projekte zur Verbesserung der Umweltsituation in ihrer Region vor und diskutierten über die Zukunft der Umwelt. Und das alles natürlich auf Deutsch.
Die Wasser- und Luftqualität in der eigenen Wohnregion überprüfen, Müll trennen und mit Solarzellen umgehen – all das beherrschen die Schüler/-innen der Klassen 7 bis 10, deren Projekte zu den Siegern des internationalen Wettbewerbs „Umwelt macht Schule: Denken, Forschen, Handeln!“ gekürt wurden. In der Region Zentraleuropa und Ostasien findet das Projekt, das vom Goethe-Institut initiiert wurde, schon zum vierten Mal statt. 2018 hat sich seine geographische Verteilung noch erweitert: Erstmals nahmen Schüler/-innen aus China und Argentinien am Wettbewerb teil. Insgesamt wurden mehr als 200 Bewerbungen eingereicht, worauf die aus deutschen Expert(inn)en zusammengesetzte Jury die 15 besten Projekte auswählte, deren Initiator(inn)en auf die Konferenz nach Berlin eingeladen wurden.
„Wir sind überall von erneuerbarer Energie umgeben. Wir müssen nur lernen, sie zu nutzen“, meinten Schüler/-innen des Stadtgymnasiums Mariupol und zeigten dem Publikum im Saal, wie man mit Hilfe ganz einfacher Mechanismen und der Taschenlampe des Smartphones „grüne“ Energie erzeugen kann. Die Energiekrise in der Region motivierte die Teilnehmenden zur Arbeit am vielstufigen Projekt „Sonne fürs Gymnasium“, im dRahmen dessen sie eine eigene Solaranlage herstellten. „Wir haben uns mit den Eigenschaften des Lichts beschäftigt, mit dem Aufbau von Solaranlagen, damit, wie deren Kollektoren aufgebaut sind und inwiefern sie sich voneinander unterscheiden – und danach haben wir Experimente durchgeführt und das erste funktionsfähige Modell gebaut“, berichtet Deutschlehrerin Natalja Schelgunowa.
Die Schülernnen haben nicht vor, sich auf dem bereits Erreichten auszuruhen, und suchen nun nach weiteren Finanzierungsmöglichkeiten. Ihr Ziel ist es, die Schule mit Solarzellen auszustatten und ganz auf eine Selbstversorgung mit Elektroenergie umzustellen. „In der Herbst-Winter-Periode werden wir bereits ausreichend Energie für die Beleuchtung haben, und in der Sommerphase können wir diese Energie verkaufen und damit Geld für die Wartung der Solarzellen verdienen“, unterstreicht Schelgunowa.
Das Stadtgymnasium Mariupol ist eine teilnehmende Schule des Projekts „Schulen – Partner der Zukunft“ (PASCH), die der Pflege der Beziehung zu Deutschland besondere Aufmerksamkeit widmet. Diese Initiative des deutschen Außenministeriums feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Die Hälfte der Teilnehmenden der diesjährigen Umweltkonferenz sind PASCH-Schüler/-innen. „Diese Schulen waren für uns immer eine Art Leuchttürme“, sagt Anne Renate Schönhagen, Leiterin der Spracharbeit des Goethe-Instituts in der Region Osteuropa und Zentralasien. Nach ihren Worten lässt sich an diesem Beispiel gut ablesen, dass von Schulen, die in ausreichendem Maße unterstützt werden, auch unmittelbar ein guter „Output“ zu erwarten ist.
Schönhagen unterstreicht, dass es eines der Ziele der Konferenz sei, den Schüler(inne)n zu zeigen, dass sie selbst dazu in der Lage sind, etwas zu verändern. Manchmal reiche es dafür schon, eine Information zu verbreiten. Das Team aus Jekaterinburg hatte etwa beschlossen, nicht abzuwarten, bis die Stadtverwaltung die Frage der Stadtverschmutzung durch Hundekot löst, und sich dieser selbst angenommen. Die Schüler/-innen führten eine Reihe von Versuchen durch und kamen zu dem Ergebnis, dass sich eine Papiertüte oder ein ganz normales Stück Zeitung für das Einsammeln der Hinterlassenschaften der Vierbeiner am besten eignen.
Die Teilnehmenden des Projekts stellten eine ganze PR-Kampagne zur Popularisierung dieser Methode unter Hundehaltern auf die Beine, die sich als ziemlich erfolgreich herausstellte. „Mittlerweile benutzen 63 Prozent der Hundehalter diese Papiertüten“, sagt Jana Swistunowa, eine Projektteilnehmerin des Gymnasiums Nr. 9. „Oftmals geschieht eine Umweltverschmutzung aus Unwissen. Deswegen ist es auch so wichtig, Informationen weiterzugeben“, meint Jurymitglied Wilhelm Linder. Dem stimmen auch die SchülerInnen aus Buenos Aires zu, die in der Hauptstadt Argentiniens eine Kampagne für Mülltrennung und einen Verzicht auf die Verwendung von Einmal-Plastiktüten gestartet hatten.
Die wilde Natur stellt aber auch nicht selten eine Gefahr für den Menschen dar, und auch das ist wichtig zu wissen. So enthält zum Beispiel der gefährliche Bärenklau den Stoff Furanokumarin, der beim Menschen starke Verbrennungen auslösen kann. Im Rahmen des Projekts „Achtung, Bärenklau!“ entwickelten Schüler/-innen des Gymnasiums Nr. 8 in der Stadt Perm eine Karte mit den Verbreitungsgebieten des Bärenklaus in ihrer Region und produzierten einen Zeichentrickfilm, den sie auf YouTube stellten. Im Zuge ihrer Forschung fanden die Teilnehmenden heraus, dass der Bärenklau sauren Boden bevorzugt, und auch, dass einige andere Pflanzenarten wie zum Beispiel Klee und Beifuß ihn aus einem bereits eroberten Gebiet wieder verdrängen können. „Wir möchten dieses Projekt weiterentwickeln. Vielleicht schaffen wie es sogar, eine eigene Methode im Kampf gegen den Bärenklau zu entwickeln“, sagen die Schüler/-innen aus Perm.
Das Team aus der Stadt Selenogradsk im Gebiet Kaliningrad nimmt schon zum dritten Mal am Wettbewerb teil und hat sein Projekt mit jedem Mal weiter ausgebaut. Beginnend mit der Erstellung eines Öko-Wanderwegs auf der Kurischen Nehrung haben die Teilnehmenden 2018 ein russisch-belorussisches Gemeinschaftsprojekt vorgestellt, im Rahmen dessen die Schüler/-innen das Ökosystem im Becken des Flusses Neman untersuchten, der seinen Beginn in Belarus nimmt und später in das Kurische Haff fließt.
Die Schüler/-innen nahmen eine Bewertung der chemischen Messwerte im Wasserbecken vor, erforschten die Tier- und Pflanzenwelt und machten sich ebenfalls mit den historischen und landeskundlichen Besonderheiten ihrer Region bekannt. Nach den Worten des Biologielehrers Maxim Naprejenko hatten viele erst eine falsche Vorstellung von der Natur, manch einer habe im Wald Angst vor Zecken, dreckigen Sümpfen oder einfach der eigenen Erschöpfung. „Wir haben eine gemeinsame Expedition zum Großen Moossumpf unternommen, und das ist in der Tat die Unternehmung, die uns am stärksten im Gedächtnis geblieben ist. Viele haben gesagt, dass sie den Sumpf neu für sich entdeckt haben“, sagt Naprejenko.
„Mein Traum ist, dass sich das Projekt ‚Umwelt macht Schule‘ noch weiter verbreitet, denn es befördert nicht nur das Erlernen der deutschen Sprache, sondern unterstützt auch die Aneignung von Informationen, die sprichwörtlich lebensnotwendig sind“, sagt Renate Schönhagen. Auch ruft sie die Schüler/-innen dazu auf, konkret zu handeln. „Wenn die Leute das Wort ‚Umweltschutz‘ hören, denken viele: ‚Na ja, wir können hier eben nicht viel verändern.‘ Ihr aber habt konkrete Schritte unternommen. Ihr habt Kontakt zu wissenschaftlichen Organisationen und städtischen Verwaltungen hergestellt und im Ergebnis vieles erreichen können“, unterstreicht auch der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert.
Die Schüler/-innen nahmen an Workshops zu Themen rund um den Umweltschutz teil, arbeiteten gemeinsam ein ökologisches Manifest aus – und freundeten sich natürlich untereinander an. „Das ist sehr cool, wenn du zu jemandem aus einem anderen Land hingehst, ihr euch zwar noch nicht kennt, aber zusammen irgendeine Aufgabe umsetzt und Schritt für Schritt zu Freunden werdet. Einfach deshalb, weil euch die deutsche Sprache und das Projekt selbst miteinander verbinden“, beschreibt eine Teilnehmerin aus Perm ihre Erfahrungen.
Irina Michailina