Sprachassistenz in Zeiten von Corona
Von Lara Sophie Krogull
Im Chinesischen besteht das Wort „Krise“ aus zwei Schriftzeichen: Das erste steht für „Gefahr“, das zweite bedeutet „Chance“. Dies spiegelt treffend einen möglichen Blickwinkel wider, den man auf die momentan weltweit vorherrschende Situation haben kann.
Das Corona-Virus hat uns alle im Griff. Es beeinflusst unseren Alltag, unsere Freizeit und unsere Arbeit. Freunde von mir sind Restaurantbetreiber und müssen nun um ihre Existenz bangen, die Wirtschaft steht vor einer Rezession, die Länder schotten sich ab. Auf den Straßen herrscht teils unheimliche Stille. Es ist wie in den alten Western, die ich früher mit meinem Großvater gesehen habe: Kurz vor dem Showdown sieht man dort Strohballen durch das sonst verlassene Dorf wehen. Doch jetzt ist es kein Film. Es ist wirklich und wahrhaftig die Realität. Und diese Realität wirkt sich auf das Leben eines jeden aus, auch auf uns Sprachassistentinnen und Sprachassistenten.
Vor vier Wochen noch hätte ich niemals gedacht, dass ich dort sein werde, wo ich jetzt bin – wieder zurück in Deutschland. Da lief ich noch völlig unbekümmert und nichts ahnend durch die Straßen Kaliningrads, unterrichtete im Sprachlernzentrum und führte einen Poetry Slam Workshop für die deutsche Minderheit durch.
Logo des Poetry Slam Workshops | Foto: Lara Sophie Krogull
Das alles geht nun nicht mehr.
Denn vor drei Wochen gab das Goethe-Institut Moskau die dringende Empfehlung, sofort auszureisen. Natürlich lag die Entscheidung, ob wir dieser Empfehlung folgen möchten, bei uns Sprachassistentinnen und Sprachassistenten, und einige entschieden sich zu bleiben. Doch ich beschloss, nach Deutschland abzureisen. Ich haderte sehr mit mir, wollte meine Arbeit und mein Leben vor Ort nicht abbrechen. Doch ich fragte mich, wie es mir wohl gehen würde, wenn irgendwann überhaupt keine Ausreise mehr möglich wäre, und das vielleicht sogar auf unbestimmte Zeit. Ich mag zwar eine Weltenbummlerin sein, die ihre Unabhängigkeit und das Leben in anderen Ländern genießt, doch ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass es für mich einen Unterschied machen würde, ob ich im Ausland bin und jederzeit zurückkehren kann, oder ob auf kurz oder lang keine Rückkehr möglich ist. Nun ist dieses Szenario tatsächlich eingetreten und auch Russland hat alle internationalen Flüge eingestellt, sodass ich mir inzwischen sicher bin, die richtige Entscheidung für mich getroffen zu haben.
Nichtsdestotrotz fällt es mir nicht leicht, mich nun wieder auf das Leben zu Hause einzustellen, vor allem, weil der Kontakt zu Freunden und zur Familie momentan nahezu unmöglich ist. Aber eines hilft mir: Unsere Arbeit läuft weiter. Zwar nicht auf „normale“ Art und Weise, aber es gibt neue Möglichkeiten, die wirklich begeistern, wenn man sich erst einmal darauf eingestellt hat. So hat das Goethe-Institut beispielsweise den „Netzwerkraum Corona“ eingerichtet: Eine Plattform, auf der Online-Schulungen angeboten und Materialien bereitgestellt werden.
Der Netzwerkraum Corona | Foto: Lara Sophie Krogull
Diese Schulungen erlauben uns künftig, online Angebote zu initiieren. Nahezu jeden Tag kann aus einem vielfältigen Schulungs-Angebot gewählt werden, und hat man sich erst für eine Schulung entschieden, sitzt man mit oftmals mehr als hundert anderen Lehrerinnen und Lehrern auf der ganzen Welt zusammen in einem virtuellen Raum.
Die zahlreichen Online-Möglichkeiten – von Adobe Connect bis Moodle – sind nun nicht mehr nur Möglichkeiten, sondern Notwendigkeiten – doch sie bereiten Spaß. So kann man der Situation also vielleicht doch etwas Positives abgewinnen: Ja, die Welt befindet sich derzeit in einem Ausnahmezustand, ABER: die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit eröffnen uns ein virtuelles Netzwerk und zeigen uns neue Wege, die wir gemeinsam beschreiten können! Auch wenn man momentan sehr abgeschottet lebt, ist man gar nicht so allein, wie es sich vielleicht anfühlt. Man muss nur in die Online-Schulungen schauen, um „Leidensgenossen“ zu finden. Das Sprichwort „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ bewahrheitet sich so einmal mehr.
Der neue Arbeitsplatz | Foto: Lara Sophie Krogull