Jugend debattiert online
Eine Weltpremiere in St. Petersburg
Am 22. April fand in St. Petersburg die Stadtqualifikation von „Jugend debattiert“ im Online-Format statt. Es war eine Weltpremiere – Online-Debatten in dieser Form gab es noch nie. Herzlichen Glückwunsch an die Gewinner der Stadtqualifikation: Ekaterina Grabareva und Marta Kolistratova aus der Petrischule, sowie Alexandra Ryzhkova (Schule 72) und Swetlana Chomyleva (Gymnasium 74). Viel Glück beim allrussischen Finale von „Jugend debattiert“, das am 21. Mai 2020 auch online ausgetragen wird.
Als sich Ende November die in Russland tätigen Projektlehrkräfte in einem St. Petersburger Gymnasium trafen, um sich über das Debattieren in ihrem Unterricht auszutauschen, ahnte wohl kaum eine*r von ihnen, welche Herausforderungen sie im neuen Schuljahr erwarten würden. Dass sie ihre Schüler*innen bald nur noch durch einen Computerbildschirm zu Gesicht bekommen, hätte sich wahrscheinlich keine*r von ihnen ausmalen können.
Wie in so vielen Ländern der Welt stellte auch in Russland das Corona-Virus den (Schul-)Alltag auf den Kopf. Plötzlich waren Straßen und Geschäfte leer, durfte man das Haus nicht mehr verlassen und auch die Schulen waren auf einmal geschlossen. Unterricht gab es nur noch digital. Nicht nur in Russland mussten die Lehrkräfte improvisieren und Schüler*innen sich umgewöhnen. Ob sich in dieser Situation ein Wettbewerb wie Jugend debattiert durchführen ließe, war unsicher. „Seit Mitte März haben wir unsere Schüler und Schülerinnen nur noch in Zoom-Meetings getroffen, sie über soziale Netzwerke und E-Mails kontaktiert“, erklärt Anke Schreiber, Projektkoordinatorin der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, die den Wettbewerb in St. Petersburg organisiert.
Nicht nur sie hat während der letzten Wochen erfahren, wie wertvoll etwas sein kann, das man für selbstverständlich hielt: etwa eine Begegnung von Schüler*innen aus verschiedenen Schulen.
Schnell reagieren
Umso wichtiger war es für sie und ihre Kolleg*innen, jetzt in Kontakt zu bleiben und das, was sich vom Wettbewerb retten lässt, zu retten. Das hieß mit anderen Worten: Für das, was sich digital machen lässt, ein Format zu finden.„Wir waren alle noch aufgeregter als sonst“, erklärt Frau Schreiber. Bei ihren Schüler*innen stieß das Team aber auf großes Engagement: Neben technischen Schwierigkeiten, die bei einem solchen Event gewissermaßen vorprogrammiert sind (wer in der letzten Zeit an digitalem Unterricht oder einer Videokonferenz teilgenommen hat, kann ein Lied davon singen), waren die Debattant*innen bereit, mit ganz anderen Hindernissen zu kämpfen – ein Schüler loggte sich sogar aus dem Krankenhaus ein, um den Wettbewerb nicht zu verpassen.
Debattieren gegen Angst
Leidenschaftliche Debatten sowie die Auseinandersetzung mit der Technik sorgten nicht nur bei den Schüler*innen den ganzen Tag lang für eine willkommene Ablenkung vom derzeitigen anstrengenden Alltag.„Nicht nur die Jugendlichen wurden von den Zukunftsängsten abgelenkt, die die Pandemie heraufbeschwört. Auch wir in der Jury und im Organisationsteam tauchten für den Tag so in die Welt des Debattierens ein, dass kein Platz für irgendwelche Gedanken um oder an das Virus blieb“, schildert Frau Schreiber ihre Eindrücke vom Finaltag.
Noch am gleichen Tag ermittelte die Jury vier Siegerinnen, die am russischen Finale teilnehmen werden und begrüßte diese zwei Tage später bei einer digitalen Siegerehrung sogar mit Fanfaren.
„Uns wurde signalisiert, dass wir die ersten auf der Welt waren, die einen Jugend debattiert Wettbewerb online durchführten“, so Frau Schreiber. Jetzt überlegt man, ob auch das gesamtrussische Finale online stattfindet. Bisher erscheint dies als keine so unwahrscheinliche Variante. Nach einer deutlichen Lockerung der Schutzmaßnahmen bis zum geplanten Termin Ende Mai sieht es derzeit nicht aus.
Sicherlich fehlt etwas Wesentliches, wenn wir unserem Gegenüber nicht in die Augen schauen, die Hand reichen oder ihn umarmen können. Dass man aber trotz aller Hindernisse Vieles von dem Wertvollen, was Jugend debattiert bedeutet, erhalten kann, haben die Schüler*innen und Lehrkräfte in St. Petersburg auf eindrucksvolle Weise gezeigt.