Interview
Madeleine Gustafsson

Buchcovers: Att gå i kylan, Kiosk och Skyddsängeln
© Panter/Norstedts

Die Literaturkritikerin und Schriftstellerin Madeleine Gustafsson begann mit dem Übersetzen, als sie 1972–73 in Berlin lebte. Seitdem widmet sie sich neben dem Schreiben immer wieder der Übersetzung von Literatur aus dem Deutschen, Französischen und Italienischen.

Wie kam es, dass du Übersetzerin von deutscher Literatur wurdest? 
 
In den 1970er Jahren, als ich mit dem Übersetzen begann, gab es einen regen internationalen Austausch von Literatur, nicht zuletzt im Zuge der sogenannten Studentenrevolte. Vieles hing auch von einzelnen Kontakten ab – zwischen Menschen, aber auch zwischen verschiedenen Verlagen, wie Norstedts in Stockholm, Hanser in München und Wagenbach in Berlin. Und von einzelnen Enthusiast*innen – für deutsche Literatur zum Beispiel Gustav Korlén an der Stockholmer Universität und Thomas von Vegesack bei Norstedts. Neu erschienene Bücher wurden schnell übersetzt, es war leicht, Aufträge zu bekommen, und als ich 1972-1973 in Berlin lebte, war es eine natürliche Wahl der "Fernarbeit", mich neben dem Schreiben für Dagens Nyheter der Übersetzung zu widmen. 
 
Du bist seit den 1960er Jahren als Literaturkritikerin und seit Anfang der 1970er Jahre als Übersetzerin von Belletristik tätig. Weißt du noch, welches dein erster Übersetzungsauftrag war? 
 
Mein erster Auftrag, den ich von Vegesack bei Norstedts erhielt, war Peter Schneiders “Lenz”, gefolgt von Reiner Kunzes “Die wunderbaren Jahre”. Ich übersetzte auch für das Radiotheater: Tankred Dorst, Kohlhaase, Botho Strauss und andere, lustige Aufträge, die leider mit der Einstellung des Radiotheaters endeten. 
 
Eines der ersten Bücher, das eine Übersetzungsförderung in Schweden erhielt, war Werner Herzogs “Vom Gehen im Eis”, das du 1980 übersetzt hast. Welche Erinnerungen hast du an die Übersetzung? 
 
Als ich "Vom Gehen im Eis" übersetzte, kannte ich Werner Herzog vor allem als Filmemacher. Ich mochte "Aguirre und Kaspar Hauser" sehr, und in seiner Prosa fand ich etwas von seiner besonderen Art des Sehens, detailliert, unkommentiert, oft bizarr und "alles nebeneinander".  


Im Jahr 2020 wurde eine überarbeitete Neuausgabe von Herzogs “Vom Gehen im Eis” veröffentlicht. Wie war es, einen Text zu überarbeiten, den du 40 Jahre zuvor übersetzt hattest? Wie viel musstest du an deiner alten Übersetzung ändern? 
 
Die Neuauflage im Jahr 2020 gab mir die Gelegenheit, ein paar Kleinigkeiten in der Übersetzung zu ändern – ein missverstandenes Wort, ein altmodischer Ausdruck irgendwo, aber sonst nicht viel. Beim ersten Mal war ich vorsichtig, und wenn man anfängt, an einem alten Text herumzubasteln, riskiert man nur, den Ton zu stören, der als ein Ganzes funktioniert. 
 
Was übersetzt du derzeit? 
 
Gerade übersetze ich ein weiteres Buch von Werner Herzog: Das Dämmern der Welt.  
 
Du hast viel französische Belletristik übersetzt (z. B. Marguerite Duras und Patrick Modiano) und auch einiges aus dem Italienischen. Was ist der Hauptunterschied beim Übersetzen aus dem Deutschen im Vergleich zu beispielsweise dem Französischen? 
 
Es hat lange gedauert, bis ich mich daran gewagt habe, aus dem Französischen zu übersetzen – und noch mehr aus dem Italienischen. Es waren frühe Sprachen in meinem Leben, die schwieriger von "der Welt als solcher" zu unterscheiden waren –  man muss sie mit der nötigen Distanz behandeln, damit der schwedische Text genau schwedisch ist und nicht voller Lehnwörter, Fremdkonstruktionen usw. (Das heißt nicht, dass ein Hauch von "dem Fremden" in einer Übersetzung nicht notwendig und interessant sein kann!). Die deutsche Sprache hingegen war zeitgleich mit meinem Erwachsenenleben – nach und nach galt das natürlich auch für die anderen Sprachen. 
 
Zum Schluss noch eine Frage, die nicht direkt mit der Übersetzung zu tun hat. Du hast mehrfach zum Kulturprogramm des Goethe-Instituts beigetragen, zuletzt im Literarischen Quartett. Hast du eine besondere Erinnerung an das Goethe-Institut, die du gerne teilen möchtest? 
 
An das Literarische Quartett, insbesondere an das leider letzte, erinnere ich mich sehr gerne; es ist nicht alltäglich, dass man die Gelegenheit hat, sich gemeinsam mit belesenen und konzentrierten Kolleg*innen eingehend mit einer Reihe von Autor*innen zu befassen. Soweit ich weiß, wurde das "Quartett" auch vom Publikum geschätzt, so dass ich hoffe, dass es mit oder ohne meine Teilnahme in Zukunft wiederbelebt werden kann! 

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