© Suhrkamp Verlag, Berlin, 2021
Die Wiener Dichterin Friederike Mayröcker, verstorben am 6. Juni 2021 im 96. Lebensjahr, hatte eine 70 Jahre lange Karriere zu verzeichnen – rekordverdächtig. Die „sanfte Kämpferin der Avantgarde“ blieb unermüdlich, veröffentlichte über 80 Titel, der hier vorgestellte Band ist ihr letzter.
Wie ihre Anderthalbzimmerwohnung in der Zentagasse, in der sie seit den 1950er-Jahren gelebt hat, quillt auch dieser letzte Band über vor Bildern und Notizen über Beobachtungen und Gefühle in einer beinahe fabelhaften, fließenden Welt. Bereits der Titel des Bandes, der wohl ebenfalls auf ihrer Lieblingsschreibmaschine „Hermes Baby“ getippt wurde, ist Programm: Ich trete am Morgen ans Fenster, ich – moosgrün und … ich sehe, fühle, schmecke, denke nach – über alles draußen und drinnen, ich in meiner „Grünheit“, was immer das heißen mag. Ein alternder Körper mit einem jungen Geist begreift die Welt. Es handelt sich um ein buntes Tagebuch, die Darstellung einer verfallenden, aber nicht tragischen, maximal tragikomischen Welt, es bestätigt sich auch in diesem letzten Werk, dass Mayröcker lesen vergleichbar damit ist, Free Jazz zu hören: voller überraschender Momente und ein bisschen schräg.
Suhrkamp Verlag