Wenn ich den Libanon nur mit Assoziationen beschreiben sollte, die mir als erstes einfallen, wenn ich an das Land denke, dann wären das: Musik, roter Lippenstift, Cabrios, Essen, viel Essen, Lachen, Tanz, Kinder, zufriedene alte Menschen.
Wenn ich den Libanon nur mit Assoziationen beschreiben sollte, die mir als erstes einfallen, wenn ich an das Land denke, dann wären das: Musik, roter Lippenstift, Cabrios, Essen, viel Essen, Lachen, Tanz, Kinder, zufriedene alte Menschen.
Dann tauchen noch mehr Bilder auf: Verkehrschaos, Stromausfälle, Schimpfen, Gesang, noch größerer Spaß, wieder Essen, Sonne, Meer, serpentinenreiche Bergstraßen, moderne Architektur. Dazu hohe Absätze, dichtes Haar, fröhliche Mädchen, Männer in Hemden mit hochgekrempelten Ärmeln, Plastikstühle, Verkäufer, Cola, auf Terrassen Sitzen, Yalla-Rufe, Autohupen, Wasserpfeife Rauchen, Duft, Sexappeal, Selbstbewusstsein, edle Boutiquen, geheimnisvolle Märkte …
Das alles habe ich lebendig vor Augen, es summt angenehm in meinem Kopf und löst das Verlangen aus, den erstbesten Flieger zu nehmen und den libanesischen Teil meiner Familie und meines Freundeskreises wieder einmal zu besuchen. Wieder in den angenehmen Zustand der Exaltiertheit zu geraten, den der Flirt des Landes mit all meinen Sinnen und mit seiner eigenen Unorganisiertheit sofort in mir auslösen. Die Mischung aus Betriebsamkeit und Laisser-faire kann ganz verschieden auf Europäer wirken. Manche sind davon gewiss auch verunsichert, gereizt, andere können sich dabei endlich entspannen.
Amüsante und unordentliche Libanesen
Vor ein paar Jahren fand ich auf der Homepage Taste of Beirut (www.tasteofbeirut.com) die sich dem Libanon widmet, ein Zitat, das ich für das Treffendste halte, was ich jemals über dieses kleine Land mit seiner unglücklichen geografischen Lage gelesen habe. Es geht um die am häufigsten geäußerten Eindrücke französischer und holländischer Touristen bei ihrem Libanon-Besuch: „Da sie aus durchorganisierten Ländern kommen, nehmen sie den Libanon als einen Ort wahr, wo ständig etwas passiert, wo die Menschen extrovertiert, amüsant, enorm freundlich, unordentlich, flexibel und unternehmungslustig sind.“
Ich bin mir absolut sicher, dass jemand mit ähnlichen Charakterzügen, mögen sie auch durch die slowakische, deutsche oder holländische Erziehung unterdrückt sein, sie bei einem Libanon-Besuch tief in sich wiederentdeckt und von dem Land begeistert ist.
Kaum einer – insbesondere nicht hierzulande – stellt sich den Libanon als einen Ort vor, an dem sich Menschen amüsieren, tanzen und lachen. Doch trotz aller politischen Probleme ist das Land ganz genau so.
Die Libanesen suchen immer und überall Gelegenheiten, das Leben zu genießen. Ganze Familien, von den Kleinkindern bis zu den Großmüttern, kann man dabei beobachten, wie sie gemeinsam feiern, tanzen und singen, bereits zur Mittagszeit, im Bus unterwegs zu einem Ausflug oder auf ihren Terrassen während der langen Sommerabende.
In den stylishen Nachtklubs hört man einen angenehmen Mix aus moderner arabischer und westlicher Musik. Dort trifft sich die libanesische Jugend. In einer Bar oder einem Restaurant sitzen Menschen zusammen, die traditionell Feinde sein sollten: Sunniten, Christen, Schiiten, Drusen. Das hält sie nicht davon ab, Spaß zu haben, ungeachtet dessen, dass das Land aufgrund anhaltender Uneinigkeit zwischen den Politikern bereits über zwei Jahre ohne Präsident ist.
Mode-Großmacht
Das Bild vom Libanon, das in den Medien anhand sporadischer trauriger Nachrichten entsteht, kann nicht weiter entfernt davon sein, wie das Land tatsächlich auf den wirkt, der es besucht. Jawohl, der Libanon ist ein Land der Paradoxe und der Vielfalt. Die teils vom Krieg zerstörten Gebäude stehen in starkem Kontrast zu den protzigen Autos. Auf den Straßen begegnet man Damen in Hidschabs, aber nie in Burkas, und direkt neben ihnen flanieren Libanesinnen im Minirock. Vor allem aber immer selbstbewusst und energisch.
Für Libanesen ist typisch, dass sie außerordentlich großen Wert auf ihr Äußeres legen. Männer und Frauen, Alte und Junge, Christen und Muslime. Es ist kein Zufall, dass es gleich mehrere Fashiondesigner aus dem Libanon auf die prestigeträchtige Pariser Haute Couture Week geschafft haben, wo jahrelang französische und italienische Modemacher dominierten. Es ist mir ein großes Bedürfnis, das hier zu betonen, denn ich werde oft nach dem Thema Verschleierung gefragt. Doch gerade der Libanon ist auch auf diesem Gebiet unerhört tolerant für ein Nahost-Land.
Der Libanon ist voller gebildeter Menschen, die die Welt bereist haben und mit guten Fremdsprachenkenntnissen punkten können, und sie lieben ihr Heimatland. Die permanenten Probleme und die Instabilität des Landes machen ihnen zu schaffen, aber sie strahlen keineswegs Frustration aus, sondern vor allem Energie und Lebenslust, die sie mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit auszukosten wissen.
Diese Freude und Energie spürt man auch, wenn man sich aus den reichen Vierteln und Resorts in die historischen Gässchen aufmacht, in denen geschickte Handwerker Kleidung, Schuhe oder Schmuck herstellen. Durch die Gassen wuseln Menschen, sie kaufen ein, essen, diskutieren, lachen und streiten sich auch.
Der Libanon ist in jeder Hinsicht unbändig und gefühlsbetont. Wer ihn mit offenem Geist besucht, wird von ihm mitgerissen und erlebt ein Abenteuer, das er nicht so schnell vergisst.