AU COEUR DE LA LITTÉRATURE
Überlegungen über das Werk "Musique Sénégalaise" von Papis Sambas

Souleymane Faye
Foto (Ausschnitt): Stéphanie Nikolaïdis

Über eine Arbeit von der Dimension wie die von Papis Samba kann sehr viel erzählt werden. Ich denke nicht, dass eine Rezension – was im Grunde nichts anderes als eine mehr oder weniger lange oder glückliche Paraphrase eines Textes bedeutet -, das geringste Interesse haben wird. Deshalb werde ich darauf verzichten, eine Kritik dieses Buches zu machen, zu dessen Ausgabe ich übrigens mit einem gewissen Stolz teilgenommen habe.         
 

Was ich vorschlage, heute Abend zu tun, ist, diese subjektive Verbindung, die ich mit diesem Buch habe, das ich 2014 dank des Verlags Vives Voix entdeckte und mit dem ich mich sehr viel auseinandergesetzt habe, mit Ihnen zu teilen. Ich möchte mit ein paar Worten über das Thema beginnen, d.h. die moderne  senegalesische Musik, bei der Herr Samba sich nicht auf ihre Aktualität stützt, sondern aus der Perspektive ihrer Geschichte im ersten großen Teil des Textes anschneidet. Besonders wenn man die Tatsache in Betracht zieht, dass er der erste Autor ist, der über die Geschichte der senegalesischen Musik von ihren Anfängen bis zur heutigen Zeit schreibt, ist das meiner Auffassung nach, wichtig zu erwähnen. Hier möchte ich eine kleine historiographische Bemerkung machen. Vorhin habe ich von moderner senegalesischer Musik gesprochen, aber wenn man sich gut überlegt, ist das Adjektiv modern völlig unnötig und wir können uns damit begnügen, wenn wir Bezug auf den Inhalt des Buches nehmen, schlicht und einfach senegalesische Musik zu sagen. Der Name Senegal, es sei denn, man einen anachronischen Fehler begeht, ist eine moderne Erfindung; Er geht  auf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Vor der Periode, die Papis Samba beschreibt, existierte also im geographischen Raum, den Senegal umfasste, nur Saloum Saloum-, Waalo Waalo- oder auch Kajoor Kajoor- Musik. Und gerade mit diesem Erbe der Königreiche, von denen unser Land vor der Kolonisierung profitieren konnte, fängt Papis Sambas Text an. Was man in diesen Königreichen hörte, war eine Musik in Symbiose mit dem Sozialleben, das dabei eine wesentlich zeremonielle Rolle spielte, die nach festgelegten und bestimmten Modalitäten das Leben in der Gemeinschaft hervorhob. Der gemeinsame Nenner ist, dass Musik, besonders in wolof- und pulaar-Gesellschaften, eigentlich Sache gewisser Kasten war. Erlauben Sie mir an dieser Stelle diese kleine Nebenbemerkung: lasst uns an diese Veränderung nachdenken, womit man sich meiner Meinung nach gegenwärtig nicht auseinandergesetzt hat, d.h., der Übergang von einer vorkolonialen Vorstellung der Musik und von denjenigen, die sie praktizieren zur modernen Musik mit dem Auftauchen der Figur des Komponisten. In dieser Welt also, vor der Ankunft von Faidherbe und seinen Nachfolgern, vor der Erfindung des Namens Senegal, haben Rhythmen, instrumentale Kulturen sowie Tänze dieses musikalische Erbe ausgemacht, das als Ausgangspunkt für die Entwicklung von was man heute senegalesische Musik nennt, gilt.        
 
Die Entdeckung eines Erbes

Danach zeigt uns Papis Samba in seinem 200-seitigen Buch die Begegnung dieses Erbe mit anderen Sensibilitäten, anderen Klanginspirationen, die nicht nur dem afrikanischen Kontinent, sondern auch dem, was Paul Gilroy, eine der berühmten Figur der cultural studies, in einem Werk, das zu einem Klassiker geworden ist, schwarzen Atlantik nennt, entstammen. Im Laufe der Kapitel, die den ersten chronologischen Teil bilden, erfährt man in der Tat, dass die Geschichte der senegalesischen Musik im gesamten 20. Jahrhundert ein Austausch zwischen dem Senegal und dem Rest der Welt ist. Wir können das Beispiel von Guinea nennen, mit Bands, die während des Sékou Touré-Regimes entstanden sind wie etwa die Band Balla et ses Balladins, die dank eines ihres Sample dem amerikanischen Rapper J-Cole übrigens ermöglichte, einen internationalen Hit zu haben.     Sehr früh wurde  Senegal von dem Kongo und seine Rumba, von der Mandinka-Musik, von Gambia, woher diese wichtige Band namens Super Eagle gegen Ende der 60er Jahre kam, beeinflusst, aber auch von den Vereinigten Staaten Amerikas, zugleich weit wegen der Entfernung aber nah wegen der Geschichte, deren Schwarze Musik, wie der Jazz und später der Blues und der Hip Hop das Land ebenfalls stark beeinflusst haben. Allerdings schreibt Papis Samba ausführlich über den Einfluss der afro-kubanischen Musik, die bei uns zahlreiche Nacheiferer hatte, darunter Labah Sosseh oder auch Raymond Fernandez, um nur die ältesten und berühmtesten zu nennen.      
 
Ich möchte den zukünftigen Lesern sagen, wie sehr es sich hier um eine Geschichtsschreibung handelt, die sich wenig um musikalische oder analytische Aspekte kümmert, aber die Ereignisse einfach nur schildert, was ihm ermöglicht, dem nicht fachkundigen Leser, was ich selber vor dem Lesen des Buches war, eine Menge Neuigkeiten in nur so wenig Seiten zur Verfügung zu stellen. Zum Glück theoretisiert Papis Samba nicht: er erzählt, beschreibt, macht manchmal Portraits von großen Persönlichkeiten, die ihre Zeit stark geprägt haben. Konkret und im Wesentlichen ist denn im Grunde genommen die Geschichte der senegalesischen Musik die Geschichte von Frauen und Männern, von Instrumentalisten, Sängern, Produzenten, Besitzern von Nachtlokalen, deren Anstrengungen und Leidenschaft unser Musikerbe schrittweise gegründet haben. Wenn man selbst kein Musiker ist, sobald man diese Schicksale, die uns Papis Samba erzählt, zur Kenntnis nimmt, sieht man heute mit anderen Augen diese Leute, die unter unseren Augen, auf unseren Bühnen unsere Musik mit ihrem Talent, mit ihrer Genialität, aber auch, das muss man, denke ich, nie vergessen, mit ihren Anstrengungen und ihren Schwierigkeiten, bereichern. Immer noch in Bezug auf die menschlichen Figuren, unter denen viele nicht mehr am Leben sind und die Papis Samba in seinem Buch wieder lebendig macht, habe ich bereits nach meiner ersten Lektüre des Buches gedacht, dass wir noch daraus eine Menge gelehrte Werke und fiction-Bücher schreiben können. Nachdem ich zum Beispiel auf die Figur der Sängerin Aminata Fall gestoßen bin und die kurze aber ergreifende Geschichte, die Papis Samba über ihre Laufbahn erzählt, gelesen habe, habe ich mir gedacht, dass einen schönen Roman oder Film daraus gemacht werden konnte. Das Buch beinhaltet viele Beispiele von Elementen und Informationen aus denen weitere Werke geschrieben werden können. Wenn man das Buch zwischen den Zeilen liest, stellt man fest, selbst wenn Musik das Hauptthema des Werkes ist, worauf der Autor den Akzent legt, ist Senegal, insbesondere seine Städte der Hintergrund für sein Buch.     
 
1985 bin ich in Dakar geboren. Zu Beginn meiner Ausführungen warnte ich, dass sie teilweise subjektiv wären, aber Sie werden feststellen, dass dies nicht völlig grundlos ist und dass es mir nicht darum geht, eine eingebildete Erklärung zu geben. Meine Kindheit und meine Jugend habe ich im Ausland verbracht. Schon immer hat mich Senegal fasziniert. Das ist meiner Meinung nach ein geheimnisvolles und merkwürdiges Land. Und anstatt schwächer zu werden, wird dieses Geheimnis in meinen Augen immer größer. Nachdem ich Papis Samba gelesen habe, hat es sich herausgestellt, dass es auch für mich eine Gelegenheit war, die Geschichte meines Landes unter dem Blickwinkel der Sensibilität und der musikalischen Ausdrucksform zu entdecken. Das war eine ziemlich originelle Lektüre, in dem Maße wie, während ich das Buch Seite für Seite las und darin Songtiteln begegnete, die übrigens alle auf YouTube zu finden sind, war sie von der Musik derselben Musiktitel begleitet. Die Geschichte aus dem Blickwinkel der Musik,  deren heuristisches Potential ich nicht vermutet hatte. Seit langem ist man überzeugt, und dabei ist nichts Neues, vom Interesse der Kunstwerke als Zugangsmittel zum historischen Wissen. In der Geschichtsschreibung handelte es sich aber im Wesentlichen,  besonders für die Antike und oft ohne Vorhandensein schriftlicher Quellen, von Bildhauerei, Malerei und Baukunst. Im Endeffekt hat Musik zur historischen Disziplin nicht ganz viel beigetragen. Vielleicht hängt das mit der späten Erfindung im Jahre 1877 der Technologien zusammen, die die Aufnahme und die Speicherung des Tons ermöglichen. Nun stellen alte Kunstwerke, Musik inbegriffen, nicht nur Diskurse und Töne, sondern auch Gefühle eines vergangenen Zeitalters, einer Welt, die längst an Dynamik verloren hat, zu unserer Verfügung und deshalb ermöglichen sie uns ein bereichertes Wissen, bestimmt das reichste, ein sinnliches Wissen der Geschichte zu haben. Wir können alle möglichen historischen Werke über die Elend im Landleben im Europa des 19. Jahrhunderts lesen, ohne die menschliche Wahrheit zu begreifen, die meiner Meinung nach nur Kunstwerke uns ermöglichen können, wie zum Beispiel in diesem konkreten Fall, Das Angelusläuten des realistischen Malers Jean-François Millet. Vor einigen Jahren hat ein riesiges Projekt angefangen, bei dem es darum geht, Senegals Geschichte zu schreiben und ich stelle mich die Frage, ob es sich, sowohl in den Themen, die es behandeln wird, als auch in den Quellen, ausschließlich auf das soziale und politische Leben beziehen wird.
 
Bis dahin habe ich auf den ersten Teil des Buches, den umfangreichsten, den historischen, den Teil wofür ich mich, bestimmt wegen meiner Ausbildung besonders interessiert habe, bezogen. Aber der zweite und der dritte Teil, die eine Übersicht über unsere heutige Musik geben und ihre reiche Vielfalt zeigen, sind aus praktischeren Gründen gleichermaßen wesentlich. Sie ermöglichen dem Leser, sich eine solide Kultur der senegalesischen Musik anzueignen und interessante und wenig bekannte Künstler zu entdecken. Abschließend möchte ich auf eine Tatsache hinweisen, worüber ich heute Morgen nachgedacht habe, obwohl ich mich nie zuvor darüber Gedanken gemacht hatte. Der dritte Teil ist ausschließlich dem Hip Hop gewidmet, während die vorherigen Teile keine Trennung zwischen unterschiedlichen Musikgenres und Künstlern wie Wasis Diop und Pape Thiopet machen. Ich habe den Eindruck, dass der Hip Hop – und darüber habe ich keine besondere Meinung, aber ich denke, es wäre interessant, das zu diskutieren- kein Teil der Musik sei. Es sieht so aus, als ob es auf der einen Seite Musik gab, und auf der anderen Seite Rap. Diesbezüglich und was das in Bezug auf was es für unsere Vorstellung über diesen Teil der senegalesischen Musik, d.h. Hip Hop verrät, möchte ich die Meinung des Autors gern hören.