AU COEUR DE LA LITTÉRATURE
Pérez-Tejedor: Pflicht zur Erinnerung

Luce Perez
Foto (Ausschnitt): Stéphanie Nikolaïdis

Durch die Geschichte, den Alltag einer portugiesischen Immigrantenfamilie, die sich auf einem Dorf in den französischen Pyrenäen niedergelassen hat, hilft uns  Luce Pérez-Tejedor mit ihrem ersten Roman in den Alltag des Europas der 60er Jahre zurückzublicken.
 

Es geht um die Geschichte einer bescheidenen Familie aus Südfrankreich, die während der großen  portugiesischen Migrantenwelle nach Frankreich kam, um der Diktatur und der Unsicherheit, die unter António de Oliveira Salazar herrschten, zu entkommen.

Tagsüber züchtet der Vater Kühe und in der Nacht arbeitet er in einer Firma. Neben ihrer Tätigkeit als Gärtnerin züchtet die Mutter Kaninchen. Der Junge ist Bauarbeiter, die älteren Töchter leben in der Stadt und die zwei letzten Töchter besuchen die Dorfschule.

Das ist durch die Figur des jüngsten Mitglieds der Familie, eines kleinen Mädchen von etwa zehn Jahren - dem Pérez-Tejedor  am Anfang versäumt hat, einen Namen zu geben und dies fiel ihr erst zu spät auf -, dass die Autorin uns Ce sale hasard qu’est la vie erzählt.

Im Roman wird die Dankbarkeit einer Familie gegenüber Charles De Gaulle hervorgehoben, auch wenn sie in einem unsicheren sozialen Kontext lebt, wo Fremdenfeindlichkeit und soziale Klassenunterschiede  frappierend sind und wo das Bürgertum das Proletariat verachtet.

Selbst wenn die Mitglieder im Besitz von französischen Nationalausweisen sind, lebt die Familie in einer gewissen Strenge, um zu vermeiden, dass sie als Ausländer angesehen werden. Eine Familie, die trotz Schmerz und interner und sozialer Enttäuschung, die sie durchmacht, intakt und glücklich bleibt.

Aber neben dem stürmischen Alltag  dieser Familie scheint Pérez-Tejedor, eine Pflicht zur Erinnerung zu erfüllen, in dem sie in diesem Roman drei historische Ereignisse in Europa der Nachkriegszeit ins Gedächtnis zurückruft.

Erstens die große portugiesische Migrantenwelle  nach Frankreich in den 60er -70er Jahren. In der Geschichte wird dies als „den größten portugiesischen Auswanderungsstrom“ betrachtet, denn außer der großen Bewegung im 18. Jahrhundert  und der Entdeckung des Goldes  in Brasilien, hat Portugal nie zuvor eine dermaßen große Auswanderungswelle erlebt.  Schätzungsweise ist die Zahl der  in Frankreich lebenden Portugiesen  von 1960  bis 1970 von 50 000 auf  700 000 gestiegen und sie waren somit  Anfang der 70er Jahre die größte Migrantengemeinschaft in Frankreich. „Es gibt wenig literarische Veröffentlichungen über diese Zeit“ betonte Pérez-Tejedor  anlässlich des Au Cœur de la littérature  am 27. September 2017 am Goethe-Institut Dakar.

Die Autorin, die in Toulouse in Südfrankreich geboren ist und deren Eltern portugiesischer Herkunft sind, erklärte, dass sie sich, zum Teil, von dieser  Doppelkultur inspiriert hat: „Ich habe in diesem Umfeld gelebt, es ist mein Zuhause und durch Geschichten, die in der Familie  über Salazar Diktatur erzählt wurden…“. Der Titel des Romans entstammt übrigens diesen Ereignissen „da es sich um Ereignisse handelt, die unter der Diktatur unter Salazar stattfanden, dessen Name  die junge Erzählerin sehr oft hörte aber der für sie wie ˏsale hasardˊ [mieses Schicksal] klang“.

Zweitens weist Pérez-Tejedor  ebenfalls auf die Jahre des Wirtschaftswunders  - Zeitraum zwischen 1946 bis 1975 währenddessen  Frankreich und die meisten Wirtschaften der westlichen Länder ein außergewöhnliches und regelmäßiges Wachstum erlebten – und drittens die Ereignisse von Mai 1968, die mit dem latenten Unbehagen, das damals an französischen Universitäten herrschte, in Zusammenhang standen und die von einer politischen, sozialen und kulturellen Protestbewegung gekennzeichnet wurden.

Um diese Pflicht zur Erinnerung perfekt abzuschließen, gilt es zu erwähnen, dass der Roman von Le Pas d’oiseau, einem Verlag aus den Pyrenäen, herausgegeben wurde. „Der Roman ist dort bei den Lesern, die Geschichten, die sich auf ihre Gegend beziehen gern mögen, sehr gut angekommen. Ich bin voll und ganz zufrieden“, sagte die Autorin.
 

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