„Ohne mathematische Fähigkeiten, ohne zeichnerische Begabung, ja selbst ohne einen gewissen praktischen Sinn für Lebensbedingungen, Material- und Geldverhältnisse, wird trotz sonstiger Intelligenz niemand gut durch das Studium und die spätere Praxis kommen”, so Emilie Winkelmann, die erste deutsche Architektin 1913. Dieses fundierte Verständnis des Architekturberufes behielt sie während ihrer gesamten, immerhin fünf Jahrzehnte andauernden Laufbahn bei.
Architekt war in Deutschland zu dieser Zeit keine geschützte Berufsbezeichnung und so eröffnete Winkelmann ihr eigenes Büro 1907 in Berlin. Ihre Mitgliedschaft in der führenden Frauenvereinigung der Stadt, dem Lyceum Club, verschaffte ihr bald eine Kundschaft, die bereit war, eine Architektin zu beauftragen. Ihr Büro florierte und sie realisierte Wohngebäude und Gewerbeprojekte für private Auftraggeber und Frauenorganisationen in Berlin und Nordostdeutschland. 1928 trat sie dem BDA bei. Im Zweiten Weltkrieg wurde ihr Berliner Büro zerstört. Sie starb 1951 und ist in ihrer Heimatstadt Aken beerdigt.
Äußerst ungewöhnlich für eine junge Frau um 1900, ging Winkelmann in der Baufirma ihres Großvaters in Aken nahe Dessau in die Lehre. Als der Betrieb verkauft wurde, entschloss sie sich, ihre eigene Karriere aufzubauen. Ab 1902 besuchte sie die Königlich Technische Hochschule in Hannover als Gaststudentin. Es war ihr allerdings nicht erlaubt, das Abschlussexamen abzulegen.