„Der kam nach Berlin und wollte Künstler werden, das hat er entschieden, er wusste nur noch nicht, welche Kunst.“ Nahezu beiläufig erwähnt Regisseur Markus Stein in einem Gespräch die Bestimmtheit, mit der Jürgen Baldiga sein Ziel verfolgte. In die Wiege gelegt war ihm das nicht. Der Sohn eines Essener Bergarbeiters kam 1979 nach West-Berlin, war gelernter Koch und versuchte sich zunächst in Poesie – aus seinen Gedichten stammt der Titel dieses Films, „Entsichertes Herz“. Doch bald schon spürte er, seine Berufung lag anderswo, in der Subkultur, die seine eigene war: „Durch und durch im kaputten Umfeld der Sehnsüchte. Stricher, Transvestiten, Geisteskranke, Alkoholiker. Dort fühl ich mich zuhause. Dort ist die Welt, die festgehalten werden muss.“ Er begann zu fotografieren, zuerst nur Füße, weil er sich nicht traute, den Leuten die Kamera ins Gesicht zu halten, doch dann immer näher dran an den Augen. Er merkte, es muss nur reden mit den Menschen, dann geht das. Entstanden sind faszinierende, schonungslose Bilder. Sie zeigen seine Freunde und Lover, wilden Sex und das Leben auf der Straße und immer wieder die lustvollen Tunten des Berliner Schwulenclubs SchwuZ, die zu seiner Wahlfamilie werden. Aber auch seine eigene HIV-Infizierung – damals ein sicheres Todesurteil – verheimlicht er nicht, führt Tagebuch, fotografiert sich selbst, wehrt sich gegen Stigmatisierung, bis zuletzt. 1993 stirbt er im Alter von gerade mal 34 Jahren. Dieses radikale, komplexe Leben porträtiert der Film so sensibel und aufrichtig wie es die Bilder von Jürgen Baldiga sind.
1998 The Beginner (Kurzfilm)
2008 Balkan Traffic – Übermorgen nirgendwo, Co-Regie: Milan V. Puzic
2012 Unter Männern – Schwul in der DDR, Co-Regie: Ringo Rösener
2014 Nur der Pole bingt die Kohle
2024 Baldiga – Entsichertes Herz