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Zagreb
Die Commons Verstehen: Kick-Off Workshop

Kick-Off Workshop in Zagreb
@ Josip Ninković

Was genau sind die Commons? Wie funktioniert die Praxis des Commonings? Und wie kann das Goethe-Institut mit der Bewegung der Commons zusammenarbeiten?
Diese Fragen wurden im Kick-off Workshop zum Commons-Regionalprojekt des Goethe-Instituts mit Expert*innen und Aktivist*innen aus Deutschland, Griechenland, Kroatien und Serbien diskutiert.

Denn Ziel ist es herauszufinden, wie die Praxis des Commoning für Kulturprojekte, Bibliotheksarbeit, und Bildungsformate fruchtbar gemacht werden kann, um zugleich an der Bildung von Commons—also gemeinsam hergestellter, gepflegter und genutzter Produkte, Ressourcen, und Leistungen—beizutragen. Dabei fokussierten sich der Workshop auf die Beziehung von Commons und Wissen, Commons und Umwelt, sowie Commons und Stadt.
 

Man darf sich die Commons-Welt nicht vorstellen wie ein Schlaraffenland, sondern wie ein Picknick, zu dem alle etwas beitragen.

Silke Helfrich

Silke Helfrich von der Commons Strategy Group führte in den weiten Horizont des Themas ein und hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für Commons als Praxis des Denkens und Handelns. Sie erklärt, dass Commoning einen anderen Blick auf die Welt erfordert—der die Ideen der Trennung zwischen Staat und Markt überwindet und kritisch über die Rolle von Privateigentum, Hierarchie, Autorität und Konsum in unseren Alltagspraktiken reflektiert.

Tomislav Tomašević vom Institute for Political Ecology in Zagreb zeigte an Beispielen in Post-Yugoslavien, wie die "Commons in South East Europe“ (so der Titel seiner Studie) funktionieren. Die Goethe-Kolleg*innen aus Serbien fragten sich, ob die selbstorganisierten Initiativen im ehemaligen Jugoslawien vielleicht ein Beispiel für Commons gewesen sei? Tomislav ergänzte diese Überlegung mit Begriffsklärungen, die Gemeineigentum und gemeinschaftliches Handeln aus „Gmajna“ aus der habsburgischen Vergangenheit, „Vakuf“ aus dem ottomanischen Erbe, und schließlich „Zadruga“ aus der autochthonen Tradition der erweiterten Familie als Wirtschaftsgemeinschaft ableitete.

Damit waren die Herkunftsgeschichte in Südosteuropa geschärft, aber wie können wir Commons heute verstehen und praktizieren? Commoning suggeriert dass unser aktuelles politisch-ökonomisches System antagonistische Formen von Wettbewerb, Eigeninteresse, und Formen der Ausbeutung lehren, welche sich wiederum auf unser Alltagshandeln auswirkt: Umweltverschmutzung, Ressourcenverschwendung, und ein Abhandenkommen kollektivem Miteinanderwirkens sind einige Konsequenzen welche die Commoning-Bewegung mit Sorge beobachtet.

Die Commons können daher als Alternativmodell gelesen werden, welches sich neue Technologien zu eigen macht um alternative Werte zu leben: Selbstorganisation, Nachhaltigkeit, Solidarität, Kollektivität, Demokratie. Xenia Koliofoti berichtete von ihrem Wirken im selbst-organisierten Theater Embros in Athen, welches eher unbekannten und marginalisierten Künstler*innen eine Bühne bietet. Neben den Einsatz digitaler Technologien für einfacherer Organisation, aber auch Veranstaltungsankündigungen, erläuterte Xenia auch die Limitationen und Konflikte konsensorientierten Miteinanderwirkens. Dimitris Soudias wiederum diskutierte wie die Bibliothek des Goethe-Instituts Athen versucht Räume des Commonings zu schaffen: mit Seminaren zu Openness und Informationskompetenz, Open-Source Bibliothekssystemen, Lernwerkstätten zu den Commons für Kinder—aber auch den Anspruch möglichst basisdemokratischer Formen der Entscheidungsfindung in der Arbeit mit Projektpartner*innen und den Kolleginnen des Bibliotheksteams.

Stavros Stavrides von der Nationalen Technische Universität Athen National Technical University Athens) begann den zweiten Tag mit einer Erläuterung der „Urban Commons“. Mit Fallbeispielen aus Argentinien, Mexiko und Griechenland lies er keinen Zweifel daran dass es beim Commoning im Kern um Fragen von Macht und Eigentum geht, die hart verhandelt werden müssen. Dass es dabei auch kreativ und spielerisch zugehen kann, zeigt Iva Čukić mit ihrem Bericht über die Besetzung von Gebäuden in Belgrad, die inzwischen ein aktives Kulturzentrum geworden sind. Allein der Name der Gruppe Ministry of Space ist eine kalkulierte Grenzüberschreitung: es gibt kein solches Ministerium, aber einige Regierungsstellen ließen sich, so scheint es, täuschen und unterstützen die Aktivist*innen im Kampf für einen Platz im Zentrum der Stadt. Eine Erfolgsgeschichte der Rück-Eroberung öffentlicher Räume in einer Zeit, in der mehr und mehr Raum an private Investor*innen veräußert wird. Auch das Goethe-Institut Belgrad hatte in dieser Geschichte eine Rolle gespielt, und damit wurde eine Handlungsoption für ein Kulturinstitut deutlich: Commoning-Initiativen unterstützen im Rahmen des legal Möglichen.

Zur Beziehung zwischen Umwelt und Commons berichtete Alekos Pantazis aus einer Initiative im ländlichen Griechenland. Dort stellen Landwirte im Open Lab Tzoumakers gemeinsam Werkzeuge zur Bestellung der Felder her. Dieses gemeinschaftliche Handeln begründet einen Zusammenhalt, der praktische Vorteile bietet und eine Reflexion über die ökonomischen Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Produktion anstößt. Bedingungen sind veränderbar, ebenso wie die Werkzeuge. Und was man nicht verändern (oder reparieren) kann, das gehört einem nicht. Alekos erklärte, wie sich diese Bewegung in europäischen Netzwerken ausbreitet, und wie selbst reiche Farmer in den USA von der Idee fasziniert sind. Neuere landwirtschaftliche Maschinen sind—ebenso wie Autos, Smartphones Laptops—„black boxes“, die immer weniger selbst repariert werden können. Zudem saugen die großen Firmen dieser Produkte über Trackingtechnologien und Personalisierungsmöglichkeiten laufend Nutzer*innendaten ab. So wird der „user“ immer weiter abhängig von bestimmten Firmen, und letztlich auch selbst das Produkt—in Form eines Datenbündels.

Welche Umweltkonsequenzen die Digitalisierung der Welt hat, stellten Hugo Mattei und Alessandra Quarta von der Universität Turin vor. Der Aufbau von Serverfarmen für Cloud-Dienste und Suchabfragen verursachen einen riesigen CO2-Abdruck. Um den entgegenzuwirken, argumentiert Mattei für die verrechtlichung der Commons, wie sie in Italien bei der Wasserversorgung schon Teilrealität ist. Alessandra Quarta stellte mit Generative Commons ein Projekt vor, wie aus diesen vielen Erfahrungen mit Commoning eine praktische, offene Toolbox werden kann.

 

Kann das Goethe-Institut gemeinsam mit der Commons-Bewegung am Commoning mitwirken? Silke Helfrich und David Bollier erklären in Ihren Open-Access Buch Frei, Fair und Lebendig, dass Commoning jenseits konventioneller Institutionen geschehen muss, u.a. deshalb weil sie oftmals hierarchisch organisiert sind. Das ist auch der Hauptgrund warum Stavros Stavrides sehr kritisch auf das Potential des Goethe-Instituts als „Commoner“ blickt.

Doch kann das Goethe-Institut die Bewegung der Commons unterstützen—indem es Commons-Akteur*innen zusammenbringt und als Diskussionsplattform Ihrer Ideen und Praktiken dient. Auch wenn das Goethe-Institut in derzeitiger Form kein Commons sein kann, so ist es doch möglich Räume des Commonings zu schaffen: Die Goethe-Institute in Südosteuropa werden das Thema Commons weiter verfolgen, Projekte dazu anstoßen und ihre eigene Praxis an den Ideen des commoning ausrichten. Durch Bildungs- und Kulturformate die Solidarität, Horizontalität, Demokratie. Nachhaltigkeit, Geschlechtergerechtigkeit als integralen Prozess des gemeinsamen Lernens inne haben. Wie derlei Formate aussehen können? Das will das Goethe-Institut gemeinsam mit Commons-Akteur*innen in Südosteuropa und der Türkei herausfinden.

 

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