Aktuelle Musik aus Deutschland  Popcast #9/2024

Lucy Kruger & the Lost Boys
Popcast September 2024: Lucy Kruger & the Lost Boys © Holger Nitschke

Mit Musik von: 

Chilly Gonzales | Gentle Threat
Gas Wasser Indiopop | Broken Silence Records
Lucy Kruger & The Lost Boys | Unique Records
Yelka | Karaoke Kalk
Baby You Know | Tapete Records
Autor und Sprecher (Deutsch): Ralf Summer

Gas Wasser Indiepop

Gas Wasser Indiepop | © Jören Gloe

Die norddeutsche Provinz ist ein schnörkelloser Ort des trockenen Humors und des gradlinigen Punkrocks, wie das Kieler Trio Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen mit Hingabe unter Beweis stellte. Sie lösten sich auf, doch der Gitarrist Jochen Gäde konnte nicht lange ruhen und gründete Gas Wasser Indiepop, eine Anspielung auf die norddeutsche Klempnerzunft, die sich gerne „Gas Wasser Heizung“ nennen, um ihren Serviceumfang zu bewerben. Jetzt erweitert um einen Keyboarder, haben sie mit Der Prominente im Sack (das war mal vor vielen Jahren ein Ratespiel in einer TV-Show) ein makelloses Werk voller treibender Pop-Punk-Perlen vorgelegt.
Lucy Kruger & the Lost Boys

Lucy Kruger & the Lost Boys | © Holger Nitschke

Lucy Kruger & The Lost Boys ist das Projekt der südafrikanischen Sängerin Lucy Kruger aus Berlin. Mit eindringlichem Gesang, begleitet von einem reichen und atmosphärischen Klangteppich aus zurückhaltenden Gitarren, Streichern, Keyboards und immer auch ein paar Drones, setzt das Quintett die dramatischen Kompositionen mit großem Effekt um. Das Art-Noise-Projekt [Selbstbeschreibung] ist fleißig: Innerhalb der letzten Jahre haben sie eine gute Handvoll Alben veröffentlicht, von denen das letzte, A Human Home hier vorgestellt wird.
Baby You Know

Baby You Know | © Karin Baumler


Die Regensburger Band Baby You Know sind, wenn überhaupt, einem internationalen Publikum nur durch ihre Verbindung zu der australischen Kultband Go-Betweens bekannt: Violinistin und Teilzeitvokalistin Karin Baumler war mit deren Frontmann Robert Forster verheiratet, der auch einige Tracks beisteuerte und einige Aufnahmen produzierte. Ihre eigentümlicher aber durchaus gefälliger mit europäischen Folkelementen durchsetzter Americanasound fand aber in Deutschland auch ohne die Schützenhilfe von Down Under eine eingeschworene Fangemeinde. Aber nachdem die Band ihr erklärtes Ziel eines amerikanischen Plattenvertrags nicht erreichen konnten, lösten sie sich auf und gerieten in Vergessenheit. Wären da nicht die freundlichen Leute vom Hamburger Plattenlabel Tapete, die jetzt die beiden Alben To Live Is To Fly (1990) und Clear Water (1992) digital neu aufgelegt haben.
Yelka

Yelka | © Mara von Kummer


Schon seit Jahren sind Daniel Meteo, Christian Obermaier und Yelka Wehmeier in der Berliner Musik- und Clubszene aktiv, als Musiker*innen, Labelbetreiber, Kunstschaffende – aber im Jahre 2022 haben sie mit ihrem gemeinsamen Projekt Yelka dann das ganz große Los gezogen: Es gelang ihnen, den Manager vom Berliner Label Fun In The Church so für sie zu begeistern, dass er ihnen (spontan..?!) einen 10-Album-Deal anbot. Ob das nun so stimmt oder nicht, es steht doch fest, dass ihr jetzt auf Karaoke Kalk erschienenes For bereits das fünfte Album in ebensovielen Jahren ist. Auf ihrer Website kündigen sie denn auch die weiteren Schritte an: Album No. 10 soll bis 2026 fertig werden! Zurückgenommen und entspannt, dabei trickreich und abgeklärt schlängeln sich die drei durch ihre stilistisch vom Chicagoer Postrock beeinflussten weitgehend live eingespielten Improvisationen, die allesamt so freudig eingespielt sind und so routiniert klingen, dass man es vielleicht doch glaubt. Vielleicht schaffen sie es ja doch, das mit den 10 Alben.
Chilly Gonzales

Chilly Gonzales | © Vioctor Picon


Nach 12 Jahren Instrumentalalben (von zwei Solo-Pianos über Kammermusik, gemeinsame Alben mit Boys Noize, Jarvis Cocker und Plastikman bis hin zu einem Weihnachts-Bestseller) hat der aus Montreal stammende und mittlerweile in Köln ansässige Jason Beck aka Chilly Gonzales aka Gonzo eine Menge loszuwerden: Unterlegt von teils neuen, teils bekannten Beats und Samples wagt sich der Maestro ins Rap Genre vor. Mal humorvoll, mal messerscharf könnte man Gonzo ein in Teilen gelungenes, aber auch mal gewöhnungsbedürftiges Experiment auf unbekanntem Terrain eines gestandenen Künstlers nennen, der erstmal niemanden etwas schuldig ist und auch nichts mehr zu beweisen hat. In seiner Rap-Persona wechselt Gonzales Perspektiven und Sprache wie es ihm gerade passt und legt ein weiteres Zeugnis ab für sein herausragendes Talent als Komponist und seinen guten Ruf als kreatives Chamäleon.

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