Von ihrem eigenen Schaffen ausgehend, tritt die Autorin Fernanda Trías in Dialog mit den Gedanken von Walter Gropius über Kunst, Architektur und die Arbeit von Handwerkern.
„Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück!“ (Walter Gropius)
Eine Zeitlang musste ich mich jedes Mal fremdschämen, wenn ein Schriftsteller seine Bücher als „meine Literatur“ bezeichnete. „In meiner Literatur erkunde ich die Idee vom Verwaistsein“, mochte der betreffende Schriftsteller dann sagen, wobei ich hörte: „in Meiner Literatur“. Es klang, als wäre die Literatur etwas, was man besitzen kann: Da waren die, die Literatur hatten, und die, die offensichtlich keine hatten, genauso wie andere sagen konnten „mein Rolls-Royce“. Ich dagegen sagte „mein Schreiben“ und senkte dabei immer die Stimme. Mir knirschten auch die Zähne, wenn ein Schriftstellerkollege von „meiner Arbeit“ sprach. Ich dagegen sagte „mein Handwerk“. Wie kompliziert die Wörter waren und wie viel wir durch unsere Wortwahl über uns selbst sagen konnten! Schon damals begann ich zu begreifen, dass es keine harmlosen Wörter gibt. „Meine Arbeit“ zu sagen, schien zu bedeuten, von der Professionalisierung der Kunst zu sprechen, die Walter Gropius in seinem Manifest kritisiert. Ich ging in eine Schreibwerkstatt und lernte dort einiges, aber nicht wie eine Universitätsstudentin, sondern wie der „junge Mensch, der Liebe zur bildnerischen Tätigkeit in sich verspürt“ und „wie einst seine Bahn damit beginnt, ein Handwerk zu erlernen“. Das brachte mich zum Nachdenken: Warum sprach ich so? Vielleicht fehlte es mir an Selbstvertrauen. Vielleicht setzte ich mein eigenes Schreiben dadurch herab, dass ich diese Wörter wählte. Aber wenn es so war, betrachtete ich dadurch nicht wiederum das „Handwerk“ als etwas Minderwertiges, als kindliches Treiben im Vergleich zur ernsthaften und ehrwürdigen „Arbeit“, und die „Literatur“ als etwas Höherwertiges, die Ehrerbietung verdient im Vergleich zum einfachen Schreiben? Wieder schämte ich mich, diesmal für meine eigenen Werturteile. Wie schön wäre es gewesen, ein neutrales Wort zu finden, eines, das nicht mit all den Konzepten von der Kunst als etwas Erlesenem einhergeht und dem Handwerk als etwas Bescheidenem, Einfachem, etwas, was die Frauen zu Hause verrichten, wie Sticken oder gute Klöße kochen.
In meiner Vorstellung war es, als besäßen diese Schriftsteller die Macht der Alchemie, als verwandelten sich ihre Worte unmittelbar in etwas Kostbares, etwas Sagenswertes. Bei meinem eigenen Schreiben lag mir dieses Empfinden hingegen sehr fern. Ich produzierte keine Wunderwerke, wie ein König Midas der Worte etwa, nichts brach aus mir hervor. Vielmehr baute ich mit den Wörtern, als wären sie Legosteine, fleißig, langsam, als fädelte ich Perlen zu einer sehr langen Halskette. Ich ging in etwa wie ein Architekt, vielleicht wie ein Maurer vor, was Gropius eine Welt von Menschen, die bauen, nannte.
Und die Inspiration? Mein Kopf empfing auch keine Ideen, sondern fand sie vielmehr. Bei der Übung, Wörter miteinander zu verketten, stieß ich manchmal auf eine Idee, einen Geistesblitz. Die Wörter verzahnten sich, um Bilder zu bauen, und mit ein wenig Glück stoben aus den Bildern Funken hervor, wie wenn zwei Steine aneinanderstoßen, und diese Funken verwandelten sich in Geschichten. Oft ereignete sich meine Begegnung mit den Ideen überraschend, wie eine unerwartete Folge des langsamen Prozesses, Bausteine zusammenzufügen. Vielleicht fühlte ich mich deshalb nicht als Herrin der Literatur: So wie manche Kulturen sich dem Ackerbau widmeten, widmete ich mich dem Jagen und Sammeln. Bedeutete das dann, dass ich keine Ideen hatte? Für mich stand das Wort „Literatur“ in Verbindung mit „Kunstwerk“ und das Wort „Handwerk“ mit „Handarbeit“. Ich schrieb, bewegte die Finger über die Tastatur, manchmal benutzte ich sogar Stift und Papier. Womit denken wir, mit dem Kopf oder mit den Händen? Die Artikulation eines Wortes setzte die Hand in Bewegung, aber die Hand weckte einen alten Muskel, der auf eigenartige Weise mit der Phantasie verbunden ist, mit etwas Archaischerem, Authentischerem.
„Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker“, sagt Gropius, aber es mussten Jahre vergehen, damit der Gedanke vom Schreiben als Handwerk in mir andere Bedeutungen annahm. Das Handwerk stand nicht nur für einen Produktionsmodus, sondern auch für eine Haltung gegenüber dem Markt: Das Geschriebene, Ergebnis harter Arbeit, sollte nie homogen sein, nie eine Massenanfertigung. Dieser transaktionalen Macht beraubt erschreckten mich die Wörter nicht mehr so sehr. Ich konnte sie nun wie den Sand betrachten, mit dem wir als Kinder am Strand Burgen gebaut hatten. Und erinnerte mich, dass der Sand immer Überraschungen bereitgehalten hatte: eine vergrabene Muschel, einen verlorenen Ring.