(Nicht-)traditionelle Familien – Anna (37)  „Ich habe eine Familie und vier Männer. Jeder gibt mir etwas anderes.“

Anna (37) Foto: © Daniel Ryba

Anna (37)* ist momentan in Elternzeit und lebt seit ihrem 23. Lebensjahr mit ihrem Mann in einer mittelgroßen Stadt. Sie haben zwei gemeinsame Kinder, halten sich selbst für liberal und christlich und wirken wie eine traditionell zusammengesetzte Familie. Doch Anna hat zudem eine große Libido und noch drei Liebhaber. Vielleicht sind wir einfach eine klassische Familie mit untreuer Ehefrau, sagt sie.

(Nicht-)traditionelle Familien in der Slowakei

Auch wenn viele das immer noch nicht wahrhaben wollen: Familie kann längst mehr bedeuten als Mutter-Vater-Kind(er). Davon zeugen auch drei sehr persönliche Gespräche mit Menschen, deren Familienleben nicht den „traditionellen“ Vorstellungen der slowakischen Gesellschaft entspricht. Das Gespräch mit Anna ist eines davon. Lest hier mehr über den gesellschaftlichen Hintergrund und die anderen Interviews:

Warum hast du außer deinem Mann noch drei Liebhaber?

Mein Mann ist ein großartiger Partner und Vater, ein wirklich wunderbarer Mensch. Aber es ist so, dass unsere sexuellen Bedürfnisse völlig unterschiedlich sind. Wir haben Phasen der Frustration durchgemacht, in denen ich mich auf den Boden geschmissen habe und die gesamte Atmosphäre in der Familie sehr angespannt war.

Dann habe ich das auf meine eigene Art und Weise geregelt und zu Hause kehrte Frieden ein. Jeder meiner vier Männer bietet mir etwas anderes. Ich habe die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse ausgelagert.

Ist das nicht organisatorisch äußerst schwierig?

Tja, das Management ist nicht einfach. Es ist auch umso komplizierter, weil sie voneinander nichts wissen.

Ich habe zu jedem dieser drei Liebhaber eine andere Form der Beziehung. Mit einem mehr emotional, mit einem anderen eher freundschaftlich. Aber in allen Fällen ist es eine tiefere Beziehung.“

Dein Mann weiß davon?

Nein. Er fragt aber nicht viel. Ich sage ihm zum Beispiel, dass ich zu einer Freundin gehe. Und es war wirklich Schicksal, dass ich die drei kennengelernt habe, bei jedem anders. Jeder ist anders und für unterschiedliche Sachen.

Was meinst du mit „jeder ist für unterschiedliche Sachen“?

Ich habe zu jedem dieser drei Liebhaber eine andere Form der Beziehung. Mit einem mehr emotional, mit einem anderen eher freundschaftlich. Aber in allen Fällen ist es eine tiefere Beziehung.

Kannst ein wenig über jede deiner Außenbeziehungen erzählen?

Mann Nummer eins hat mich online kontaktiert. Wir schrieben ununterbrochen Textnachrichten und verstanden uns auf Anhieb. Da war viel Humor zwischen uns, aber auch Erregung oder körperliche Spannung. Später fanden wir heraus, dass wir beruflich schon vor vier Jahren per E-Mail in Kontakt gewesen sind. Er ist der beste Liebhaber, den ich je hatte, der Sex mit ihm ist sehr animalisch. Gleichzeitig ist er aber auch ein wunderbarer Mensch und Freund. Er steht über den Dingen und hilft mir sehr, wenn ich in einer Krise stecke.

Auf Mann Nummer zwei bin ich vollkommen zufällig gestoßen, auch online. Wir stellten fest, dass wir Arbeitskollegen sind. Ich habe ganz klassisch die Sex-Karte gespielt, aber er hat von Anfang an auch Emotionen ins Spiel gebracht. Das hat mich zuerst überrascht, aber jetzt fühle ich mich sehr wohl damit. In gewisser Weise ist er für mich eher ein Kumpel als ein Liebhaber. Er ist gefühlvoll, körperbetont, kann gut küssen und der Sex mit ihm ist auch toll.

Wir verbringen auch sonst Zeit miteinander, machen beispielsweise am Wochenende mal gemeinsam Skilanglauf. Ihn stört es auch, wenn ich mit meinem Mann schlafe. Es ist eine schwierige Gratwanderung, weil er mich ganz und mit allem Drum und Dran will und zwar für immer. Er ist sieben Jahre älter als ich, genau wie Nummer eins. Mein Mann ist genauso alt wie ich.

Mann Nummer drei ist jünger als ich. Er ist mein Coach, mit dem ich angefangen habe zu schreiben. Ich habe hier und da mit ihm geflirtet, aber mehr aus Spaß. Ich habe ihn als jungen Burschen gesehen. Er ist so ein durchtrainierter Typ, ein perfekter Körper aus dem Fitness-Studio. Ich kann nicht einmal genau sagen, wie dass passierte, dass unsere Gespräche aus dem Ruder gelaufen sind. Er war plötzlich völlig verknallt in mich. Lauter Nachrichten, Herzchen, er sagte, wir seien Seelenverwandte, er nennt mich „Liebling“. Es ist wild mit ihm, wie in der Pubertät, hach!

Ich bin zu achtzig Prozent zufrieden und überlege, ob ich wegen der zwanzig Prozent etwas ändern muss.“

Wie ist es dazu gekommen, dass du überhaupt mit Mann Nummer eins etwas angefangen hast?

Ich habe mich generell für diese Möglichkeiten geöffnet, nachdem ich eine Fehlgeburt hatte. Das hat mich total umgehauen. Im nächsten Monat wurde ich zwar wieder schwanger, aber ich glaubte nicht daran, dass es klappen würde. Deshalb bin ich damals auf diese Gedanken gekommen. Dann hatte ich eine Babypause von etwa einem Jahr.

Diese „Gedanken" waren noch andere Männer?

Ja, aber es ging nicht direkt um Sex. Ansonsten ist mir bei diesen drei später aufgefallen, dass sie alle zur Exklusivität neigen. Daran war ich nie gewöhnt.

Interessant. Jeder hat eine Frau zu Hause, aber jeder wünscht sich Exklusivität.

Ihre Ehefrauen zählen nicht.

Ist allen dreien klar, in welcher Situation du bist und dass du keinen zweiten Ehemann suchst?

Mann Nummer eins sagt, er würde seine Frau nie im Leben verlassen, da ist es klar. Mann Nummer zwei ist zwar verheiratet, aber langfristig werden er und seine Frau wohl nicht zusammen bleiben. Wenn ich signalisieren würde, dass ich mehr von ihm will, dann würde er sein Leben sofort ändern. Ich sage nicht, dass ich nicht darüber nachdenke, aber wir haben beschlossen, uns vorerst nicht zu definieren und der Beziehung freien Lauf zu lassen.

Also bist du nicht ganz glücklich in deiner Ehe?

Ich weiß nicht, ich sehe das ganz pragmatisch. Ich bin zu achtzig Prozent zufrieden und überlege, ob ich wegen der zwanzig Prozent etwas ändern muss. Aber die emotionale Karte ist in diesem Fall sehr verlockend. Man hat das Gefühl, dass man ein neues Abenteuer beginnen könnte. Auf der anderen Seite wäre ich bei ihm an einer ganz kurzen Leine!

Kommen wir noch einmal auf deine Familie zu sprechen. Wie funktioniert ihr zusammen? Und hast du Zeit für die Kinder?

Mein Mann und ich sind immer zu Hause, wir gehen nicht ins Büro, wir machen Home Office. Ich bin offiziell in Elternzeit, habe aber nebenbei noch Arbeitsprojekte. Wenn ich also einmal die Woche abends weggehe, ist das in Ordnung.

Wie oft triffst du deine Liebhaber?

Mann Nummer eins habe ich schon eine Weile nicht mehr gesehen, da er wegen des Lockdowns nicht viel Gelegenheit hatte, aus dem Haus zu kommen. Aber vorher haben wir uns etwa einmal pro Woche getroffen. Jetzt treffe ich öfter Mann Nummer zwei. Und Mann Nummer drei sehe ich tagsüber, zum Beispiel wenn wir Schreib-Coaching machen. Da alle drei verheiratet sind, müssen sie sich das auch organisieren.

Ich habe nie Gewissensbisse gehabt, ich habe keine Angst, dass alles platzen könnte. Und ich habe keine Angst davor, was passieren würde, wenn es platzt.“

Wie kommst du emotional damit zurecht?

Auf der einen Seite ganz pragmatisch, auf der anderen Seite schöpfe ich daraus das, was ich brauche.

Was du die andere Seite genannt hast, ist eigentlich auch nur Pragmatismus, oder nicht?

Dann nur pragmatisch. (lacht) Mir ging es hauptsächlich um Sex. Die emotionale Komponente war eine angenehme Überraschung, also genieße ich das. Und deshalb dreht sich ab und zu das Gedankenkarussell in meinem Kopf. Ich frage mich, ob es in meinem Alter und in diesem Lebensabschnitt noch möglich ist, sich richtig zu verlieben und all das mit Leib und Seele zu erleben.

Du scheinst die Antwort auf diese Frage gefunden zu haben. Was ist mit deiner Libido? Ist sie jetzt befriedigt?

Ich glaube schon. Mein Mann ist furchtbar konservativ. Alle meine Ideen waren eine unglaubliche Belastung für ihn. Ich glaube, er ist jetzt glücklich.

Hast du Gewissensbisse oder Angst, dass das Ganze platzen könnte?

Ganz und gar nicht. Ich habe nie Gewissensbisse gehabt, ich habe keine Angst, dass alles platzen könnte. Und ich habe keine Angst davor, was passieren würde, wenn es platzt.

Weiß noch jemand davon?

Ich habe Freundinnen, die davon wissen. Eigentlich recht viele. Es gibt aber keinen Mann, der davon weiß, außer dir natürlich.

Bist du glücklich?

Ja, jetzt bin ich sehr zufrieden und glücklich. Ich habe nun alles, was mir gefehlt hat und weshalb ich so frustriert war. Ich weiß nicht, wie lange das so bleibt, aber ich genieße die Gegenwart.
 

*Anna heißt eigentlich anders. Sie möchte aus verständlichen Gründen anonym bleiben. Die Redaktion kennt die Identität der Interviewten.

Das könnte auch von Interesse sein

Failed to retrieve recommended articles. Please try again.

Empfehlungen der Redaktion

Failed to retrieve articles. Please try again.

Meistgelesen

Failed to retrieve articles. Please try again.