Konsumräume für Drogenkonsument*innen  Das größte Problem ist die Scham

Drogenkonsumraum in Paris
Drogenkonsumraum in Paris Foto: © Victor Detrez | Gaïa-Paris

Wie Studien seit langem zeigen, trägt der betreute Drogenkonsum dazu bei, die Risiken des problematischen Gebrauchs illegaler Substanzen zu verringern. Dort, wo Konsumräume eingerichtet werden, sinkt sowohl die Kriminalität als auch die Zahl der Personen, die in der Öffentlichkeit Drogen konsumieren. Wir haben uns angeschaut, wie die Praxis in Brno und Paris aussieht.

In Brno steht in der Plynárenska ulica regelmäßig ein Krankenwagen. Immer an derselben Stelle auf einem kleinen Parkplatz vor dem Wertstoffhof und immer um die gleiche Zeit, vier Stunden lang, von zwei bis sechs Uhr nachmittags. Brauchen die Bewohner des Wohnblocks auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Hilfe von Rettungskräften so oft und regelmäßig? Nein.

Es handelt sich um ein neues Projekt der gemeinnützigen Organisation Podané ruce (etwa: Helfende Hände). Der Krankenwagen ist in Wirklichkeit ein Drogenkonsumraum, der erste seiner Art nicht nur in der Tschechischen Republik, sondern in ganz Mittelosteuropa, in dem sich Männer und Frauen in einer sicheren und hygienischen Umgebung Drogen injizieren können. Ende September 2023 wurde dieser Krankenwagen in der bereits erwähnten Straße an der Grenze zwischen den Stadtteilen Brno-Mitte und Brno-Nord in Betrieb genommen.

Der zum Konsumraummobil umgebaute Krankenwagen und das Kontakt- und Beratungsmobil nebeneinander bei einem Einsatz auf dem Parkplatz des Wertstoffhofes Der zum Konsumraummobil umgebaute Krankenwagen und das Kontakt- und Beratungsmobil nebeneinander bei einem Einsatz auf dem Parkplatz des Wertstoffhofes | Foto: © Žofia Buchalová Von außen unterscheidet sich das Auto von anderen Krankenwagen mit tief orange-gelber Farbe nur durch die Aufkleber mit dem Logo der Organisation Podané ruce. Das Innere wurde jedoch zu einer mobilen Krankenstation umgebaut. Die Konsumräume sind Teil des Harm Reduction (HR) Ansatzes, der darauf abzielt, gesundheitliche Schäden bei Drogenkonsumenten, die noch nicht clean bleiben können oder wollen, zu minimieren.

Das Innere des zum mobilen Konsumraum umgebauten Krankenwagens in Brno. Das Innere des zum mobilen Konsumraum umgebauten Krankenwagens in Brno | Foto: © Žofia Buchalová

(Il)legal

Dem ersten Einsatz des mobilen Konsumraums vor Ort gingen zahlreiche Studien, Recherchen und Treffen mit Vertreter*innen des Stadtbezirks voraus. Drogenkonsumräume gibt es in vielen Ländern auf der ganzen Welt. Die Drogenpolitik dieser Länder ist jedoch unterschiedlich, und es sollte auch bedacht werden, dass die Drogenszene eines jeden Landes jeweils ihre eigenen Besonderheiten aufweist.

„Rechtlich gesehen befinden wir uns in unserem mitteleuropäischen Kontext in einer Grauzone“, sagt Petr Blažek, der Leiter der Abteilung für professionelle Dienstleistungen von Podané ruce in der Region Südmähren und zuckt mit den Schultern. Besonders wichtig ist es ihm, klarzustellen, dass der Konsumraum kein grünes Licht für den Drogenkonsum gibt. „Es handelt sich nicht um eine Einladung, und die Mitarbeiter*innen von Podané ruce geben keine Suchtmittel aus. Wir ermutigen niemanden zum Spritzen. Wir gehen von der Tatsache aus, dass dies sowieso gemacht werden würde“, erklärt Blažek.

Die meisten Klienten und Klientinnen der Organisation Podané ruce sind Menschen aus ausgegrenzten Gemeinschaften, sozial Benachteiligte, oft Obdachlose. Ihre Drogen konsumieren sie an öffentlichen Orten, worauf die Öffentlichkeit dann wiederum empört reagiert. Vor allem in den wärmeren Monaten werden gebrauchte Spritzen und andere Materialien in Parks liegen gelassen. „Genau das wollen wir ändern. Wir wollen nicht nur mit den Drogengebrauchenden in Kontakt treten, sondern auch dazu beitragen, ein sichereres Umfeld für alle zu schaffen. Wenn sich also schon jemand spritzen will, soll er das wenigstens in einer sicheren Umgebung tun können“, erklärt Blažek den Zweck des Konsumraums.

Wie funktioniert das Ganze?

Die Konsumräume werden in Gegenden eingerichtet, an denen sich Drogenkonsument*innen am ehesten aufhalten. Es gibt zwei Arten: mobile Konsumräume, wie der Krankenwagen in Brno, und stationäre. Manchmal bieten sie gleich mehrere Dienstleistungen auf einmal an: Vom Austausch des Materials, das zur Anwendung der Droge gebraucht wird, über Sozial- oder Gesundheitsberatung bis hin zur Möglichkeit, die Substanzen, mit denen der Klient oder die Klientin dort ankommt, auf sicherere Art und Weise zu konsumieren. Die genauen Regeln werden von den einrichtenden Organisationen individuell festgelegt und an die Möglichkeiten und Bedürfnisse des jeweiligen Standorts angepasst.

Podané ruce ist seit den 1990er Jahren in der Region Südmähren tätig und die Organisation hat im Laufe der Jahre umfangreiche Informationen über die Drogenszene von Brno zusammengetragen. Den Drogenkonsument*innen helfen die „Helfenden Hände“ in der Kontaktstelle (Káček) und durch mobile Kontaktangebote. Sie bieten Beratung in verschiedenen Bereichen, den Austausch von Spritzen und medizinischen Materialien, Prävention und Tests zur Erkennung von Krankheiten, die der intravenöse Konsum verursachen kann. Bei einigen dieser Dienste arbeiten sie mit über 1000 Konsument*innen.

Nach aktuellen Schätzungen gibt es in Brno 2200 regelmäßig injizierende Drogengebrauchende. Etwa 1900 von ihnen konsumieren Methamphetamin (Crystal Meth) als Hauptdroge und bei etwa 400 sind es Opioide.

Während der Planung, welche Dienste das Drogenkonsummobil anbieten könnte, befragten die Mitarbeiter*innen von Podané ruce die Klient*innen direkt, was sie motivieren würde, den Krankenwagen zu nutzen, und was sie davon abhalten würde. Auch bezüglich der Ausstattung und Innengestaltung berieten sie sich mit Peer-Workern [Menschen mit Drogenerfahrung, die durch das Erzählen ihrer Geschichte anderen helfen, ihre Sucht zu bekämpfen, Anm. d. Red.].

Blažek fügt hinzu, dass die gute Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister des Stadtteils, in dem sie tätig sind, entscheidend für das Projekt war. „Wichtig ist das pragmatische Verhalten der Politiker, also ob sie wirklich versuchen, den Bezirk für alle sicherer zu machen. Martin Maleček, der Bürgermeister von Brno-Nord, hat lange darüber nachgedacht, wie man das machen könnte. Er war auch an unserer Meinung interessiert und hat aktiv mit uns an der Planung des gesamten Projekts für den Konsumraum zusammengearbeitet, dessen Arbeit und Funktionsweise wir weiterhin gemeinsam laufend evaluieren“, lobt Blažek das Engagement des Bürgermeisters.

Starke Stigmatisierung, Angst und Scham

Das Konzept eines Ortes, an dem eine Person unter Aufsicht ein illegales Suchtmittel konsumieren kann, ist bei Politiker*innen und in der Öffentlichkeit umstritten, aber es hat sich zudem auch herausgestellt, dass sich auch die Drogengebrauchenden selbst nur langsam und schwer an das Angebot gewöhnen können. In den ersten drei Monaten nach der Inbetriebnahme des Drogenkonsummobils wurde es 29 Mal genutzt. Man hatte mit doppelt so hohen Zahlen gerechnet.

Petr Blažek und Žofia Buchalová, die Koordinatorin des mobilen Konsumraums, sind sich einig, dass das Misstrauen der Klienten und Klientinnen viel größer war als erwartet. „Die große Mehrheit ist überrascht und misstrauisch. Bei Klient*innen, die zur Ethnie der Roma gehören, sind die Zweifel am größten, weil sie weniger Vertrauen in uns haben“, so Buchalová und sie fügt hinzu, dass Crystal-Meth-Konsument*innen aus der Mehrheitsgesellschaft dem Angebot gegenüber offener sei. Sie sind es, die bisher mehr als die Hälfte der Nutzer*innen ausmachen. In der Wirklichkeit sei es genau andersherum. Da machen Roma die Mehrheit der Konsument*innen aus.

Der risikoreichste, das heißt der injizierende Drogenkonsum, findet in abgelegenen Gegenden statt. Die Plynárenská ulica, in der der Rettungswagen immer steht, sowie die umliegenden Straßen Bratislavská, Cejl und Francúzska sind bei den Einheimischen wegen der zunehmenden Kriminalität und den dort tätigen Sexarbeiter*innen oder gerade den Drogengebrauchenden berüchtigt. Wenn sie die Wahl haben, meiden viele Einwohner*innen diesen Teil der Stadt. Dort wohnt ein großer Teil der in Brno lebenden Roma. Die Art und Weise, wie über das Viertel gesprochen, und das Bild, das seit Jahren davon gezeichnet wird, haben möglicherweise dazu geführt, dass die Roma ein Gefühl der Minderwertigkeit entwickelt haben. Dies würde zum Teil erklären, warum es ihnen schwerfällt, Hilfe anzunehmen oder auch nur an aufrichtiges Interesse zu glauben.

Buchalová gibt zu, dass man angenommen hatte, das Vertrauen der Klienten und Klientinnen in das neue Angebot durch die „bewährten Qualitätsmarke“ der Organisation leichter gewinnen zu können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Podané ruce sind schon seit Jahren in der Gegend tätig. Die Annahme ist aber bisher leider nicht eingetreten. Noch nicht.

„Meinen Beobachtungen zufolge ist das größte Problem die Scham. Sie schämen sich dafür, dass sie Drogen konsumieren. Es fällt ihnen schwer, etwas so Intimes offen mitzuteilen“, meint Buchalová. Sie erklärt, dass sie die Klient*innen dann oft in der Gegend sieht oder wie sie aus der Beratungsstelle herauskommen. Sie nutzen zum Beispiel das Angebot, Konsumutensilien auszutauschen, nicht aber den mobilen Konsumraum.

Blažek fügt hinzu, dass auch der Verlust der Anonymität ein Grund sein kann, der die Klient*innen von der Nutzung des Konsumraums abschreckt. „Sie müssen uns etwas über sich selbst erzählen, zumindest in welchem Kontext sie sich befinden. Und genau damit haben sie oft ein Problem“, erklärt er. Denn die Mitarbeiter*innen vor Ort müssen die Menschen, mit denen sie in Kontakt kommen, zumindest ein wenig kennen lernen, um sicherzustellen, dass die Nutzung des Angebots für beide Seiten auf sichere Art und Weise erfolgen kann.

Überraschende Reaktion der Öffentlichkeit

Die Befürchtungen, dass es Proteste oder eine Flut von Beschwerden über den zum mobilen Konsumraum umgebauten Rettungswagen geben könnte, haben sich jedoch nicht bewahrheitet. „Das war eine angenehme Überraschung“, sind sich Buchalová und Blažek einig. Die Leute bleiben stehen, um zu sehen, was da drinnen vor sich geht. Meistens sind sie aber nicht zu aufdringlich. „Seit wir angefangen haben, hatte ich vielleicht zwei oder drei Beschwerden. Anwohner sind zu dem Auto gegangen, in dem die Mitarbeiter Spritzen verteilen, und sie fanden es nicht so gut, dass wir mit mehreren Autos da standen“, sagt Buchalová, aber gibt sich dabei dennoch optimistisch.

Manchmal sammeln die „Außendienstler*innen“ während der Angebotszeiten gebrauchte Spritzen und anderen Müll in der Nachbarschaft ein. Die Projektkoordinatorin erklärt, dies sei ein Versuch, den Bedürfnissen der Anwohner*innen entgegenzukommen und zu verhindern, dass „Spuren“ des Konsumraummobils zurückbleiben. So sieht die Öffentlichkeit, dass man sich keine Sorgen machen muss, dass das Angebot noch mehr „unerwünschte“ Drogensüchtige anlockt oder noch mehr Dreck und Abfälle im Viertel verursacht.

Studien bestätigen eindeutig die Sinnhaftigkeit

Der erste Raum für sicheren und hygienischen Konsum von injizierenden Drogengebrauchenden wurde in den 1980er Jahren in Bern (Schweiz) eingerichtet. Seither sind in 13 europäischen Ländern sowie in Kanada, den Vereinigten Staaten und Australien Dutzende weiterer Räume entstanden.

Sie werden von Organisationen wie der WHO, UNAIDS (Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids), der EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) und dem ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) als wirksame Methode zur Verringerung der Risiken des Drogenkonsums empfohlen.
  Den bisher veröffentlichten Studien zufolge haben die Konsumräume in verschiedenerlei Hinsicht eine sichtbar positive Wirkung. An den Standorten, an denen sie eingerichtet wurden, konsumieren deutlich weniger Menschen Drogen in der Öffentlichkeit. Auch die Menge der herumliegenden gebrauchten Spritzen ist zurückgegangen. Die Ergebnisse zeigen auch einen Rückgang von Überdosierungen oder der Kriminalität in den Gebieten mit Konsumräumen. Laut einem Bericht der EBDD trägt der überwachte Konsum zu einer Verringerung riskanter Injektionspraktiken wie beispielsweise der gemeinsamen Nutzung von Spritzen bei.

Es gibt noch keine Studie, die negative Auswirkungen von Konsumräumen auf die Konsument*innen oder die Öffentlichkeit festgestellt hätte. Wie die EBDD jedoch in ihrem Bericht anführt, ist es bei einigen Parametern schwierig, die positiven Auswirkungen der Drogenkonsumräume selbst von anderen, daneben bestehenden Hilfsangeboten zu trennen. Dazu gehören zum Beispiel die Ausgabe von sauberen Injektionsmaterialien oder Tests auf HIV und andere Krankheiten.

Frankreich: Nach vielversprechendem Start Unsicherheit und ungewisse Zukunft

Zwei der europäischen Konsumräume befinden sich in Frankreich, und zwar in Paris und Straßburg. Wie bereits zu Beginn des Textes erwähnt, ist es stark von der Rechtslage und den Gesetzgeber*innen der jeweiligen Länder abhängig, ob und wie Drogenkonsumräume eingerichtet werden können. Auch die Mitarbeiter*innen der Organisation Podané ruce erwähnten die Notwendigkeit einer gewissen politischen Unterstützung für die Umsetzung des Projekts in Brno.

Da Beispiele aus der Praxis den positiven Nutzen von Konsumräumen für die Drogengebrauchenden und ihr Umfeld gezeigt haben, stehen auch Politikerinnen und Politiker in verschiedenen Ländern dieser Lösung inzwischen offen gegenüber. Die französischen Gesetzgeber*innen genehmigten 2016 die Konsumräume für eine sechsjährige Testphase. Mit der Unterstützung von damaligen Vertreter*innen der beiden Städte wurden die Räume in Paris und Straßburg eingerichtet.

Während des Versuchszeitraums bewertete eine unabhängige Forschungsagentur in regelmäßigen Abständen die Auswirkungen des neuen Angebots. „Ein Teil der Evaluierung bestand darin, die Städte, in denen die Räume eröffnet wurden, mit Bordeaux und Lille zu vergleichen, wo dies erst in Erwägung gezogen wird. Das Ziel war es, herauszufinden, ob und welchen Unterschied der Betrieb dieser Konsumräume macht“, erklärt Victor Detrez, stellvertretender Direktor der Organisation Gaïa-Paris, die den Konsumraum in der französischen Hauptstadt betreibt. Das Ergebnis der Bewertung ist ein dreiseitiges Dokument, dessen Schlussfolgerungen laut Detrez sehr positiv sind.

Die meisten Klient*innen kommen täglich

Die Mitarbeiter*innen von Gaïa-Paris bieten ihre Dienste in der Nähe des Gare du Nord an, dem verkehrsreichsten Bahnhof der Metropole. „Dieses Viertel ist für seine offene Drogenszene bekannt. Die Menschen hier konsumieren täglich in der Öffentlichkeit. Deshalb gibt es außer uns in dieser Gegend noch andere Programme zur Reduzierung des mit dem Drogenkonsum verbundenen Risikos“, erklärt Detrez.

Im Gegensatz zu Brno ist der Pariser Konsumraum aber nicht mobil. Es handelt sich um ein Gebäude, in dem die Konsument*innen der Drogen auch medizinische oder soziale Unterstützung erhalten können. Es gibt hier drei separate Räume und eine Art Empfangsbereich, wo ein erstes Gespräch mit dem Klienten oder der Klientin geführt wird, bevor die Person im System erfasst wird.

Zusätzlich zu diesem Gespräch füllt der Klient oder die Klientin beim ersten Besuch einen Fragebogen aus. „Wir versuchen, die jeweilige soziale Situation zu verstehen, zum Beispiel, ob sich die Person legal in Frankreich aufhält, ob er oder sie eine Wohnung hat und versichert ist. Außerdem interessieren wir uns dafür, ob die Drogengebrauchenden gesundheitliche Probleme haben, ob schon einmal Tests durchgeführt wurden, wie oft und was sie konsumieren“, sagt Detrez und nennt Beispiele für Fragen aus dem Fragebogen. Die erste Registrierung nimmt relativ viel Zeit in Anspruch, aber bei jedem weiteren Besuch melden sich die Klient*innen einfach an.

Im zweiten Raum findet der eigentliche Konsum statt. Die Tische sind in zwölf Plätze unterteilt, an denen jeweils sauberes Injektionsmaterial liegt. Detrez weist darauf hin, dass jeder und jede bei der Ankunft zeigen muss, mit welchen Substanzen er oder sie gekommen ist. Den Klient*innen ist es nicht gestattet, vor Ort mit Drogen zu handeln, so dass diejenigen, die ohne eigene Dosis herkommen, nicht eingelassen werden. Der dritte Teil ist ein Bereich, in dem sich die Konsument*innen hinterher noch einige Zeit aufhalten können. Hier können sie auch Kontakt zu Sozialarbeiter*innen oder medizinischem Personal aufnehmen und, wenn sie wollen, mit deren Hilfe anfangen, ihre Probleme zu lösen.
 
Plätze für den Drogenkonsum im Pariser Konsumraum nahe des Gare du Nord

Plätze für den Drogenkonsum im Pariser Konsumraum nahe des Gare du Nord | Foto: © Victor Detrez | Gaïa-Paris

Der Drogenkonsumraum in Paris ist täglich von morgens bis abends geöffnet. Täglich nutzen etwa 230 injizierende Drogengebrauchende das Angebot. „Ein großer Teil kommt mehrmals pro Woche, wir kennen sie also schon. Wir haben etwas mehr als 300 neue Registrierungen pro Jahr“, sagt Detrez und fügt im gleichen Atemzug hinzu, dass das Interesse am Konsumraum von Anfang an groß war. Gaïa-Paris ist seit fast 20 Jahren in der Gegend tätig, so dass die lokalen Drogenkonsument*innen die Organisation bereits gut kennen.

Was Brno versucht, funktionierte in Paris von Anfang an

Verständlicherweise gibt es in einer so großen Stadt wie Paris ein Vielfaches an Drogenkonsument*innen im Vergleich zu Brno. Interessant ist eher die Tatsache, dass das Misstrauen der Klient*innen gegenüber Podané ruce nur langsam verschwindet, während Gaïa-Paris dieses Problem nicht einmal zu Beginn hatte.

Es ist schwer zu sagen, woran das liegt. Vielleicht ist es das Gefühl der größeren Anonymität, das eine Großstadt bietet. Oder der Unterschied zwischen einem mobilen Anwendungsraum, in dem der Klient oder die Klientin allein ist und den man nach der Anwendung verlässt, und einem Gebäude, in dem es mehrere Räume gibt, in denen man sowohl Drogen konsumieren als auch Dienste und Angebote nutzen kann. Vielleicht trägt auch das allgemeine gesellschaftliche Umfeld und die Art und Weise, wie und ob in einem bestimmten Land überhaupt über Suchtprobleme gesprochen wird, dazu bei.

Detrez, aber auch Blažek und Buchalová von Podané ruce sagen, dass sie kein Problem mit massiver öffentlicher Ablehnung haben. „Es wird immer Menschen geben, die mit so einem Angebot nicht einverstanden sind. Leider werden diese Leute oft mehr gehört als die Mehrheit, die kein Problem damit hat. In den Jahren, seit wir in Paris tätig sind, haben die Menschen die Vorteile unserer Arbeit erkannt. In dem Gebiet, in dem wir tätig sind, gibt es deutlich weniger Drogenkonsum in der Öffentlichkeit“, so Detrez. Er fügt hinzu, dass sie auch von Mitarbeiter*innen des Gesundheits- und Sozialwesens Unterstützung erfahren.

Die sechsjährige Testphase für die Konsumräume in Frankreich ist beendet. Wie geht es weiter? „Der Abschlussbericht sollte das Ende der Evaluierungsphase bilden, und die Politiker sollten bis Ende 2022 entscheiden, wie die Gesetzgebung langfristig aussehen soll. Letztendlich wurde die endgültige Entscheidung auf Ende 2025 verschoben. Im Moment befinden wir uns also noch in der Versuchsphase, nur eben ohne Evaluierung“, sagt Detrez achselzuckend. Auf die Frage, ob die Räume Ende nächsten Jahres geschlossen werden könnten, antwortet er, alles sei möglich.

Bereitschaft zur Bekämpfung von Drogenabhängigkeit in der Slowakei am Gefrierpunkt

Was die Slowakei betrifft, so ist die Einrichtung eines Drogenkonsumraums bisher lediglich Utopie. Laut Dominika Jašeková, Direktorin der Bürgervereinigung Odyseus, die mit Drogenkonsument*innen arbeitet, sind einige Hindernisse zu überwinden. Einerseits müssten die Gesetze geändert werden, denn Drogenkonsum an sich ist zwar nicht strafbar, wohl aber der Besitz von Drogen jeglicher Art. Die Einrichtung eines Raums, in den eine Person Substanzen zum Konsum mitbringen kann, ist daher im derzeitigen Rechtsrahmen unmöglich.

„Andererseits ist es so, dass jegliche Angebote für Drogengebrauchende auf Ablehnung und Proteste stoßen. Das Phänomen ‚not in my backyard‘ ist in der Slowakei sehr präsent“, erklärt Jašeková. Viele Menschen sagen zwar, dass sie kein Problem mit Angeboten für Drogengebrauchende haben, aber sie wollen sie weder sehen noch hören.

Selbst wenn die oben genannten Hindernisse überwunden werden könnten, wird der Träger eines möglichen Konsumraumangebots bei der Finanzierung auf enorme Schwierigkeiten stoßen. In der Slowakei gibt es derzeit nur drei Vereine, die mit Drogenkonsument*innen arbeiten. Zwei in Bratislava und einer in Nitra. Es gab noch einige mehr, aber sie konnten sich finanziell nicht halten und verschwanden nach und nach.

Außerdem hat das Gesundheitsministerium, das eigentlich Partner sein sollte für die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in dem Bereich arbeiten, seit drei Jahren nicht mehr mit ihnen zusammengearbeitet. „Das Ministerium hat die Gelder zur Unterstützung von Anti-Drogen-Aktivitäten im Jahr 2020 gestrichen. Als Grund wurde die Corona-Pandemie genannt“, sagt Jašeková. Odyseus und die beiden anderen verbleibenden Vereine haben somit keine Unterstützung vom Staat für ihre Arbeit. „Wir kämpfen mit existenziellen Problemen. Wir versuchen, zumindest die Angebote, die wir bereits haben, aufrechtzuerhalten“, so Jašeková und sie fügt hinzu, dass für eine Ausweitung der Angebote einfach die Mittel fehlen.

Ein erster, wenn auch nur sehr kleiner Schritt zur Verbesserung der Situation des problematischen Drogenkonsums in der Slowakei könnte darin bestehen, das Interesse der Menschen für dieses Thema und dessen mögliche Lösungen zu wecken. Jašeková sieht zumindest bei der jüngeren Generation in diesem Bereich Fortschritte. Sie schätzt auch den Ansatz der Stadtverwaltung von Bratislava, die die Bürgervereinigung Odyseus und deren Aktivitäten in der Stadt unterstützt.

Perspectives_Logo Dieser Artikel erschien zuerst in der slowakischen Monatszeitschrift Kapitál, einer unserer Medienpartner für PERSPECTIVES – dem neuen Label für unabhängigen, konstruktiven, multiperspektivischen Journalismus. JÁDU setzt dieses von der EU co-finanzierte Projekt mit sechs weiteren Redaktionen aus Mittelosteuropa unter Federführung des Goethe-Instituts um. >>> Mehr über PERSPECTIVES

Das könnte auch von Interesse sein

Failed to retrieve recommended articles. Please try again.

Empfehlungen der Redaktion

Failed to retrieve articles. Please try again.

Meistgelesen

Failed to retrieve articles. Please try again.