Elektroautos  Leise Reise

Foto einer Elektro-Zapfsäule. Foto: Jakob Härter, CC BY-SA 2.0

Elektroautos fahren nicht nur emissionsfrei. Sie sind auch sehr leise. Doch neue Gesetze schreiben vor, dass Elektroautos künftig künstliche Geräusche von sich geben sollen. Ein schlechter Scherz? Mitnichten.

Ein typischer Kreisverkehr in der Großstadt: Autos brausen an den Passanten vorbei. Anwohner ziehen genervt die Fenster zu. Stinkende Auspuffe zielen auf Hunde- und Kindernasen. Doch plötzlich legt sich eine ungewohnte Stille über den Platz. Weiße Autos rollen auf den Ring, das Motordröhnen verklingt. Ein Kinderchor singt fast flüsternd den Depeche Mode-Song Enjoy the Silence. Und alle freuen sich.

Vor zwei Jahren strickte ein deutscher Automobilkonzern daraus einen Werbespot für seine E-Fahrzeuge. Ein bis dahin kaum beachteter Aspekt hat es längst auf die klassische Argumentationsliste für Elektromobilität geschafft: Elektroautos seien nicht nur nachhaltiger, sondern entlasten Umwelt und Städte auch mit ihrem niedrigen Geräuschpegel. Viele Fahrer, die auf Strom umgesattelt haben, empfinden das leise Dahingleiten in ihrem Fahrzeug als besonders angenehmen Nebeneffekt. Fragt man in Onlineforen für Fans von Elektroautos nach, möchte kaum jemand die Ruhe missen.

Gefährliche Stille oder Gewöhnungssache?

Dabei gibt es in der politischen Diskussion sogar das Anliegen, Elektroautos künstliche Geräusche zu verpassen. Sowohl die USA als auch die Europäische Union haben Gesetze erlassen, nach denen ab 2019 alle elektrischen Neuwagen Geräusche von sich geben sollen, wenn sie langsam oder rückwärts fahren. Die Idee dahinter: Die Menschen haben sich an Motorengeräusche gewöhnt, könnten sich nicht schnell genug auf stille Elektroautos einstellen und besonders Sehbehinderte würden einer erhöhten Gefahr im Straßenverkehr ausgesetzt.

Die Mitglieder der Facebook-Gruppen Tesla Model S und Tesla Enthusiasten D-A-CH halten das für Quatsch: „Viele moderne Verbrenner sind mit Schrittgeschwindigkeit oder sehr niedrigen Geschwindigkeiten nahezu genauso leise wie ein Elektroauto. Und bei höheren Geschwindigkeiten ist auch ein Elektroauto alles andere als geräuschlos. Viel Wind um nichts“, schreibt Phil. Jürgen meint: „Wenn alle Autos leiser werden, hört man die E-Autos auch viel besser. Abroll- und Windgeräusche reichen vollkommen aus.“ Matthias differenziert: „Wo man in der Tat etwas mehr aufpassen muss, ist zum Beispiel auf dem Parkplatz eines Supermarktes.“ Dort fahre man langsam und Menschen, die an ihrem Kofferraum stehen, etwas einladen und sich dann plötzlich umdrehen, würden einem schlichtweg vors Auto laufen. Die seien dann sind ganz erstaunt, weil sie das Auto nicht gehört haben. „Aber in aller Regel fahren auch Elektroautos auf den dafür vorgesehenen Straßen, und Fußgänger laufen auf den für sie vorgesehenen Gehwegen. In sofern gibt es nicht wirklich ein Problem“, so Matthias weiter. Einstimmiges Nicken in der Kommentarspalte.

Wer will, kann nachrüsten

Doch es gibt auch andere, in der Diskussion fast untergehende Stimmen, für die E-Auto und fetter Sound durchaus vereinbar sind – Alexander Preuß zum Beispiel. Er hat sich im Raum Hannover selbstständig gemacht und ist mit seiner Firma WrapEvolution inzwischen in der Autoumrüstung tätig. Seit anderthalb Jahren bietet er Dienstleistungen im Bereich Klang und Tuning an. Diese nehmen vor allem Besitzer konventioneller Autos in Anspruch. Etwa zwei Aufträge die Woche entfallen auf Soundtüfteleien an Verbrennern. Im letzten halben Jahr hat Alexander aber auch vier reine Elektrofahrzeuge klanglich umgerüstet, allesamt sportliche Teslas. Warum wollen deren Fahrer, dass ihre leisen Schlitten plötzlich Geräusche von sich geben? „Grundsätzlich geht es uns darum, den Autos ein schönes Motorgeräusch Richtung Sportwagen zu geben. Auch bei E-Autos geht es letztlich um den schönen Klang“, erklärt Alexander. „Meine Kunden fahren zwar Elektroauto und unterstützen die Idee der Nachhaltigkeit dahinter. So ein Tesla ist natürlich auch mit einer gewissen Leistung ausgerüstet. Die Fahrer sagen sich dann: Den grünen Gedanken find ich gut, aber auf Sound, Performance und Lifestyle will ich deshalb nicht verzichten.“

Alexander bietet jedem Kunden ein Repertoire an Standardsounds. Aus sieben vorprogrammierten Klangprofilen können sie sich ihren Favoriten aussuchen. „Erfahrungsgemäß ist das nicht immer der Lauteste. Die Fahrer bevorzugen meist ein angenehmes V8-Blubbern, also einen tiefen Ton, aber in einer humanen Lautstärke. Nicht wie der Ferrari, neben dem man nicht stehen und sich schon gar nicht unterhalten kann.“

Die Technik macht’s

Die Klangprofile werden bei den verschiedenen Fahrmodi hinterlegt. Je nachdem, ob das Auto zum Beispiel im Komfort-, Effizienz- oder Sport-Modus fährt, ertönt dann beim Fahren ein anderer Klang. Die Klangvariationen werden ins Auto programmiert und in den Steuergeräten vorspeichert. Dazu muss man nur einen Laptop an die Autosteuerung anschließen. „Dadurch kann sich unser System auch mit Daten aus dem Auto verbinden und weiß zum Beispiel die aktuelle Drehzahl.“ Der Sound wird dann unter anderem durch die Gaspedalstellung, Außentemperatur und Fahrgeschwindigkeit beeinflusst und passt sich so seinem Umfeld an. Ein kleiner Eingriff – mit großem Effekt.

Hörbar wird der neue Klang durch Zusatz-Module. Zum Einsatz kommt dabei ein so genannter Sound-Aktuator. Das muss man sich wie eine große Bassbox, also einen Lautsprecher vorstellen, die ins Auto eingebaut wird – wo genau ist laut Alexander egal, da das menschliche Ohr sowieso nicht verorten kann, wo so ein tiefer Sound her kommt. Wenn man das Auto anwirft, wird die Membran in der Bassbox durch die Luft in Schwingung versetzte und dadurch erzeugt die Bassbox dann einen tiefen Ton, der das Motorgeräusch simuliert. Um den noch etwas authentischer hinzubekommen, wird der Aktuator an die Fahrzeugelektronik angeschlossen.

Die Technik funktioniert also – und ist für entsprechende Gesetzgebungen bereit. Ob es immer ein fetter Motorsound sein muss und wird, ist allerdings fraglich. Die meisten können darauf scheinbar verzichten: Der Trend geht, auch in der öffentlichen Diskussion, in Richtung ruhigerer Innenstädte.

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