Möbel-Recycling  Werft keine alten Möbel weg

Tisch mit zwei verschiedenen alten Stühlen Foto: © Irena Dudová

Warum sollte man alte Möbel wegwerfen, wenn sie vielleicht noch jemand brauchen könnte? Ohnehin träumt nicht jeder von neuen Möbeln, manche wollen Sachen mit Patina. Dafür gibt es in Prag den Laden „Z pokoje do pokoje“ (etwa: Von einem Zimmer ins andere).

Wir treffen uns nicht in einem Zimmer. Wir gehen auch nicht in ein anderes. Wir sind verabredet im Café Jedna im Prager Messepalast, wo die jungen Frauen von Z pokoje do pokoje im vergangenen Winter eine Ecke der verglasten Räumlichkeiten mit einigen Tischen, einer Lampe und einem Blumenständer in einen kleinen, ungezwungenen Showroom umgestaltet haben, der als Leseecke dient. Während die kleinen Besucher fröhlich in der Kinderecke umherspringen und ihre Puppen und Spielzeugautos auf einem alten Stuhl ablegen, fragen die Erwachsenen, was das für ein komisches Möbelstück sei. Die Besucher waren von diesem Stuhl so begeistert, dass ihn der Café-Betreiber gar nicht mehr zurückgeben wollte.

Bára wartet bereits in einem Brüsseler Sessel auf mich. Eine junge Frau mit Pony und Matrosen-T-Shirt und einem Lächeln in den Augen. Sie hat ein Ästhetik-Studium absolviert, im wahrsten Sinne des Wortes. Begeistert erzählt sie vom Wochenende, als sie auf Schatzsuche auf dem Flohmarkt im Berliner Mauerpark unterwegs war. Zuzka und Tereza kommen wenig später. Sie haben noch eine Retro-Standlampe mit gelbem Schirm im Prager Stadtteil Prosek abgeholt, die sich schon nach kurzer Zeit so in ihre neue Umgebung einfügt, als habe sie nie woanders gestanden. Dann erscheint auch Petra. Sie arbeitet in der Zdrojovna, einem Prager Freeshop mit Kleidung, der in Tschechien das Bewusstsein für das Thema Recycling stärken möchte, und bereits vor einigen Jahren ein Projekt mit Möbeln durchgeführt hat: Mit Transportern wurden alte Möbelstücke von Menschen abgeholt, die sie loswerden wollten. Zuzka hat an einigen Abholaktionen teilgenommen, und so entstand die Verbindung zu Z pokoje do pokoje.

„Wenn es so etwas nicht gibt, mache ich das einfach selbst.“

„Höchstwahrscheinlich hatte jeder schonmal eine Ikea-Phase. Es gab Zeiten, in denen ich mir Bilder aus den Katalogen herausgeschnitten und mir dann Fantasie-Zimmer eingerichtet habe“, lacht Zuzka, Initiatorin und Motor des ganzen Projekts. Während eines Aufenthalts in Schweden wunderte sich Zuzka , wie viele Wohnungen in dem skandinavischen Land tatsächlich genauso aussehen, wie die im Katalog: „Einige Menschen leben in der Tat in vereinheitlichten Katalogwelten, oft fehlt ihnen der alltägliche menschliche Kontakt“, erinnert sie sich. Es gibt in Schweden jedoch auch seit den siebziger Jahren eine Tradition im Möbelverkauf aus zweiter Hand: Die Läden unterstützen eine gute Sache, aus dem Gewinn finanzieren sie den Betrieb.

In solchen Läden hat Zuzka viele Schnäppchen gemacht, mit denen sie ihre Wohnung originell einrichten konnte. Zurück in Tschechien gab es jedoch Probleme: „Es war schwierig, völlig banale Sachen, wie zwei Stühle und einen Tisch für den Balkon zu finden. Stundenlang habe ich im Internet gesucht. Vor der Vorstellung, Basare mit Massenware abzuklappern, hat mir gegraust“, sagt Zuzka. „Immer wieder habe ich mich gefragt: Wo ist der Ort, an dem ich Sachen finden kann, die mich ansprechen? Dann sagte ich mir: Wenn es so etwas nicht gibt, mache ich das einfach selbst.“ Geboren war die Idee, für die Zuzka sogar ihren Job in einer Personalvermittlung aufgegeben hat.
Zwei Frauen arbeiten an alten Möbeln. Foto: © Irena Dudová Tereza ist studierte Architektin. Als sie von dem Projekt erfuhr, wollte sie sofort mit von der Partie sein. Und mit Möbeln konnte sie auch gleich dienen: Ihr Dachboden war voll mit alten Sachen, die sie aus Slowenien hergeschafft hatte. Jetzt tragen sie die Sessel gemeinsam. Die anderen Mädels lachen, denn Tereza ist nicht nur eine ausgezeichnete Architektin, sondern macht auch regelmäßig Zirkeltraining. Drei Stühle auf einmal hochzuheben ist für sie kein Problem. Überstunden vor dem Computer und Stress hat sie eingetauscht gegen etwas, was ihr schon immer Spaß gemacht hat –alte Lampenschirme durch das nächtliche Ljubljana zu schleifen, um sie dann zur späteren Abholung im Gras zu verstecken. Mit ihrer Leidenschaft für alte Möbel und Retro-Sachen hat Tereza auch Familienmitglieder angesteckt. „Ich kontrolliere zum Beispiel immer wieder die Container bei meiner Oma, meine Tante lehnt es nämlich ab, Möbel im Keller zu lagern. Meine Oma ruft mich dann immer an, im Container sei ein Sessel ist und ich kommen sollte. o beschäftigen wir dann die ganze Familie“, lacht sie.

Die Gesetzgebung behindert die Wiederverwertung von Möbeln

Öko-Kindergärten, Balkongärten oder Kompostieren – das alles liege in Tschechien im Trend. Über Möbel oder das Vorbeugen von dieser Art von Abfall werde bisher noch zu wenig gesprochen, bedauert Petra. „Immer wieder hören wir, dass alte Möbel zerstückelt oder verbrannt werden, anstatt überflüssige Möbelstücke auf dem Dachboden zu lagern oder jemandem zu schenken“, bestätigt Zuzka. Das hat sie so aufgeregt, dass sie begann sich mit der Gesetzgebung zu beschäftigen. Denn die verhindere, dass alte Möbel in Umlauf bleiben: „Wenn man etwas auf den Recyclinghof bringt, dann gibt es kein Zurück. Sobald du etwas in den Container wirfst, ist es automatisch Eigentum der Abfallverwertungsgesellschaft. Und das, obwohl die Sachen reparierbar sind und sie wiederverwendet werden können“, erklärt Zuzka

Ende Oktober 2015 stellten die Mädchen beim Umweltministerium einen Antrag zur Förderung für ihre Möbelwerkstatt, deren wichtigstes Ziel das Recyceln von altem Möbel ist. Ende Februar erhielten sie die freudige Botschaft: Genehmigt! Zuvor hatten sie bereits einen ganzen Monat eine offene Werkstatt in den ehemaligen Räumen der Zdrojovna im Prager Stadtbezirk 7 betrieben. Den ganzen Februar über wurde geschliffen, geschmirgelt, gepolstert und abgestaubt. Passanten schauten durch die Schaufenster hinein. Sie wurden eingeladen zu Diskussionsabenden über ein abfallfreies Prag 7, konnten aber auch einfach nur eintreten und sich zum Beispiel „eine Spinne von Halabala“ oder einen „Nachttisch vom Herrn Parfümier“ kaufen.
Junge Frau bearbeitet alten Stuhl Foto: © Irena Dudová

Die Welt ist gar nicht so schlecht

Es gab auch einen Workshop zur Reparatur eigener Möbelstücke. Adam, ein junger Tischler, bot nicht nur seine Kenntnisse, sondern auch Werkzeug zum Ausleihen an. Viele begeisterte Laien wissen jetzt, wie man eine Schleifmaschine richtig hält, welche Arten von Schmirgelpapier es gibt und wie viele Lackschichten man auf einen Stuhl aufträgt. Und dass das Ganze gar nicht so einfach ist.

Es geht den jungen Frauen aber nicht nur um Recycling und Ökologie, sondern auch um eine Verbindung der jungen mit der alten Generation. „Solche Sessel hatte meine Oma und diesen Kronleuchter, den hatte früher doch jeder.“ Solche Geschichten erklingen in den Räumen von Z pokoje do pokoje immer wieder – von jungen und älteren Menschen, die ein ungebrauchtes Möbelstück oder einen verstaubten tschechoslowakischen Dessertteller vorbeibringen. „Vielleicht braucht das ja noch jemand“, sagen sie und sind erleichtert, wenn bei ihnen zu Hause nur ein Staubrand zurückbleibt.

Die jungen Frauen von Z pokoje do pokoje haben dann wieder das Gefühl, dass sie die Geschichte dieser Möbelstücke fortschreiben: die Tradition geht weiter, die Welt ist gar nicht so schlecht. Sie werden sich sicherlich nicht langweilen, bis sie neue Räumlichkeiten finden. Denn sie sind ständig auf der Jagd und auf der Suche, wie zum Beispiel Bára im Berliner Mauerpark. Und wohin es jetzt weiter geht ist ohnehin klar: von einem Zimmer in das andere.

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