Klimaangst  Der Klimawandel in unseren Köpfen

Picknick der Vereinigung Besorgte Mütter vor dem Sitz der slowakischen Regierung. Auf dem Transparent steht: „Ich habe eine Krise... eine Klimakrise“
Picknick der Vereinigung Besorgte Mütter vor dem Sitz der slowakischen Regierung. Auf dem Transparent steht: „Ich habe eine Krise... eine Klimakrise“ Foto: © archív OZ Znepokojené matky

Die Klimakrise hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Ökosysteme, sondern auch auf die psychische Gesundheit vieler, vor allem junger Menschen. Die Bedrohung ist real, doch es gibt Strategien, wie man der Klimaangst erfolgreich entgegentritt.

Die Tatsache, dass wir eine Klimakrise erleben, ist inzwischen unbestreitbar. Es gibt zwar immer noch Menschen, die den Klimawandel leugnen, aber die sind mittlerweile eher eine Lachnummer und auch ziemlich in der Minderheit. Den Klimawandel spüren wir nämlich fast täglich am eigenen Leib. Brände, Überschwemmungen, schnelle Übergänge von Sommer zu Winter... Das hat wohl jede*r inzwischen bemerkt. Expert*innen schlagen schon seit Jahrzehnten Alarm, aber gehandelt wird, wenn überhaupt, nur sehr langsam. In den letzten Jahren jedoch wurde mehr über die Klimakrise gesprochen, was aber erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit vieler Menschen hat. In der Psychologie taucht immer häufiger der Begriff der Klimaangst auf.

Frust und Trauer

„Noch ist das kein eindeutig festgelegter Begriff, aber wir sagen allgemein, dass Klimaangst verschiedene negative Emotionen wie Angst, Hoffnungslosigkeit, Schuldgefühle, Wut und Traurigkeit hervorruft. Diese stehen im Zusammenhang mit den direkten oder indirekten Auswirkungen des Klimawandels. Einige Expert*innen bevorzugen den Begriff Klimastress, der unterstreicht, dass die Klimakrise ein negativer Stressor für uns ist, da sie eine Bedrohung darstellt“, erklärt die Psychologin Miroslava Žilinská vom Institut für soziale Kommunikationsforschung der Slowakischen Akademie der Wissenschaften.

Die Häufigkeit, mit der Begriffe wie „Klimaangst“, „Klimastress“ oder sogar „Klimatrauer“ in wissenschaftlichen Veröffentlichungen auftauchen, steht in direktem Verhältnis zum Platz, den Klimatolog*innen und ihre Warnungen in der öffentlichen Debatte einnehmen. Die jüngere Generation ist daher auch viel sensibler für Umweltfragen als die Generation ihrer Eltern oder Großeltern. Schließlich sind die Auswirkungen des Klimawandels heute stärker zu spüren als früher.

Angst warnt uns eigentlich vor Gefahren. Es fehlt also das grundlegende Merkmal, um Klimaangst als Krankheit bezeichnen zu können. Es ist nämlich keine irrationale Angst. Es ist etwas, das von einer echten Bedrohung herrührt.“


„Ich war furchtbar frustriert, dass die Stimmen der Expert*innen ignoriert werden. Und diese Stimmen sind eindeutig: Wir steuern auf eine große Krise zu. Meine Freund*innen und ich haben die Initiative Nestrácajme čas (Keine Zeit verlieren) ins Leben gerufen, um die Debatte über dieses Thema anzuregen. Es ist seit langem bekannt, was vor sich geht, aber es wird nichts dagegen getan. Und auch in den Medien wurde früher kaum über den Klimawandel berichtet. Ich fühlte mich wütend, traurig, andere Probleme erschienen nebensächlich“, sagt Júlia, die gerade 30 Jahre alt geworden ist und anfangs nicht wusste, dass sie unter Klimaangst litt.

Als sie Mutter wurde, nahm Júlia Kontakt mit der Vereinigung Znepokojené matky (Beunruhigte Mütter) auf, die Workshops mit Expert*innen und Diskussionen zu diesem Thema organisiert. „Das erste Mal hörte ich den Begriff Klimaangst dann auch bei einem Treffen mit gleichgesinnten Frauen. Es hat mir sehr geholfen, als ich erfuhr, dass ich damit nicht allein bin, dass wir im Gegenteil ziemlich viele sind. Außerdem muss man manchmal einfach nur aussprechen, was mit einem los ist, und schon fühlt man sich erleichtert“, erklärt Júlia.

Sorgen um die Zukunft der Kinder

Petra Ježeková arbeitet im Zentrum für ökologische und ethische Bildung in Živica und beschäftigt sich schon seit Jahren mit Umweltthemen. Also war für sie der Begriff Klimaangst nicht ganz so neu, und die Gefühle, die sie hatte und hat, sind denen von Júlia sehr ähnlich. Sie macht sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder. „Ich spüre Klimaangst und sie beschäftigt mich schon eine ganze Weile. Das ist etwas, woran ich jeden Tag denke. Wenn ich zum Beispiel einkaufe, frage ich mich, welche Auswirkungen es auf die Umwelt hat, wenn ich eine bestimmte Sache wegwerfe, und ich habe Gewissensbisse. Oder wenn ich gerade etwas tue, sage ich mir plötzlich – sollte ich nicht etwas Wesentlicheres tun? Die Welt retten? Das sind Fragen, die während meines üblichen Tagesablaufs in meinem Kopf auftauchen. Manchmal vergesse ich das Thema auch in der Routine des Alltags, aber dann öffne ich Facebook und dort ist alles voll mit Nachrichten zur Klimakatastrophe und dann fühle ich mich wieder schlecht“, beschreibt Petra.

Psychische Krankheit?

Die zwei jungen Frauen gehören als Mütter zu der Gruppe, die am häufigsten von Klimaangst betroffen ist.

„Klimaangst tritt aber auch in gesellschaftlichen Gruppen auf, die durch den Klimawandel stark bedroht sind und in realer Existenzangst leben. Zum Beispiel bei Menschen mit landwirtschaftlichen Berufen oder mit Berufen, die mit der Natur verbunden sind. Diese Menschen sehen die Verwüstungen am stärksten und sind daher von ihren Emotionen her viel stärker involviert. Es gibt jedoch auch Stimmen in der Wissenschaft, die darauf hinweisen, dass wir nicht verallgemeinern und dies nur bestimmten Personengruppen zuschreiben sollten. Zukunftsangst ist schließlich ein generationenübergreifendes Phänomen“, erklärt die Psychologin Miroslava Žilinská und fügt hinzu, dass Klimaangst an sich, wie jede andere Angst auch, noch keine eigenständige psychische Erkrankung ist. „Klimaangst ist eine natürliche Reaktion auf neue Situationen, die eine Bedrohung für uns darstellen können, und Angst warnt uns eigentlich vor Gefahren. Es fehlt also das grundlegende Merkmal, um dieses Gefühl als Krankheit bezeichnen zu können. Es ist nämlich keine irrationale Angst. Es ist etwas, das von einer echten Bedrohung herrührt. Ich werde oft gefragt, wo die Grenze zwischen normaler und krankhafter Angst verläuft. Die Antwort liegt in der Intensität und dem Ursprung dieser Angst“, so die Psychologin, die die Initiative psychozaklimu gegründet hat, die sich mit den psychologischen Aspekten der Klimakrise befasst.

Ob es sich um einen pathologischen Zustand handelt, muss von Fachleuten beurteilt werden. Wenn die Angst lange anhält, euer alltägliches Leben bedroht, ihr Konzentrations- oder Schlafprobleme habt, ist es an der Zeit, herauszufinden, was bei euch genau dahintersteckt.

„Ich würde wahrscheinlich zunächst einen Psychologen aufsuchen, um den Schweregrad der Störung herauszufinden und festzustellen, ob eine medikamentöse Behandlung erforderlich ist. Die Betreuung von Angstpatient*innen ist sehr individuell, wobei immer davon ausgegangen wird, dass die Fachkräfte zunächst genau wissen müssen, woher die Ängste der Person kommen. Meistens konzentriert sich die Behandlung dann aber auf die Fähigkeit, eine Hoffnung aufrechtzuerhalten, die aber kein falscher Optimismus ist“, sagt die Psychologin Miroslava Žilinská.
   

Hoffnung

Petra Ježeková suchte zunächst in der buddhistischen Philosophie nach Antworten auf die Frage, wie man mit Klimaangst umgehen kann. Später trat sie der Vereinigung Beunruhigte Mütter bei, und die Workshops, in denen es auch um den Umgang mit diesen Gefühlen ging, halfen ihr sehr.

„Wir haben darüber gesprochen, dass wir die Wahl haben. Entweder man ist besorgt und unternimmt nichts, oder man setzt diese Besorgnis in irgendeine Art von Handlung um. Wir können anerkennen, dass dies der Zustand ist, in dem wir uns befinden, und dann das tun, was in unserer Macht steht, um der Welt, die wir uns wünschen, näher zu kommen. Wenn ich zum Beispiel einkaufe, dann verschwende ich nichts und kaufe keine unnötigen Dinge. Ich ziehe es vor, zu borgen, zu tauschen. Ich meine damit auch die Verkehrsmittel – ich bevorzuge umweltfreundlichere Möglichkeiten als das Auto. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass das nicht ausreicht. Deshalb unterstütze ich verschiedene Petitionen, die versuchen, Druck auf die großen Akteure auszuüben. Das, was wir selbst tun können, ist die eine Sache, aber dass wir nicht viel ausrichten können, wenn sich die Industrie und die Einstellung der großen Unternehmen nicht ändern, ist eine andere Sache“, erklärt Petra Ježeková.

Alle drei Frauen sind vor kurzem Mutter geworden und haben, wie viele junge Frauen, überlegt, ob sie überhaupt Kinder bekommen sollten. Am Ende war bei allen dreien der Wunsch nach Mutterschaft stärker. Für Miroslava Žilinská ist damit auch eine Hoffnung verbunden: „Aber das muss bei anderen nicht so sein. Wir sind eine Generation, die mit düsteren Vorhersagen über den Klimawandel aufgewachsen ist, ich selbst habe in der Grundschule Bilder mit saurem Regen und Umweltverschmutzungen gemalt. Und die Generation nach mir, das sind die Menschen, die mit dem Wissen aufgewachsen sind, dass die Zukunft der Menschheit gefährdet ist. Die Sorge, ob man Nachwuchs in eine solche Welt setzen soll, ist dann ganz natürlich.“

Zum Schluss aber die lässt Psychologin ein wenig Optimismus aufkommen; „Ich nenne Ihnen eine Zahl, die auch auf der Website der Slowakischen Akademie der Wissenschaften zu finden ist. Umfragen ergaben, dass bis zu 70 Prozent der Menschen sich Sorgen um die Umwelt machen. Das zeigt also, dass es den Leuten in der Slowakei nicht gleichgültig ist, was geschieht und wie die Prognosen lauten. Man kann nur hoffen, dass sich dies in ihrem Handeln und in der Politik ihrer Regierungen widerspiegelt“, so Miroslava Žilinská.

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