Wassermangel in der Ostslowakei  Von sozialistischen Stauseen zu kapitalistischen Tankwagen

Der gesunkene Wasserstand des Domaša-Stausees im Erholungsgebiet Poľany | September 2022
Der gesunkene Wasserstand des Domaša-Stausees im Erholungsgebiet Poľany | September 2022 Foto: © Mario Hudák

Im Osten der Slowakei starben Menschen bereits vor 40 Jahren für Wasser. Und es wird immer schlimmer. Warum versiegen die Brunnen im Osten der Slowakei? Steht uns eine weitere extreme Dürre bevor? Ausgetrocknete Bäche, Flüsse und Dämme? Warum waschen und spülen wir noch mit Trinkwasser? Eine Reportage über Trinkwasser, seine Quellen und seinen Kreislauf. Über Wert, Vergangenheit und Zukunft des Wassers.

Kapitál-Logo Dieser Artikel erschien zuerst in der slowakischen Monatszeitschrift Kapitál. Wir bedanken uns für die Genehmigung, ihn auf JÁDU zu veröffentlichen!

„Mitteleuropa trocknet langsam aber sicher aus“, fasste der deutsche Professor Ulf Büntgen von der Universität Cambridge im Jahr 2021 die Ergebnisse seiner Forschung zusammen. Er analysierte Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope in den Jahresringen von Eichen untersuchte daran Veränderungen im Klima in Europa in den zurückliegenden sieben Jahren. Sein internationales Team kam zu dem Schluss, dass die Sommermonate zwischen 2015 und 2021 die trockensten in Mitteleuropa seit 2000 Jahren waren. „Seit den Zeiten des Römischen Reiches“, so Büntgen.

„Diese Anomalien verursachen immer mehr ökologische und wirtschaftliche Schäden. Die Häufigkeit und Intensität von Extremereignissen, landwirtschaftlichen Dürren und hohen Temperaturen werden in Mitteleuropa weiter zunehmen“, so der Professor weiter.

Tümpel im Flussbett

An einem heißen Augusttag fahren zwischen Zborov und Chmelová im Nordosten der Slowakei zum Verzweifeln wenige Busse. Als ich den Mittagsbus in Zborov verpasse, laufe ich wie immer die drei Kilometer nach Hause. Die Sonne brennt, nach einer Weile kann ich den heißen Asphalt nicht mehr aushalten. Ich biege links ab, hinunter zum Fluss, in den Schatten von Akazien, Weiden und Pappeln. Ich laufe durch Wasser, über Steine, im Bett des Flüsschens Kamenec, nur mit meinen Leinenschuhen.

Das Flüsschen Kamenec im Ondauer Bergland (Ondavská vrchovina)  | August 2022 Das Flüsschen Kamenec im Ondauer Bergland (Ondavská vrchovina) | August 2022 | Foto: © Mario Hudák Die Monate April und Mai waren trocken, ebenso der Sommer. Zwanzig Jahre altes Wasser aus den Wäldern des Ondauer Berglands (Ondavská vrchovina) fließt noch immer in dem halb ausgetrockneten Bach. Mehr Wasser gibt es nur in den tieferen kleinen Mäandern, Biegungen und Auswaschungen. Diese Tümpel nennen wir hier im Osten „Baňure“. Ich krempele meine Hose bis über die Oberschenkel hoch und genieße jede tiefere, kühlere Stelle. Auf halber Strecke treffe ich auf einen solchen Tümpel, der besonders breit und tief ist. Ich stehe ein paar Minuten lang in der Mitte der Mulde und warte bis sich das aufgewühlte Wasser beruhigt und der Sand auf den Grund sinkt. Die Hände in meinen Taschen berühren die Wasseroberfläche. Ein Reiher fliegt über mich hinweg, krächzt und bewegt kaum seine Flügel. Er segelt, sinkt weiter, bis er fast die Wasseroberfläche berührt. Hundert Meter weiter landet er mitten im Bach auf einem großen Flyschsandstein.

Das Wasser unter mir ist völlig klar. Kleine Fische schwimmen um meine Waden, wollen sie anknabbern, ein Flusskrebs klettert auf meinen Fuß. Er wirbelt einen Moment herum, seine Fühler streichen über die Metallringe meiner Schnürsenkel. Als ich mich bewege, flüchtet er schnell und duckt sich wieder unter die Wurzeln am Ufer. Nachdem ich eine Stunde lang durch das Wasser gewatet bin, klettere ich im Dorf die großen Felsbrocken hinauf und gelange zurück auf die Straße. Meine nassen Spuren sind schnell wieder getrocknet. Ein bisschen schneller als die Erinnerung.

Der Domaša-Stausee

Neben dem Flüsschen Kamenec, das in Bardejov in die Topľa mündet, entspringt auch die Ondava im nach ihr benannten Ondauer Bergland, direkt südlich der polnisch-slowakischen Grenze. 30 Kilometer unterhalb des Staudamms Veľká Domaša fließen beide Flüsse zusammen. Als 1962 mit dem Bau des Staudamms an der Ondava begonnen wurde, verurteilten die Ingenieure der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik sechs alteingesessene Dörfer zum Untergang: Dobrá nad Ondava, Kelča, Petejovce, Trepec, Veľká Domasa und Valkov. Mehr als 500 Häuser verschwanden unter den Fluten und mehr als 700 Haushalte mussten umgesiedelt werden.

Wassernixe an der Anlagestellte Dobrá am Domaša-Stausee | Juli 2020 Wassernixe an der Anlagestellte Dobrá am Domaša-Stausee | Juli 2020 | Foto: © Mario Hudák „Die traurigste Zeit während der Bauarbeiten war der Herbst 1964. Man musste die Verstorbenen der letzten 50 Jahre exhumieren. Der Friedhof in Dobrá war schon einige Jahre zuvor für Bestattungen gesperrt worden“, schreibt Aladár Šalata, Kinderarzt und Chef des Krankenhauses in Svidník und später auch des Klinikums im Kurort Bardejovské Kúpele, in seinem Buch Dobrá nad Ondava – Leben und Untergang (Dobrá nad Ondavou, jej život a zánik). Dobrá nad Ondavou, das auch Veľká Dobrá genannt wurde, hatte Ende der 1930er Jahre mehr als 1000 Einwohner*innen. In diesem typischen multiethnischen Dorf lebten Slowaken, Ruthenen, Juden und Roma Seite an Seite. In den Jahren 1964 und 1965 wurden alle Häuser des Dorfes abgerissen und die Bewohner*innen vollständig umgesiedelt.
 
„Ich war auf dem Friedhof, als sie meine engsten Verwandten exhumierten. Meinen Vater, meine Schwester, meine Großmutter. Es war regnerisches Wetter, viele Gräber waren voller Wasser. Ich weiß nicht, ob die Menschen durch das Elend so gefühllos oder abgestumpft waren, aber sie schienen nicht entsetzt zu sein“, erinnert sich Aladár Šalata. „Überall roch es nach Chlorkalk und Schnaps, mit dem sich die Männer Mut für das Ausheben der Leichen antrinken sollten. Neben einem Grab in der Nähe der Kapelle stand eine Frau. Sie sah zu, wie ein im Wasser watender Mann die Gebeine ihres verstorbenen Ehemannes herausholte und sie in einen neuen Sarg legte.“

„Der Mann fischte Knochen aus dem Wasser, legte sie in einen neuen Sarg und sagte: ,Fertig!‘ Darauf die Frau: ‚Wie, fertig? Hat ja nich mal die Hälfte seiner Knochen. Hat ja zu wenig Rippen.‘ Der Mann tauchte seine Hände in den langen Gummihandschuhen wieder in das trübe Wasser, holte weitere Knochen heraus und sagte: ‚Das war’s, Frau, mehr is nich.‘ Ich konnte sehen, dass mindestens ein Drittel der Knochen fehlte, aber was konnte man schon machen“, beschreibt Šalata den Untergang des Dorfes.

Der Stausee Veľká Domaša wurde im Dezember 1967 fertiggestellt. Nach Liptovská Mara, der Orava-Talsperre und dem Staudamm Zemplínská šírava ist er der viertgrößte Stausee der Slowakei und liegt in den beiden Bezirken Vranov nad Topľou und Stropkov. Seine Fläche beträgt 1422 Hektar, er ist 14 Kilometer lang und hat eine maximale Breite von vier Kilometern. Die maximale Tiefe der Domaša-Talsperre beträgt 25 Meter. Sie reguliert die Wasserabflussmengen in die Ostslowakische Tiefebene, ist ein Stausee mit Nutzwasser und dient als Naherholungsgebiet.

Traurige Saison

„Ein bisschen wenig Wasser, was?“
„Ein bisschen? Ein bisschen sehr weniger als ein bisschen. Aber vor drei Jahren war es noch weniger. Alles trocken und sie lassen immer noch raus. Versteh’ das wer will.“
„Haben Sie etwas gefangen?“
„Heute nicht, gestern drei Rapfen. Heute waren sie nicht auf Beutefang.“
„Fahren Sie nach Hause?“
„Ja, nach Snina. Mein Auto fährt mit Gas, also bin ich immer unterwegs, hin und her, Ruhestand, so lässt sich’s leben.“

Als er zu dem Auto kommt, an dem ich stehe, zündet er sich eine Zigarette an und wir wechseln ein paar Sätze. Ich hatte ihn schon eine Weile beobachtet. Ich bemerkte dabei auch die Tretboote, die im Schlamm feststecken, das Ausflugsschiff Bohemia, das dort an der Anlegestelle liegt, beziehungsweise weit darunter im seichten Wasser. Ein ziemlich trauriger Anblick. Der Angler geht langsam über den schlammigen Grund der Dobrá-Bucht. Der Wasserstand ist Ende September einige Dutzend Meter niedriger. In der Mitte des trockenen Bodens glitzert ein Rinnsal. Er starrt einen Moment hinein, dann überquert er es und kommt die Wiese hinauf zum kleinen Parkplatz auf mich zu.

Ein Angler in einer ausgetrockneten Bucht des Domaša-Stausees | Oktober 2022 Ein Angler in einer ausgetrockneten Bucht des Domaša-Stausees | Oktober 2022 | Foto: © Mario Hudák An diesem Tag umrunde ich den gesamten Domaša-Stausee auf der einen und auch auf der anderen Seite. Auf dem Campingplatz Monica – Poľany ist die Saison auch bereits vorbei. Ich laufe an den Wohnwagen und Hütten entlang bis zu einer kleinen Bucht, in der meine Familie und ich vor einem Monat ein paar Tage lang gezeltet hatten. Jetzt ist der Wasserstand noch ein paar Meter niedriger. An den großen Felsbrocken kleben Kolonien hunderter verendeter Bachmuscheln, die geöffneten Kalkschalen ausgetrocknet und messerscharf, so als wären sie mit dem letzten Atemzug, der Wasser durch ihre Kiemen strömen ließ, erstarrt. Am Ufer stehen noch ein paar Angler, die beiden Pontonstege haben seit Monaten die Wasseroberfläche nicht mehr berührt. Wenige leere Boote liegen weiter draußen auf dem Wasser vertäut, andere sind am Ufer gestrandet.

„Beißen sie?“, frage ich einen Mann mit drei ausgeworfenen Angelruten weiter hinten am Ufer.
„Anfang August habe ich hier noch einen 15 Kilo schweren Graskarpfen gefangen, und jetzt seit ein paar Tagen gar nichts mehr. Wegen des ganzen Schlamms kommt man nicht runter bis ans Wasser.“
„Es ist eine Katastrophe, jahrelang haben wir sogar dort hinten in diesem kleinen Wäldchen gesessen und geangelt. Das hier war alles unter Wasser“, sagt er und deutet auf einige Bäume etwa 30 Meter oberhalb.

Der gesunkene Wasserstand des Domaša-Stausees im Erholungsgebiet Poľany | September 2022 Der gesunkene Wasserstand des Domaša-Stausees im Erholungsgebiet Poľany | September 2022 | Foto: © Mario Hudák

Warteliste für Wasser

Kvakovce hat 450 Einwohner und 100 Häuser. Die Besonderheit des Dorfes ist seine Lage am Domaša-Stausee. Sein Kataster weist fast zehn Kilometer Uferlinie auf, darunter auch das beliebte Erholungsgebiet Domaša-Dobrá. Bürgermeister Radovan Kapraľ ist es gelungen, die umliegenden Gemeinden, die lokalen Behörden und die Regierung zu mobilisieren und seit 2020 leitete er in Zusammenarbeit mit den Wasserbewirtschaftern der Slowakischen Wasserwirtschaftsgesellschaft (Slovenský vodohospodársky podnik – SVP) in Domaša-Dobrá eine vollständige Entfernung von 300 schwarz errichteten Gebäuden, größtenteils aus sozialistischen Zeiten. Das letzte Gebäude wurde im April 2022 entfernt. Obwohl ihr Dorf an einem der größten Wasserreservoirs der Slowakei liegt, haben die Einwohner von Kvakovce seit vier Jahren mit Trinkwassermangel zu kämpfen.

„Wir haben keine Wasserquelle. Die vorgeschlagene Lösung, nämlich Oberflächendämme am örtlichen Bach, die Wasser von den umliegenden Feldern auffangen sollten, hat nie funktioniert. Die Wasserwerke wollen das Projekt nicht weiterverfolgen, sie behaupten, es sei unsinnig. In unserer Gemeinde haben sie, völlig unsinnig, das Pferd von hinten aufgezäumt. Zuerst wurde aus dem Umweltfonds eine so genannte Trockenleitung gebaut, ohne eine Wasserzufuhr. Das Unternehmen bekam den Auftrag und baute sie“, erklärt Kapraľ. Nach Ansicht des Bürgermeisters ist auch in der Nachbargemeinde Slovenská Kajňa etwas völlig Sinnloses passiert. Und zwar wegen des Vertrags mit dem Umweltfonds. Der Staat stellte das Geld für den Bau einer Wasserleitung zur Verfügung. Einige der Häuser am Ende des Dorfes können jedoch nicht an diese angeschlossen werden, weil das Wasserwerk, die Ostslowakische Wassergesellschaft (Východoslovenská vodárenská spoločnosť –VVS), ihnen die Standardqualität für Trinkwasser aufgrund der geringen Zahl von Interessenten für den Anschluss an die kommunale Wasserversorgung nicht garantieren kann.

Auch so kann ein Trinkwassertank aussehen. Domaša Dobrá | Oktober 2022 Auch so kann ein Trinkwassertank aussehen. Domaša Dobrá | Oktober 2022 | Foto: © Mario Hudák „Das Wasserwerk prüft derzeit andere Wasserversorgungsmöglichkeiten für Kvakovce. Ein Anschluss an das Wasserversorgungssystem von Slovenská Kajňa wird in Betracht gezogen, da die Systeme miteinander verbunden werden könnten. Alternativ könnte durch den Berg ein Anschluss an die Leitung erfolgen, die Trinkwasser aus dem Stausee Starina ins Nachbardorf Merník bringt“, so der Bürgermeister weiter. Vor einigen Jahren begann das Grundwasser in den Brunnen der Gemeinde aufgrund der Trockenheit zu versiegen. Seit vier Jahren wird nun schon Tag für Tag Trinkwasser mit Tankwagen zu den Menschen gebracht und in die Brunnen gepumpt. Im Jahr 2022 hat sich die Situation aufgrund der extremen Trockenheit noch verschlimmert. Viele Menschen hatten keinen Tropfen mehr in ihren Brunnen. „Wir mussten eine Warteliste für Trinkwasser einführen. Im Sommer gab es Schichtarbeit für den Wassertransport, bis Mitternacht. Die Gemeinde macht das nur zum Selbstkostenpreis, die Leute müssen alles selbst bezahlen. Tausend Liter Wasser kosten 3,50 Euro“, fügt er hinzu.

Da hilft nur beten

„Wir sind davon überzeugt, dass mit dem Wasser in der Domaša schlecht gewirtschaftet wird. Es kann schließlich nicht sein, dass in den Stauseen und Talsperren rundherum genug Wasser ist, in der Domaša aber nur extrem wenig“, spricht der Bürgermeister eine weiteres wasserwirtschaftliches Problem an, das sich negativ auf die Erholungssuchenden auswirkt und die Entwicklung des Tourismus in der Gemeinde verhindert. „Das Betriebsreglement der Talsperre ist schlecht aufgestellt. Unserer Meinung nach entspricht es nicht den aktuellen Klimaveränderungen. Der Stausee ist von Regen und Schnee abhängig. Es kann nicht sein, dass es das ganze Jahr über nicht regnet und trotzdem die gleiche Wassermenge aus der Domaša abgeleitet wird“, beschwert sich Radovan Kapraľ.

Die Slowakische Wasserwirtschaftsgesellschaft SVP, die für wasserbauliche Anlagen, Stauseen und Talsperren zuständig ist, hat im Jahr 2020 in Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und Bürgermeistern eine neue Regelung für den Betrieb der Domaša vorgeschlagen. Dieser würde es ermöglichen, geringere Wassermengen aus dem Stausee abzulassen. Sofort entbrannte ein Streit und das Bezirksamt in Prešov stellte das Verfahren zu diesem Vorschlag nach kurzer Zeit ein. Es war jedoch von allen Beteiligten einzig das Privatunternehmen TP2 s.r.o. nicht mit dem Vorschlag nicht einverstanden. TP2 betreibt das Klärwerk in Poša, ganz in der Nähe der Chemiefabrik in Stražské, die durch Umweltskandale in die Schlagzeilen geriet, als Polychlorierte Biphenyle (PCB) in die Umgebung entwichen und Fässer mit giftigen Abfällen entsorgt wurden.

Giftige Abwässer aus der Kläranlage Poša bei Strážske fließen in den Kyjovský-Bach und weiter in die Ondava. | September 2020 Giftige Abwässer aus der Kläranlage Poša bei Strážske fließen in den Kyjovský-Bach und weiter in die Ondava. | September 2020 | Foto: © Mario Hudák „Die Frage ist doch, warum sich dieses Unternehmen daran stört, dass weniger Wasser aus der Domaša abgeleitet werden soll als bisher. Es ist sehr merkwürdig, dass ein staatlicher Beamter eine Entscheidung zugunsten eines privaten Unternehmens getroffen hat und nicht zugunsten der SVP und mehrerer Gemeinden, die den Vorschlag zur Änderung der Wasserbewirtschaftung voll unterstützt haben“, so der Bürgermeister von Kvakovce. „Auch die Bürgermeister der Dörfer Poša, Nižný Hrušov und Nižný Hrabovec in der Nähe des Klärwerks und der Chemiefabrik Stražské weisen seit langem darauf hin, dass aus dem Klärwerk gefährliche Abfallstoffe in den Kyjovský-Bach und von dort weiter in den Fluss Ondava gelangen. Und diese Sauerei muss mit Wasser aus der Domaša verdünnt werden, um eine ökologische Katastrophe großen Ausmaßes, wie etwa ein massenhaftes Fischsterben, zu verhindern“, vermutet Kapraľ.

Seiner Meinung nach ist der jetzige niedrige Wasserstand ausschließlich auf das rigorose Festhalten am veralteten Betriebsplan in Verbindung mit der katastrophalen Trockenheit in diesem Jahr zurückzuführen. „Einerseits werden unnötig große Mengen Wasser abgeleitet, zum anderen wurde in einer Zeit, in der man hätte sparen können, überhaupt nicht gespart. Einige Bereiche und Buchten der Domaša-Talsperre sind durch den Rückgang des Wasserspiegels völlig verwüstet worden. Überall sind Bäume und Schlamm. Wie können wir den Tourismus konzeptionell aufbauen, wenn derartige Dinge passieren? Was können wir denn dann noch machen? Ich sage Ihnen was: Da hilft nur beten“, so der Bürgermeister.


Die Bürgermeister der Dörfer in der Umgebung des Domaša-Stausees sind sich einig, dass mit dem Wasser im Stausee nicht richtig gewirtschaftet wird | Oktober 2022 Die Bürgermeister der Dörfer in der Umgebung des Domaša-Stausees sind sich einig, dass mit dem Wasser im Stausee nicht richtig gewirtschaftet wird | Oktober 2022 | Foto: © Mario Hudák

Oh Starina, mein Heimatdorf

Der Starina-Stausee, der größte Trinkwasserspeicher Mitteleuropas, befindet sich im östlichsten Zipfel der Slowakei. Heute ist er ein potenzieller Hoffnungsträger, und zwar nicht nur für Kvakovce an der Domaša, sondern auch für andere Gemeinden im Nordosten, in denen die Trinkwasserprobleme in den letzten Jahren immer akuter wurden. Mit seinem Bau wurde 1981 begonnen und zunächst war der Stausee in der Nähe des Dorfes Papín bei Humenné geplant. Die Bewohner von Papín wurden damals wegen des Projekts persönlich beim Präsidenten der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik Gustáv Husák vorstellig. Nach heftiger Lobbyarbeit wütender Ruthen*innen beschloss die kommunistische Regierung schließlich, den Staudamm oberhalb des Dorfes Stakčín bei Snina auf dem Gebiet des Nationalparks Poloniny zu bauen.

Starina sollte ursprünglich die Trinkwasserversorgung der Bezirke Humenné, Vranov nad Topľou, Michalovce und Trebišov sicherstellen und nun liefert der Stausee seit mehr als 30 Jahren das Wasser für 300.000 Menschen im Osten der Slowakei in 200 Städten und Dörfern. Neben Snina, Humenné und Vranov nad Topľou versorgt der Wasserspeicher auch die Städte Prešov und Košice. Eine 135 Kilometer lange Wasserleitung mit einem Durchmesser von einem Meter führt von Stakčín nach Košice. Auf der Hälfte der Strecke, in der Nähe von Hanušovce nad Topľou, muss das Wasser aus Starina wegen des hügeligen Geländes rund um die Uhr auf eine Höhe von 190 Meter gepumpt werden. Die sozialistischen Ingenieure planten sogar eine Trinkwasserleitung von Starina bis nach Stropkov, Svidník und Bardejov. Mit dem Bau der neuen Trasse wurde auch begonnen und die Leitung bis Giraltovce verlegt, wo sie noch immer auf ihre Fertigstellung wartet.

Der Stausee Starina | September 2022 Der Stausee Starina | September 2022 | Foto: © Mario Hudák 1985 fielen dem Staudamm sieben Dörfer zum Opfer: Dara, Ostružnica, Ruské, Smolník, Starina, Veľká Poľana und Zvala. Ausgerechnet Starina, nach welchem der Stausee benannt wurde, ist das einzige Dorf, das vollständig geflutet wurde. Insgesamt mussten fast 3.500 Einwohner umgesiedelt werden. Zu kommunistischen Zeiten nahm die Obrigkeit in der Tschechoslowakei keine Rücksicht auf die dort lebenden Menschen. Sie wurden einfach in neue Wohnsiedlungen in Snina und Humenné umgesiedelt und wenn sie sich weigerten, ging man gewaltsam per Enteignungsbeschluss vor. „Als die alten Leute aus Starina in die Plattenbauten ziehen mussten, starben sie. Sie konnten sich nicht mehr umgewöhnen. Plötzlich konnten sie nicht mehr auf die Felder, die Wiese oder in den Wald gehen. Das fehlte ihnen ganz furchtbar. Innerhalb weniger Jahre, nachdem sie hierher gezogen waren, starben wirklich sehr viele Menschen im Alter zwischen 70 und 80 Jahren. Bluthochdruck oder das Herz. Das war schrecklich“, erinnern sich die Bewohner der Siedlung 2 in Snina im Dokumentarfilm Das Wasser hat sie vertrieben (Vyhnala ich voda) des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Slowakei (RTVS). Einige von ihnen bringen noch immer sauberes Quellwasser in ihre Wohnblocks, und zwar aus Brunnen, die in einigen der verlassenen Dörfer noch erhalten geblieben sind. Damit auch andere Menschen in der Region hochwertiges Wasser aus Starina beziehen können, mussten die Bewohner von sieben Dörfern das persönliche Drama erleben, wie ihre eigenen Häuser in die Luft gesprengt wurden.

„Als ich sechs Jahre alt war, beschlossen die Behörden, Starina und sechs weitere Dörfer abzureißen und an der Stelle einen Staudamm zu bauen. Der Untergang ging schnell. An einem Wochenende tötete der Schlachter alle Tiere des Dorfes. Die Menschen wurden in Wohnblocks umgesiedelt“, so die Fotografin Lucia Nimcová. Bei ihren Großeltern in Starina verbrachte sie die schönsten Momente ihrer Kindheit. „Vor den Häusern schwelten Haufen von Sachen, die die Vertriebenen verbrannten, weil sie in den kleinen Wohnungen der Wohnsiedlungen keinen Platz mehr dafür hatten. Fotos waren das erste, was ins Feuer kam. Damit sie nicht an den schmerzhaften Verlust eines geliebten Ortes erinnerten. Innerhalb eines Jahres war das Dorf tot“, fügt sie hinzu.
 
Der Dokumentarfilm „Das Wasser hat sie vertrieben“ („Vyhnala ich voda“) des Öffentlich-rechtlichen slowakischen Fernsehens RTVS

Sagen Sie, dass es Wasser geben wird

Seit einigen Jahren hoffen auch die Gemeinden der Mikroregion Stredná Topľa auf das Trinkwasser aus Starina, als Ersatz für ihre austrocknenden Brunnen. In Kurima, fünfzehn Kilometer südwestlich von Bardejov, leben mehr als 1000 Einwohner*innen. Neben der Entdeckung riesiger Mammutbackenzähne aus dem frühen Quartär ist der ehemalige Landsitz auch für seine einzigartige Bestattungszunft bekannt, die sich bereits seit 330 Jahren um die Verstorbenen und Beerdigungen im Dorf kümmert.

„Ende 2019 begannen die Probleme mit dem Trinkwasser in den kommunalen Brunnen am Fluss: In den drei Bohrungen, über die Kurima und das benachbarte Dubinné versorgt werden, begann das Wasser zu versiegen. Das ging so weit, dass wir anfangen mussten, Wasserzisternen mit Tankwagen aus den Wasserwerken zu befüllen. In den kritischsten Zeiten im Sommer haben wir den Menschen sogar das Wasser von sechs Uhr abends bis sechs Uhr morgens abgestellt“, so Ján Bartoš, der Bürgermeister von Kurima. Auch zwei weitere Bohrungen in der Nähe des Flusses, eine von 15 Metern und eine von 30 Metern Tiefe, haben das Problem nicht gelöst. Ihre Ergiebigkeit war nicht ausreichend. Damals wurde auch festgestellt, dass ein örtlicher Landbesitzer und der private Landwirtschaftsbetrieb Agroslužby Kurima s.r.o. im Flussbett der Topľa in der Nähe der Brunnen massiv Kies abbauten.

Der Bürgermeister reichte eine Beschwerde ein, um die Rechtmäßigkeit des Abbaus zu prüfen, und die Wasserwirtschaftler stellten fest, dass der Abbau das Flussbett in Kurima um zwei Meter vertieft hatte. Nur wenige Kilometer flussaufwärts, im Nachbardorf Dubinné, betrieb ein privates Unternehmen namens Lomy s.r.o. zu dieser Zeit ebenfalls einen massiven Kiesabbau. „Im Oktober 2020 trafen sich in Kurima Vertreter des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes, der Wasserwerke, der Stadtplanungsgesellschaft, der staatlichen Naturschutzbehörde, des Anglerverbandes, Bürgermeister und Beamte. Wir haben vereinbart, dass die Niederlassung Košice der Slowakischen Wasserwirtschaftsgesellschaft (SVP) sieben Schwellen aus Bruchsteinen im Fluss bauen würde, um die Fließgeschwindigkeit zu verlangsamen und den Pegel anzuheben. Nach zwei Jahren sind zwei gebaut und jetzt warten wir ab, ob das hilft“, beschreibt Bartoš die Situation.

Steinbruch zur Kiesgewinnung unterhalb des Dorfes Dubinné | September 2022 Steinbruch zur Kiesgewinnung unterhalb des Dorfes Dubinné | September 2022 | Foto: © Mario Hudák Die Probleme mit dem illegalen Abbau von Kies konnten in Kurima erst durch das persönliche Eingreifen des Bürgermeisters gelöst werden. Er musste die Anlagen eines Abbaubetriebs im Flussbett stoppen, der Kies an Betonwerke im Bezirk lieferte, und ihnen den Zugang zum Gewässer im Katastergebiet untersagen. Kurima forderte auch einen Abbaustopp sowie eine hydrogeologische Untersuchung der Auswirkungen des Abbaus im Steinbruch Dubinné auf das Grundwasser, jedoch ohne Erfolg. Der Geschäftsführer der Firma Lomy s.r.o., Ľubomír Duplák aus Prešov, lehnte die Untersuchung ab. „Der Abbau erfolgt gemäß den genehmigten Projektunterlagen, so dass der Grundwasserspiegel nicht gefährdet ist. Daher sehe ich keinen Grund zur Durchführung eines hydrogeologischen Gutachtens, denn auch dessen Auswertung wird Ihre Frage und Ihr Ersuchen nicht beantworten können“, so der Chef des privaten Steinbruchs in seiner Stellungnahme.

„Die sinkende Ergiebigkeit der gebohrten Brunnen und die Veränderungen der hydrogeologischen Bedingungen kann zwei Ursachen haben. Eine davon kann der Abbau von Kies im und in der Nähe des Flussbetts sein. Da der hydrogeologische Grundwasserleiter aus quartären Kiesen besteht und in diesem Gebiet flach und von relativ geringer Mächtigkeit ist, ist er sehr anfällig“, so die Reaktion der Ostslowakischen Wassergesellschaft auf das Problem des Abbaus. Die Slowakische Wasserwirtschaftsgesellschaft vertritt eine ähnliche Auffassung. „Der Abbau der wasserführenden Schicht an Kiessanden hat die Grundwasserspeicherung in diesem Gebiet erheblich verringert, und da es in dem betreffenden Gebiet auch unterirdische Trinkwasservorkommen für die Einwohner des Dorfes Kurima gibt, hat sich dies auch negativ auf deren Ertrag ausgewirkt. Aus diesem Grund hat die SVP in diesem Jahr in dem betreffenden Gebiet Schwellen im Fluss Topľa errichtet, wodurch Wasseranstauungen herbeigeführt wurden und sich vermehrt Wasserreservoirs im betreffenden Gebiet bildeten, was sich auch auf die Ergiebigkeit der unterirdischen Wasserreservoirs auswirken könnte“, schreibt Marián Bocák, Sprecher der Wasserwirtschaftsgesellschaft, in einer Stellungnahme zu dem Problem.

„Seit 2020 bringen wir jeden Tag fünf bis sechs Tankwagen mit Trinkwasser zum Wasserspeicher im Dorf. Letzten Endes haben wir uns an die Leitung in Poliakovce, einem anderen Nachbardorf, angeschlossen. Das hat ein wenig geholfen, aber da dieses Jahr extrem trocken war, traten die Probleme mit der Wasserknappheit im Sommer wieder auf“, erklärt der Bürgermeister. In der Mikroregion Stredná Topľa, in der mehr als zwei Dutzend Dörfer zusammengeschlossen sind, hat man deshalb begonnen, sich mit einem möglichen Anschluss an die Leitung zu befassen, die Trinkwasser aus dem Stausee Starina in das 20 Kilometer von Kurima entfernte Giraltovce transportiert.

Der Fluss Topľa oberhalb der Gemeinde Kurima | September 2022 Der Fluss Topľa oberhalb der Gemeinde Kurima | September 2022 | Foto: © Mario Hudák „Wenn ich in die Vergangenheit zurückblicke und das mit heute vergleiche, sehe ich jetzt eine unglaubliche Verschwendung von Trinkwasser. Vor 40 Jahren gab es in unserem Dorf drei Autos, niemand hatte einen gepflasterten Hof, niemand hatte einen Pool. Das Plumpsklo war im Garten, man brauchte nicht zu spülen, Badetag für die ganze Familie war der Samstag, das Wasser musste erst in Töpfen erhitzt werden“, erinnert sich Ján Bartos.

„Wie oft spülen, waschen, putzen, duschen und gießen wir heute mit Trinkwasser? Wie oft waschen wir unsere Autos in unseren gepflasterten Höfen? Wie oft am Tag duschen wir? Glauben wir, dass die Natur, das Wasser und sein Kreislauf darauf nicht reagieren? Oder dass sie zehnmal mehr Wasser für unseren Komfort bereitstellt? Ein argentinisches Sprichwort sagt, Gott verzeiht alles, der Mensch weniges und die Natur nichts. Ich denke, wir haben bereits genug Gründe, endlich zur Vernunft zu kommen.“

Gezähmte Elemente

Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Bau großer Staudämme eng mit der technokratischen Vision von Fortschritt und dem Aufbau des so genannten Gemeinwohls verbunden. Die sozialistische Modernisierung, die Industrialisierung und die Bereitstellung riesiger Mengen von Nutz- und Trinkwasser hatten auch ihre Schattenseiten: die Umsiedlung von Gemeinschaften, Verluste von kulturellem Erbe und Umweltzerstörung. Unberührte Ökosysteme, altes Kulturgut und alteingesessene ursprüngliche Gemeinschaften wurden zu so genannten Kollateralschäden degradiert.

„Tausende von Menschen aus der ganzen Ostslowakei füllten am 30. Mai 1959 das Fußballstadion in Michaľovce, um der offiziellen Einweihung des Wasserbauwerks beizuwohnen, das unseren Bezirk in einen blühenden Garten verwandeln soll. Gleichzeitig soll es die Elemente zähmen, die alljährlich unser Eigentum und auch die Bürger selbst bedrohen“, zitiert der Historiker Imrich Michnovič in seinem Buch Die Geschichte von Klokočov (Dejiny Klokočova) aus der Pressemitteilung zur offiziellen Eröffnung des Bauwerks, dessen ursprünglicher Name Vihorlatská Sĺňava lautete. Hunderte Menschen aus den drei Dörfern Kaluža, Klokočov und Kusín wurden vertrieben und 133 Häuser für den Bau des Stausees Zemplínská Šírava abgerissen. Fruchtbarster Boden, auf dem Zuckerrüben, Gemüse und Getreide angebaut wurden, liegt nun unter Wasser. Der See überschwemmte in dem früher als Podvihorlatské blatá bekannten Bereich seltene Feuchtgebiete und Torfmoore.

Mit dem Bau der Talsperre Zemplínská Šírava wurde 1961 begonnen, und im Sommer 1966 erfolgte die Inbetriebnahme. Der Stausee sollte vor Überschwemmungen schützen, die landwirtschaftlichen Flächen der ostslowakischen Tiefebene bewässern und als Reservoir für ausreichend Wasser im Fluss Laborec sorgen, um das Wärmekraftwerk in Vojany zu kühlen. Niemand hatte damit gerechnet, dass sich der Stausee auch zu einem äußerst beliebten Erholungsgebiet entwickeln würde, das hunderttausende Touristen aus dem In- und Ausland anzieht. Bereits im Sommer 1968 besuchten eine halbe Million Menschen die Talsperre, in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre überstieg die Zahl der Besucher eine Million. Der Stausee wurde immer beliebter, auch Ausflugsschiffe begannen darauf zu fahren.

Das war’s schon

Die Grundwasservorkommen in der Slowakei sind sehr ungleichmäßig verteilt, im Osten des Landes würde man sagen: ungerecht verteilt. Die meisten befinden sich im Westen und in der Mitte der Slowakei. Zudem sind sie in den östlichen Regionen Prešov und Košice viel weniger ergiebig und gehen nach Angaben des Slowakischen Hydrometeorologischen Instituts (SHMÚ) immer weiter zurück. Während in der Slowakei insgesamt der Anteil des Grundwassers an der gesamten Trinkwasserversorgung mehr als 80 Prozent beträgt, liegt er im Osten des Landes nur bei 50 Prozent. Für die Ostslowakische Wassergesellschaft sind die die wichtigsten Oberflächenwasserquellen die Stauseen Starina (Bezirk Snina) und Bukovec (Bezirk Košice), während das wichtigste unterirdische Wasservorkommen die Quelle Drienovec (Bezirk Košice) ist.

50 Kilometer westlich der Talsperre Zemplínská Šírava und 25 Kilometer nordöstlich von Košice, unter dem Gebirgszug Slanské vrchy im Becken von Košice, sprudelt das Grundwasser paradoxerweise seit fast 150 Jahren aus dem Boden. Als der Geysir in Herľany ausbricht, sind an einem Wochentag im September vormittags nur drei Besucher*innen da. Ein Ehepaar mittleren Alters fotografiert mit seinen Handys die bereits schwächer werdende Fontäne des Geysirs. Auf der anderen Seite sitzt unter einer Überdachung ein Rentner an dem gemauerten Becken. Als das vier Meter hoch sprudelnde Wasser plötzlich auf wenige Zentimeter in sich zusammenfällt und dann lautlos im Boden verschwindet, dreht der ältere Herr seine Handflächen zum Himmel und klopft in einer hilflosen Geste zur Beendigung des kurzen Spektakels mit seinen Hände kräftig auf die Oberschenkel. „Das war’s schon“, sagt er, steht auf und geht in den nahe gelegenen Park hinüber. Es stellt sich heraus, dass wir alle zu spät gekommen sind und nur einige Minuten vom Schluss der Geysirvorführung gesehen haben. Der Ausbruch war für die Zeit zwischen elf und 13 Uhr erwartet, aber der Geysir wollte sich nicht an mathematische Berechnungen halten und brach bereits um halb zehn Uhr aus.

Der Geysir in Herľany Der Geysir in Herľany | Foto: Ing.Mgr. Jozef Kotulič via wikimedia commons | CC BY-SA 4.0 „Gute Ernte?“, frage ich ein paar Minuten später einen Mann in den Sechzigern, der in einem kleinen Hinterhof in der Nähe des ehemaligen Bades Nüsse schält. „Es ist alles so seltsam dieses Jahr, die Nüsse sind klein. Der Mai war trocken, die Äpfel waren auch etwas kleiner“, antwortet er. „Uns geht es hier noch ganz gut, wir haben unsere eigene Wasserquelle im Wald und auch eine Zisterne. Aber nebenan, in Ďurkov und den umliegenden Dörfern, haben sie dieses Jahr schon Trinkwasser mit Tankwagen gebracht. Und es wird noch schlimmer.“ Früher gab es hier mal vier Mineralquellen, jetzt sind es nur noch zwei. „Es gab hier auch schöne Wannenbäder. Früher kam ganz Österreich-Ungarn zu uns. Die Gäste wurden auf Pferden hierher gebracht, auf einem Feldweg, ich erinnere mich noch daran. Das Wasser des Geysirs wurde in unterirdische Tanks gepumpt und erhitzt. Zum Glück ist der Tourismus im Dorf in den letzten Jahren wieder mehr angekurbelt worden. Im Sommer kommen viele Leute her“, sagt der Dorfbewohner.

Der Herlian-Geysir ist ein einzigartiges Naturereignis. Es handelt sich um ein 351 Meter tiefes Bohrloch, das 1870 angelegt wurde, um den nahe gelegenen kleinen Kurort Rankovce zu erweitern. Gebohrt hat es der bekannte Ingenieur, Mineral- und Nutzwasserforscher Viliam Zsigmondy (1821 - 1888), der gebürtig aus Bratislava stammte. Der Geysir ist so besonders, weil er kalt ist. Aus ihm sprudelt kaltes, salziges, erdiges, alkalisches Mineralwasser. Wenn das Wasser im Bohrloch steht, hat es eine Temperatur von zwölf bis 13 Grad Celsius und gegen Ende des Ausbruchs erreicht es 22 bis 24 Grad Celsius.

Wirtschaften mit Regenwasser

„Der Rückgang und die Veränderung der Niederschlagsverteilung um fünf Prozent in der Slowakei im Vergleich zu vorangegangenen Zeiten waren bereits 1970 zu beobachten. Heute liegt der Rückgang bei 15 Prozent, und dieser Trend hält an. Es ist erstaunlich, dass wir seither nicht verstanden haben, dass Regen aus verdunstetem Wasser besteht. Ständig und immer wieder reden wir nur davon, dass Verdunstung ein Verlust und Wasser eine erneuerbare Ressource ist. Ja, es ist eine erneuerbare Ressource, aber nur, wenn wir Ökosysteme nicht schädigen und die sehr wichtigen kleinen Wasserkreisläufe nicht unterbrechen“, erklärt Michal Kravčík, Hydrologe, Umweltschützer und Regionalpolitiker aus Košice. Neben der Abholzung der Wälder sieht er das größte Problem der Wasserknappheit im Land, vor allem im Osten, in der massiven und unkontrollierten Urbanisierung.

Infolge der Abholzung im Čergov-Gebirge fließt das Wasser durch die von den Abholzungsmaschinen hinterlassenen Gräben | Mai 2021 Infolge der Abholzung im Čergov-Gebirge fließt das Wasser durch die von den Abholzungsmaschinen hinterlassenen Gräben | Mai 2021 | Foto: © Mario Hudák „Die Slowakei hat nur fünf Prozent bebaute Flächen, aber deren Anteil an der Austrocknung des Landes beträgt bis zu 26 Prozent. Die Abholzung macht derzeit 17 Prozent aus. Vor allem geht es um die Versiegelung von Boden, die Wasserableitung und die schlechte Regenwasserbewirtschaftung. Wenn man einen Quadratmeter zubetoniert, fließen in einem Jahr 500 Liter Wasser ab, ohne dass man etwas davon hat. In 50 Jahren sind es 25.000 Liter. In der Slowakei fließen auf diese Weise jedes Jahr 250 Millionen Liter Wasser weg. In 40 Jahren sind das 15 Milliarden. Das ist unser Beitrag zum Anstieg der Meeresspiegel und auf der anderen Seite zum ausbleibenden Anstieg der kleinen Wasserkreisläufe. Das Wasser verdunstet dann nicht, es bringt keine Vegetation hervor, das ist bedrohlich für die Ernten und die Bodenfruchtbarkeit. Die Thermoregulation wird gestört, die Temperaturen steigen und die Umwelt überhitzt. Nochmals einige Zahlen: Wenn man die Wasserverdunstung im Land um einen Millimeter pro Quadratmeter reduziert, wird mehr Wärmeenergie in die Atmosphäre abgegeben, als die gesamte Slowakei in einem Jahr verbraucht. In den letzten drei Jahrzehnten ist es uns gelungen, diese Verdunstung um fünf Millimeter zu reduzieren“, so der Experte.

Was das Grundwasser anbelangt, so ist laut Michal Kravčík das Abfließen von Regenwasser aus bebauten Gebieten auch die Hauptursache für den sinkenden Grundwasserspiegel und in der Folge auch für das Austrocknen von Brunnen.

„Aus einem einzigen Haus fließen in 50 Jahren bis zu 100.000 Liter Wasser über die normale Kanalisation ab. Dieses Wasser versickerte früher im Boden und hielt den Grundwasserspiegel und die Wasserversorgung in Brunnen aufrecht. Bei 500 Häusern in einem Dorf werden pro Jahr 50 Millionen Liter Wasser abgeleitet. Vor allem deshalb sinkt der Grundwasserspiegel. Die Lösung ist, dass wir lernen müssen, wie man mit Regenwasser wirtschaftet“, fügt der Hydrologe hinzu.

Quellen versiegen

Nach Ansicht von Juraj Lukáč, dem Leiter der Waldschutzvereinigung VLK, spielen Wälder die wichtigste Rolle in der Wasserwirtschaft. „Die Leute haben nicht die leiseste Ahnung, wie Grundwasserreserven in den Wäldern und im Boden wieder aufgefüllt werden. Wenn es regnet, zerstäuben Bäume die Tropfen zunächst in winzig kleine Teilchen, die entlang ihrer Wurzeln wie durch ein riesiges, verzweigtes System von Drainagerohren in den Boden sickern. Bäume sind also nicht für die Wasserspeicherung wichtig, sondern für die Weiterleitung und Verteilung des Wassers im Boden. Zum Beispiel in den Sandstein im Flysch, aus dem die gesamte Nordostslowakei besteht, vom Gebirgszug nördlich der Stadt Levoča bis zum Höhenzug Bukovské vrchy. Gebirge aus Flyschgestein sind überhaupt am anfälligsten für Wasserknappheit.“

„Der ganze Witz ist, dass das Grundwasserreservoir in den Flyschgebirgen mindestens 1000 Jahre benötigt, bis es gefüllt ist. Stellen Sie sich vor, ein trockener Sandsteinberg saugt sich nach und nach mit Wasser voll. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es 1000 Jahre lang regnen muss, damit das Wasser einsickert und nach oben steigt. Wenn Sie die Bäume fällen, wie das hier vor zweihundert Jahren zum ersten Mal passiert ist, versickert das Wasser nicht im Boden, sondern fließt an der Oberfläche in einen Bach. Und der Grundwasserspiegel in den Bergen sinkt quasi um zweihundert Jahre. Die höchstgelegenen Quellen in den Bergen versiegen.

Sämtlicher Niederschlag bis zu 150 Millimeter pro Quadratmeter, das in einem funktionierenden Wald mit Bäumen fällt, versickert vollständig im Boden.

Wo kein Wald ist, fließt es von der Oberfläche direkt in Bäche. Das jüngste Wasser, das zum Beispiel in einem Bach ist, der durch einen guten Wald fließt, auch wenn es wie jetzt das ganze Jahr über nicht geregnet hat, ist Wasser, das vor zwanzig Jahren als Regen gefallen ist. Zwanzig Jahre altes Wasser“, erklärt der Waldschützer.

Aber in der Slowakei haben wir in den letzten 40 Jahren ununterbrochen abgeholzt, und die Wälder konnten nicht Schritt halten. Es gibt Karten, die zeigen, wie unsere Quellen in den Bergen austrocknen. In diesem Zeitraum sind sie ausgetrocknet und um 200 Höhenmeter hinunter gewandert. Der Grundwasserspiegel in den Vorgebirgen ist durch Kiesgestein mit Flüssen und Brunnen verbunden. Wenn also der Grundwasserdruck im Gebirge sinkt, sinkt auch der Grundwasserspiegel in den Brunnen. Tatsache ist, dass wir seit Jahrzehnten mehr Wasser entnehmen, als der Wald einspeisen kann. Und das ist das größte Problem“, sagt Juraj Lukáč.

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Der Text entstand mit Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung.

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