Zufällig entdeckt
Die Erfindung der Farbe Lila
Es ist eine dieser zufälligen Entdeckungen – oder ein Fehler, wie böse Zungen behaupteten – von denen die Wissenschaftsgeschichte übersät ist.
Im Jahr 1856 war William Henry Perkin ein gerade einmal 18 Jahre alter Student am Royal College of Chemistry in London. In seinem provisorischen Labor bei sich zu Hause versuchte er sich an der Synthese von Chinin, einem Wirkstoff, dessen Mittel zur Behandlung von Malaria als erwiesen galt. Die Gewinnung des Alkaloids aus der Rinde des hauptsächlich in Südamerika wachsenden Chinarindenbaums war teuer und so war das Rennen um die künstliche Herstellung des Wirkstoffs in vollem Gange.
Es ist eine dieser zufälligen Entdeckungen – oder ein Fehler, wie böse Zungen behaupteten – von denen die Wissenschaftsgeschichte übersät ist. Perkin war erfolglos bei seinem Versuch, durch die Mischung von Anilin, das aus Steinkohlenteer gewonnen wird, mit anderen chemischen Verbindungen künstliches Chinin herzustellen. Stattdessen resultierte aus der Fällung eine tiefviolette, in Wasser und Alkohol lösliche Substanz. Perkin tauchte ein Stück Seide hinein und stellte fest, dass die Substanz färbende Eigenschaften aufwies. Soeben hatte er den ersten synthetischen Farbstoff erfunden, Mauvein – oder Tyros-Purpur, wie er es zunächst nannte, in Anlehnung an eine antike Farbe, die ihren Ursprung in der Zeit der Phönizier hat.
Die Entdeckung erregte großes Aufsehen. Bis zu jenem Zeitpunkt ließ sich der Farbstoff Mauve nur auf natürliche Weise aus dem Drüsensekret von Purpurschnecken herstellen, die in der Gegend von Tyros (im heutigen Libanon gelegen) sehr verbreitet waren. Berichten zufolge waren 10.000 bis 12.000 Schnecken notwendig, um 1,5 Gramm Purpurfarbstoff herzustellen. Weil die Erzeugung des Farbstoffs so aufwendig war, ist nachvollziehbar, wie er zu einem Symbol für Macht und Reichtum wurde, von Kleopatra und Julius Cäsar bis zu Heinrich VIII., der es Jahrhunderte später anderen Menschen außer ihm selbst untersagte, diese Farbe zu tragen. Mit seiner Entdeckung demokratisierte Perkin die Farbe Mauve, die in den Modekreisen von Paris und London jener Epoche Furore machte.
Der junge Mann war sich der Bedeutung seiner Entdeckung wohl bewusst. Er ließ sich Mauveine patentieren und gründete die erste Fabrik für synthetische Farbstoffe. In den 1870er-Jahren wurden dort jährlich hunderttausende von Tonnen Farbstoffe produziert. Heute gilt Perkin als Erfinder der Industriechemie. Er inspirierte die Arbeit zahlreicher Chemiker*innen, die nach ihm neue Pigmente auf der Basis von Anilin erfanden, wie Fuchsin, Phenolblau oder Anilinblau.
Die Beliebtheit der Farbe Mauve ist bis heute kein bisschen verblichen. 2018 kürte Pantone „Ultra-Violet“ zur Farbe des Jahres und pries den Farbton als Ausdruck von „Originalität, Einfallsreichtum und visionärem Denken“. Zweifelsohne gebührt William Henry Perkin ein Teil dieser Anerkennung.
—
Annalisa Berbieri „The invention of the colour purple“, The Guardian (12. März 2015)
Regina Lee Blaszczyk The Color Revolution, Cambridge, MIT Press, 2012
Simon Garfield, Mauve: How One Man Invented a Colour that Changed the World, Edinburg, Canongate, 2018
Es ist eine dieser zufälligen Entdeckungen – oder ein Fehler, wie böse Zungen behaupteten – von denen die Wissenschaftsgeschichte übersät ist. Perkin war erfolglos bei seinem Versuch, durch die Mischung von Anilin, das aus Steinkohlenteer gewonnen wird, mit anderen chemischen Verbindungen künstliches Chinin herzustellen. Stattdessen resultierte aus der Fällung eine tiefviolette, in Wasser und Alkohol lösliche Substanz. Perkin tauchte ein Stück Seide hinein und stellte fest, dass die Substanz färbende Eigenschaften aufwies. Soeben hatte er den ersten synthetischen Farbstoff erfunden, Mauvein – oder Tyros-Purpur, wie er es zunächst nannte, in Anlehnung an eine antike Farbe, die ihren Ursprung in der Zeit der Phönizier hat.
Die Entdeckung erregte großes Aufsehen. Bis zu jenem Zeitpunkt ließ sich der Farbstoff Mauve nur auf natürliche Weise aus dem Drüsensekret von Purpurschnecken herstellen, die in der Gegend von Tyros (im heutigen Libanon gelegen) sehr verbreitet waren. Berichten zufolge waren 10.000 bis 12.000 Schnecken notwendig, um 1,5 Gramm Purpurfarbstoff herzustellen. Weil die Erzeugung des Farbstoffs so aufwendig war, ist nachvollziehbar, wie er zu einem Symbol für Macht und Reichtum wurde, von Kleopatra und Julius Cäsar bis zu Heinrich VIII., der es Jahrhunderte später anderen Menschen außer ihm selbst untersagte, diese Farbe zu tragen. Mit seiner Entdeckung demokratisierte Perkin die Farbe Mauve, die in den Modekreisen von Paris und London jener Epoche Furore machte.
Der junge Mann war sich der Bedeutung seiner Entdeckung wohl bewusst. Er ließ sich Mauveine patentieren und gründete die erste Fabrik für synthetische Farbstoffe. In den 1870er-Jahren wurden dort jährlich hunderttausende von Tonnen Farbstoffe produziert. Heute gilt Perkin als Erfinder der Industriechemie. Er inspirierte die Arbeit zahlreicher Chemiker*innen, die nach ihm neue Pigmente auf der Basis von Anilin erfanden, wie Fuchsin, Phenolblau oder Anilinblau.
Die Beliebtheit der Farbe Mauve ist bis heute kein bisschen verblichen. 2018 kürte Pantone „Ultra-Violet“ zur Farbe des Jahres und pries den Farbton als Ausdruck von „Originalität, Einfallsreichtum und visionärem Denken“. Zweifelsohne gebührt William Henry Perkin ein Teil dieser Anerkennung.
—
Annalisa Berbieri „The invention of the colour purple“, The Guardian (12. März 2015)
Regina Lee Blaszczyk The Color Revolution, Cambridge, MIT Press, 2012
Simon Garfield, Mauve: How One Man Invented a Colour that Changed the World, Edinburg, Canongate, 2018