Feb. 2023

Berlinale-Blogger*innen 2023  Vom Klassiker bis zur Serie – das breite Panorama indischen Filmschaffens

„And, Towards Happy Alleys". Regie: Sreemoyee Singh
„And, Towards Happy Alleys". Regie: Sreemoyee Singh Foto (Detail)© Happy Alley Films

Die Filme aus Indien auf der ersten Berlinale nach der weltweiten Pandemie zeichnen sich durch eine hohe Vielfalt aus: Das Themenspektrum reicht vom Widerstand gegen herrschende Verhältnisse bis hin zur ersten Liebe.

Der rote Teppich wurde ausgerollt, die Scheinwerfer leuchten und die Paparazzi sind allzeit bereit, dem frostig-kalten Berliner Februar zu trotzen. Die Berlinale findet 2023 endlich wieder statt und läutet den Beginn der Filmfestivalsaison in Europa ein.

Viele Beiträge aus Indien

In diesem Jahr sind es die geopolitische Spannungen, die auf dem Festival ihre Spuren hinterlassen, thematisiert werden vor allem der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der Volksaufstand im Iran. Die Berlinale ist bekannt dafür, anhand ihrer Filmauswahl zu politischen Themen Stellung zu nehmen, und 2023 sind die Ukraine und der Iran das Thema vieler Filme und Dokumentationen im Rahmen des Festivalprogramms. Aber auch Indien ist auf diesem berühmten europäischen Filmfest stark vertreten. So läuft etwa der Klassiker und zweite Film der zeitlosen Apu Trilogie Aparajito – Der Unbesiegbare von der Filmlegende Satyajit Ray im Rahmen der Retrospektive. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes, der sich mit der Modernisierung und der wachsenden Verbreitung westlichen Lebensstil in der indischen Gesellschaft konfrontiert sieht.

Porträt des Iran

Szene aus „And, Towards Happy Alleys” Szene aus „And, Towards Happy Alleys” | Foto (Detail): © Happy Alley Films Der vielleicht wichtigste indische Beitrag zur diesjährigen Berlinale handelt jedoch gar nicht von Indien. Das Filmdebüt von Sreemoyee Singh And, Towards Happy Alleys, gezeigt in der Sektion Panorama Dokumente, ist eine Ode an den Frieden und an widerständiges Verhalten aus der Perspektive feministischer Dichter*innen und Filmemacher*innen im Iran. Singh war für diesen Film in den Iran gereist, um sich mit der dortigen Dichtung und dem Filmgeschehen vertraut zu machen. Herausgekommen ist das berührende Porträt eines Landes, in dem massive Zensur und die Unterdrückung menschlicher Grundrechte an der Tagesordnung sind.

Singh lässt Regimekritiker wie die bekannten Filmemacher Jafar Panahi und Mohammad Shirvani zu Wort kommen. Der im Juli 2022 verhaftete Panahi wurde erst im Februar 2023 nach einem längeren Hungerstreik wieder entlassen.

Neben Singhs Dokumentation läuft in der Sektion Panorama mit Ghaath (Ambush – „Hinterhalt“) von Chhatrapal Ninawe ein weiterer indischer Beitrag. Der Film war 2021 aus dieser Sektion herausgenommen worden, nachdem die Produktionsfirma des Films, Jio Studios, den Beitrag offiziell zurückgezogen hatte. Ninawe hat inzwischen andere Produzenten gefunden, so dass der Film in diesem Jahr in der Sektion Panorama gezeigt werden kann.

Szene aus dem Marathi-Film „Ghaath” Szene aus dem Marathi-Film „Ghaath” | Foto (Detail): © Platoon One Films Ghaath wurde in der Sprache Marathi gedreht und spielt im tiefen Dschungel Zentralindiens, wo sich die Naxaliten, also unterschiedliche kommunistische Gruppierungen, und maoistischen Guerillas im ständigen Kampf mit den Streitkräften der Regierung befinden. Der Film mit Jitendra Joshi, Milind Shinde, Suruchi Adarkar, Dhananjay Mandaokar und Janardan Kadam in den Hauptrollen erzählt die Geschichte eines „betrunkenen Polizisten, eines Informanten und einer demoralisierten Guerilla.“ Indem er den Guerillakampf und die systematische Apathie des Staates zum Thema macht, bringt uns Ghaat einen weitgehend unbeachteten  Bürgerkonflikt im ländlichen Indien näher.

Erste Liebe – mit Grüssen aus Bollywood

Szene aus dem Film „Aatmapamphlet” Szene aus dem Film „Aatmapamphlet” | Foto (Detail): © Satyajeet Shobha Shriram Im Gegensatz zu den eher schweren Themen der Sektion Panorama präsentiert Aatmapamphlet (Autobiografisches Pamphlet) in der Sektion Generation 14plus eine Coming-Of-Age-Lovestory im Indien der 1990er-Jahre vor dem Hintergrund der allgegenwärtig spürbaren Globalisierung. Der von Ainash Bende auf Marathi gedrehte Film ist eine Hommage an die erste Liebe, nicht zuletzt dank Bollywood in der indischen Psyche fest verankert. Obwohl der Film als Komödie firmiert, liefert er auch unmissverständlich kritische Zwischentöne, etwa Kommentare zu den Themen Kaste und Religion, beides bestimmende Bestandteile des Alltags im ländlichen Indien.

In der Sektion Forum ist Priya Sens Film No Stranger At All (Überhaupt kein Fremder) zu sehen, eine Meditation über ein Delhi, das sich zwischen dem „Aufkommen des Faschismus in Indien und der globalen Pandemie“ zeigt. Während die Covid-19-Pandemie wütete, verbrachte Prija Sens zwei Jahre in der Stadt. Ihre hier entstandene Dokumentation nennt sie „unvollständige Fiktionen der Menschen, Orte und Proteste, die sich gegen die Sprache des Hasses stellen und Trauer und Euphorie der Stadt gleichermaßen zum Ausdruck bringen“.
 

Serien im Fokus

Szene aus der Serie „Dahaad” (Roar) Szene aus der Serie „Dahaad” (Roar) | Fot (Detail): © Excel Media & Entertainment Nachdem Reema Katgi und Zoya Akhtar bereits 2019 mit ihrem Blockbuster Gully Boy für ordentlich Rummel im Festivalpalast der Berlinale gesorgt haben, kehren sie nun mit der TV-Serie Dahaad (Roar - „Gebrüll“) zurück. Die Serie, die mit bekannten Namen wie Sonakshi Sinha, Vijay Varma, Gulshan Devaiah und Sohum Shah aufwartet, feiert als erste indische TV-Serie in dieser Sektion eine Premiere und hat eine Chance auf den Berlinale Series Award.


Leicht gekürzte und überarbeitete Fassung. Der Originalbeitrag findet sich hier.

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