Transgender  Eine Reise auf der Suche nach einem neuen Leben

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„Von Kirellos zu Karla” die Neugeburt einer arabischen Transsexuellen in Berlin. Als Kirellos Masoud in der fünften Klasse war, begann sein Körper weiblicher zu werden. Die Brüste wuchsen, die Hüfte wurde runder, auch die Tonlage seiner Stimme änderte sich.

„Es war schrecklich. Die Jungs in der Schule hänselten und mobbten mich, und zu Hause weigerte sich meine Familie anzuerkennen, dass ich weiblich bin. Mein Vater empfahl mir die Einnahme von Medikamenten zur Stärkung der männlichen Hormone sowie Stromstöße in Gehirn und Brust, um die Symptome, dass ich mich zu einer Frau entwickelte, zu verzögern”, erinnert sich Karla an die düstere Zeit ihrer Kindheit und Pubertät in Ägypten. Mit 18  wurde ihr Asyl in Deutschland gewährt und sie hatte die Möglichkeit,  ihr Geschlecht neu festzulegen. So wurde sie „Karla Masoud”, an Stelle von „Kirellos”.

Karla Masoud Karla Masoud | © Privat Kirellos kam in einem Dorf in Oberägypten zur Welt. Die Menschen dort leiden unter Armut umd Marginalisierung, die wirtschaftliche Entwicklung hinkt hinterher und die Gesundheitsversorgung ist schlecht. Sexuität ist ein sehr sensibles Thema, welches von maskulinen Werten dominiert wird. Geschlechtsanpassungen oder gar die Umwandlung von männlich zu weiblich oder andersherum werden von der Gesellschaft strikt abgelehnt und gleichen einem ungeheuren Skandal für die ganze Familie.
 
Inmitten der Gewalt, Schikane und gesellschaftlichen Verweigerung Kirellos sexuelle Identität als Frau anzuerkennen, fand er allein bei seiner Mutter Unterstützung. Unter Tränen pflegte sie zu sagen „Wenn Du männlich bist, bist Du mein Sohn, wenn Du weiblich bist, dann bist Du meine Tochter”, erinnert sich Karla.
 
Im September 2014 kam Kirellos nach Deutschland. Zwei Jahre lang erhielt er medizinische und psychische Betreuung, welche für Transgender von der Regierung finanziert wird. Als alle medizinischen Folgeuntersuchungen abgeschlossen waren, durfte Karlos seine neue Identität als Karla Masoud annehmen. Seit einigen Monaten ist Karla mit ihrem deutschen Freund Robert Zimmermann verheiratet.
 
Wir sprachen mit Karla über ihre Reise von Ägypten nach Deutschland, ihr neues Leben und die Herausforderungen, denen Transgender gegenüberstehen. Das Gespräch führte Islam Anwar.
 
Von „Kirellos” zu „Karla', wie hast Du diesen Übergang erlebt?
 
Insbesondere in Ägypten war es eine schmerzhafte, ja grausame Erfahrung. Ich bin mit den äußeren Merkmalen eines Jungen auf die Welt gekommen, deshalb dachte meine Familie, ich sei einer. Aber als ich in die Schule kam, identifizierte ich mich immer mehr als Mädchen, vor allem mit Beginn der Pubertät. Doch als ich dies meiner Familie mitteilte, erfuhr ich Demütigung und Gewalt. Sie fürchteten die lokalen Bräuche und Traditionen und lehnten meine Identität als Frau grundsätzlich ab. In der Pubertät wurden mir  Stromschläge versetzt, um die Entwicklung weiblicher Körpermerkmale zu hemmen und ich erhielt Morddrohungen. Daher floh ich von zu Hause und nach einer Weile gelang mir die Ausreise nach Deutschland, wo ich eine neue Identität als Karla Masoud bekam. 
 
Weshalb hast Du Deutschland als Zufluchtsort ausgewählt?
 
Das war Zufall. Nachdem meine Familie mich gejagt und Morddrohugen gegen mich ausgesprochen hatte, suchte ich nach Ländern, in denen die Bürger ihre sexuelle Identität frei wählen dürfen. In Deutschland ist dies der Fall und so stellte ich in der Deutschen Botschaft in Kairo Antrag auf Asyl. Nach meiner Ankunft begann ich mit den Vorbereitungen dafür, eine weibliche Identität zu erhalten: Für eine Geschlechtsänderung schreibt das deutsche Gesetz eine zweijährige Begleitzeit durch einen Psychologen und einen Hormonspezialisten vor, um die Rehabilitation des Patienten zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er gut auf sein neues Leben vorbereitet ist. Dies war eine wichtige und entscheidende Phase für mich. Ich erfuhr sehr viel Unterstützung und Vertrauen von meinem Psychologen und den Freunden, die ich in Deutschland kennengelernt hatte.
 
Hattest Du Schwierigkeiten, Dich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren?
 
Bis auf das Erlernen der Sprache hatte ich keinerlei Schwierigkeiten, in der deutschen Gesellschaft schätzt man Vielfalt und respektiert die Anderen. Glücklicherweise wohne ich im multikulturellen Berlin, in den vier Jahren, die ich nun schon hier lebe, wurde ich noch nie nach meiner sexuellen Identität, meiner Religion oder Nationalität gefragt.
 
Was waren die einschneidensten Momente auf Deiner Reise von Ägypten nach Deutschland?
 
Der Augenblick, als ich am Flughafen Berlin ankam. Ich bin sofort zu den Toiletten geeilt und habe mich umgezogen, dafür hatte ich extra ein Kleid in meinen Koffer gepackt. In diesem Moment habe ich zum ersten Mal Freiheit und Sicherheit gespürt und mein Recht darauf, entsprechend meiner sexuellen Identität zu leben. Das war ein entscheidender Augenblick in meinem Leben. Und auch, als ich meinen deutschen Personalausweis und Reisepass mit dem Namen Karla, statt Karlos, erhielt. Da fühlte ich mich wie neugeboren. 
 
Trotz Deines neuen Lebens in Berlin und obwohl Du Deutsch gelernt hast, schreibst Du auf Deiner Facebook-Seite auf Arabisch und verfolgst die Ereignisse in Ägypten und dem Nahen Osten. Wie sieht die Beziehung zwischen Deiner Vergangenheit und Deiner Gegenwart aus?
 
In den sozialen Netzwerken schreibe und kommuniziere ich auf Arabisch, denn im Nahen Osten gibt es Hunderte Transsexuelle, die von ihren Gesellschaften abgelehnt und verfolgt werden, und ihre Rechte nicht kennen. Ich versuche, sie zu unterstützen, ihre Rechte zu verteidigen und ihnen Hoffnung zu geben auf eine neues Leben in Freiheit und Würde.
 
Du hast Deinen Freund Robert Zimmermann geheiratet. Was bedeutet dieser Schritt für Dein Leben und wie sehen Deine Zukunftspläne aus?
 
Robert ist nicht nur mein Mann, er ist mein Freund. Er gehört zu den Menschen, die mich am meisten unterstützt und an mein Recht geglaubt haben, das Leben zu führen, das ich für mich wähle, nicht dasjenige, das mir aufgezwungen wird. Ich danke ihm sehr für seine Unterstützung und Liebe. Bezüglich der Zukunft denke ich, dass wir ein Kind adoptieren werden, und dass ich mein Studium abschließe und ins Arbeitsleben einsteigen werde. 

Karla Masoud © Privat