Nachhaltige Wirtschaft in Jenin  Eine wachsende Saat

Ein palästinensischer Farmer erntet Oliven im Dorf Kufr Dan in der Stadt Jenin.
Ein palästinensischer Farmer erntet Oliven im Dorf Kufr Dan in der Stadt Jenin. Foto (Detail): © Mohammad Zawahreh

Wer hat Zugang zu internationalen Märkten und wie könnten diese Märkte sozial und wirtschaftlich nachhaltiger gestaltet werden? Canaan Fair Trade aus Palästina will den Markt für Olivenöl auf den Kopf stellen.

 

In den Palästinensischen Gebieten ist Olivenöl ein Grundnahrungsmittel wie Wasser. Die Bauern verdienen den Lebensunterhalt ihrer Familien vor allem mit dem Olivenanbau und kultivieren daher nur selten andere Ackerpflanzen und Bäume. Eine 1-Liter-Flasche Olivenöl kostet im Verkauf beispielsweise 40 bis 60 Schekel (etwa 11-16 Euro), während ein Kilo Gurken oder Tomaten nur etwa einen Euro einbringt. Olivenöl ist nicht nur lukrativer, sondern auch in nahezu jedem Gericht der palästinensischen Küche enthalten. Außerdem verkaufen Landwirt*innen das Olivenöl, das sie nicht für den Eigenbedarf benötigen, vor allem an Nachbar*innen und Freund*innen zu einem angesichts der hohen Qualität sehr günstigen Preis.

Eine palästinensische Familie bei der gemeinsamen Olivenernte im Dorf Kufr Dan in der Stadt Jenin Sehr oft ist die Olivenbaumernte ein Familienunternehmen, und vor allem die Söhne und Enkel helfen den Versorgern. | Foto: © Mohammad Zawahreh

Aus den Palästinensischen Gebieten in die Welt

In der Vergangenheit wurde das Olivenöl ausschließlich von Einheimischen gekauft, die keine eigenen Olivenhaine besitzen. Inzwischen spricht sich die Qualität des palästinensischen Olivenöls jedoch immer weiter herum und sorgt für steigenden Absatz auf internationalen Märkten, allen voran in den USA. Diese Entwicklung ist vor allem auch Canaan Fair Trade in Palästina zu verdanken.

Canaan Fair Trade ist eine bekannte Organisation in den Palästinensischen Gebieten, die die Oliven ihrer landwirtschaftlichen Kooperationspartner*innen zu Olivenöl verarbeitet und in Flaschen abfüllt. Zwei Dinge sind dem in Jenin angesiedelten Unternehmen wichtig: Erstens, dass palästinensische Landwirt*innen einen tatsächlichen Nutzen aus ihren Olivenhainen ziehen können und zweitens, dass der symbolische Wert der Olivenbäume erkannt wird. „Olivenöl ist die am weitesten verbreitete Einnahmequelle und gehört zu den Hauptzutaten der palästinensischen Küche. Es steht für die palästinensische Identität. Unsere Olivenbäume können bis zu 2000 oder 3000 Jahre alt sein“, so Dr. Naser Abu Farha, Gründer und Leiter von Canaan Fair Trade in Palästina. Die symbolische Bedeutung des Olivenöls liegt nicht nur in der palästinensischen Küche begründet, sondern auch in der Kraft, die der Olivenbaum verkörpert. Einfach gesagt gibt es in Palästina die traditionelle Überzeugung, dass die Menschen so lange in den besetzten Gebieten bleiben, wie es dort Olivenbäume gibt. Damit wird auf die Fähigkeit der Bäume angespielt, auch unter widrigen Umständen zu existieren und zu gedeihen.

Dr. Naser Abu Farha, Inhaber von Canaan Fair Trade Dr. Naser Abu Farha, Inhaber von Canaan Fair Trade, Anthropologe und Unternehmer | Foto: © Mohammed Zawahreh Zudem bemüht sich Canaan um ein umweltfreundliches weltweites Exportsystem für palästinensisches Olivenöl. Canaans Geschäftsidee besteht darin, Oliven zu kaufen und das daraus gewonnene Öl zu exportieren, und darüber hinaus unterschiedliche Feldfrüchte zu kultivieren, um die Bodengesundheit zu erhalten und die Ernten an die lokale Bevölkerung zu verkaufen.

Produkte mit negativer CO2-Bilanz

Canaans Philosophie besteht darin, die Erträge bestmöglich zu nutzen. Eine Diversifizierung des Anbaus fördert die Bodengesundheit und mindert den Befall durch Schädlinge und Krankheiten. „Indem die Landwirt*innen für mehr Stickstoff und Kohlenstoffbindung und einen höheren Feuchtigkeitsgehalt in den Böden sorgen und unterschiedliche Kulturpflanzen anbauen, anstatt nur auf Olivenbäume zu setzen, sind sie besser vor dem Klimawandel und seinen negativen Auswirkungen auf die Kulturpflanzen und Ernten geschützt“, erläutert Abu Farha. Er fügt hinzu: „Durch die Diversifizierung des Anbaus werden die Böden als wichtigste Kohlenstoffspeicher der Welt fruchtbarer und liefern den Menschen zusätzliche Nahrungsmittelquellen“. Die Pflanzen nehmen das Kohlendioxid auf und wandeln es in Energie um. Wenn die Pflanzen sterben, setzen sie während des Zersetzungsprozesses Kohlendioxid frei. Dieser Kreislauf ist bei einer größeren Vielfalt von Kulturpflanzen und Bäumen deutlich effizienter.

Aus diesem Grund haben die Erzeugnisse von Canaan eine negative CO2-Bilanz. „Die Böden geben kein Kohlendioxid ab, sondern nehmen es auf“. Für jedes exportierte Kilogramm Olivenöl werden bei Canaan Fair Trade durchschnittlich 13 Kilogramm Kohlenstoff gebunden. „All dies steht für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und trägt zu einer Stärkung der Wirtschaftsleistung bei“, führt Abu Farha weiter aus.

Die Ressourcen auf unserem Planeten sind begrenzt und sollten daher nicht vergeudet werden. Aus diesem Grund will Canaan die Flächen so gut wie möglich für die Entwicklung eines effizienten und nachhaltigen Systems nutzen.

Ein Mitarbeiter von Canaan Ein Mitarbeiter von Canaan bei der Arbeit an der Presse, die Oliven zu Olivenöl verarbeitet. | Foto: © Mohammed Zawahreh Neben Canaans Projekt gibt es in den Palästinensischen Gebieten weitere Projekte, die auf die Entwicklung einer auf landwirtschaftliche Diversifizierung anstatt auf Monokultur gestützten Wirtschaft abzielen. Das Unternehmen hat durch den Schritt von der Landwirtschaft in die Agrarindustrie bereits in der internationalen Branche Fuß gefasst.

Eine Anhebung der Kaufpreise als Reaktion auf sinkende Verkaufspreise

Der 57 Jahre alte Sozialunternehmer und Anthropologe Dr. Naser Abu Farha startete das Projekt nach seiner Rückkehr aus den USA, wo er zuvor gelebt und studiert hatte. Damals im Jahre 2004 waren die Verkaufs- und Einkaufspreise für Oliven so niedrig, dass die Landwirt*innen nicht von ihren Ernten leben konnten. Das Geld, das sie mit dem Verkauf ihrer Oliven für die Weiterverarbeitung zu Olivenöl verdienten, bot keinen angemessenen Ausgleich für ihre harte Arbeit und ihren Aufwand. Erschwerend hinzu kommt für viele Menschen in Palästina die Besatzungssituation, die es ihnen unmöglich macht, ihr gesamtes Land zu nutzen und zu kontrollieren.

Angesichts dieser Lage gründete Abu Farha Canaan und unterstützte die Landwirt*innen, indem er ihre Oliven im Herbst während der jährlichen Olivenernte zu einem Preis aufkaufte, der ihnen einen Gewinn garantierte. Das Unternehmen konnte im Verlauf seines über 15-jährigen Bestehens Kontakte zu 2500 landwirtschaftlichen Erzeugerfamilien in 54 verschiedenen Städten in den Palästinensischen Gebieten aufbauen.

Die Oliven werden zunächst in Burqueen, einem Dorf nahe Jenin, sortiert und gepresst und anschließend zu reinem Olivenöl in Bioqualität verarbeitet. Nach diesem Prozess wird das Öl in die USA und in mehrere europäische Länder exportiert. Wenn die Erzeuger*innen ihre Oliven nicht an Canaan verkaufen wollen, können sie ihr Öl auch selbst vermarkten, nachdem sie ihre Oliven kostenfrei in der Ölmühle von Canaan gepresst haben.

Olivenöl in der letzten Phase der Herstellung Olivenöl in der letzten Phase der Herstellung: sauber, rein, frisch und intensiv. | Foto: © Mohammed Zawahreh

Wie Canaan den lokalen Markt veränderte

Abu Farha setzt auf Qualität. Er garantiert den Produzenten Einnahmen, auch wenn die Olivenbäume nur die Hälfte der möglichen Erträge bringen. Nach Angaben von Dr. Abu Farha macht seine Kundschaft angesichts der Qualität des Öls auch bei einem höheren Preis keinen schlechten Deal. Canaan exportiert Erzeugnisse im Wert von 12 Millionen Dollar in die USA. Dieser Erfolg ist der Qualität des Öls zu verdanken. Die wiederum wird von den vielen Landwirt*innen gewährleistet, die ihre Arbeit in den Olivenhainen mit großer Sorgfalt verrichten. Mit Hilfe der Preise will die Organisation marginalisierte Gruppen in den Palästinensischen Gebieten stärken, beispielsweise unterbezahlte landwirtschaftliche Erzeuger*innen. Dieser Grundsatz gilt, wie Abu Farha betont, auch für Canaans Kooperationspartner.
Workin
Zur Veranschaulichung: Im Jahre 2004 erhielt ein Landwirt acht Schekel (heute etwa 2,20 Euro) für ein Kilo Oliven. Diesen Preis hat Canaan auf 16 Schekel verdoppelt. Der Preisanstieg hat höhere Einkommen und damit eine Stärkung der Landwirt*innen und ihrer Familienangehörigen zur Folge. Aktuell liegt der Kilopreis bei etwa 27 Schekel (ungefähr 8 Euro).
 
 

Mit den Landwirt*innen arbeiten

Canaan hat die Erzeuger*innen beim Aufbau lokaler und internationaler Kontakte unterstützt. Zu Beginn der 2000er Jahre bot der unrentable Olivenanbau den Menschen auf dem Land keine interessante Einnahmequelle. Die Zahl der Helfer aus der eigenen Familie in der Erntezeit war daher begrenzt. Früher dagegen kam die gesamte Familie für die Olivenernte zusammen und sammelte tagelang Oliven. Canaans Investitionen in den Olivenmarkt und der daraus resultierende Einkommenszuwachs bei den Landwirt*innen haben dazu beitragen, dass das soziale Interesse an der Olivenernte bei den Familien in der Region wieder zugenommen hat. Außerdem hat Canaan Kontakte zwischen lokalen Landwirt*innen und Unternehmen außerhalb der Palästinensischen Gebiete ermöglicht, was früher vor allem im Zusammenhang mit Olivenöl undenkbar gewesen wäre. Lange Zeit wurden die Oliven geerntet, zu Öl verarbeitet und von den Familien als Grundzutat beim Kochen verwendet. Dank Canaan haben sie nun die Möglichkeit, ihr Öl an Unternehmen in aller Welt zu verkaufen, wodurch sich der Marktzugang palästinensischer Landwirt*innen deutlich verbessert hat. Abu Farha legt Wert darauf, dass seine landwirtschaftlichen Kooperationspartner nicht für, sondern mit Canaan arbeiten.
 

Wie kommen wir weg von fossiler Energie?

Ungefähr 90 Prozent aller Treibhausgasemissionen sind auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückzuführen. Die Nutzung fossiler Energie ermöglichte seit der Industrialisierung das kontinuierliche Wirtschaftswachstum im globalen Norden – der damit den Klimawandel hauptsächlich verursacht hat. Von den Folgen sind aber vor allem Länder aus dem globalen Süden betroffen. Dabei sind Wind und Sonne mittlerweile in 85 Prozent der nationalen Märkte die preiswertesten Formen der Stromerzeugung, wenn es um den Bau neuer Kraftwerke geht. Noch sieht die Energiewelt allerdings insgesamt nicht sehr erneuerbar aus. Der Internationalen Energieagentur zufolge hatten fossile Energieträger 2019 noch immer einen Anteil von vier Fünfteln am Primärenergieverbrauch weltweit. Das muss sich ändern. In unseren drei Reportagen zum Thema „Fossile Energie“ schauen sich die Autor*innen drei Lösungsansätze zur Energiewende an und fragen, wie wir unsere Wirtschaftsweise ändern können.