Auslöschung der Artenvielfalt, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Pandemien, wachsende Armut, Anhäufung von Reichtümern – auch die Arbeitswelt ist mitschuldig an diesen Zuständen. Darum suchen mehr und mehr Menschen eine Möglichkeit, wie sie im Einklang mit den Werten der Solidarität und Ökologie einen Beitrag leisten – kurz: nachhaltig arbeiten – können.
Inwiefern ist die Arbeitswelt mitschuldig an Umweltkatastrophen und sozialen Ungleichheiten?
Die heutige westliche Gesellschaft zeichnet sich durch ihren übermäßigen Konsum und ihre Ausrichtung auf riesige Infrastrukturen und Technikindustrien aus. Das koloniale Erbe und die globalisierte kapitalistische freie Marktwirtschaft ermöglichen einigen Unternehmen einen Produktivismus außerhalb aller sozial-ökologischen Standards und zu äußerst geringen Kosten.
Allmählich wird immer mehr Menschen die Verantwortung der Arbeit für die Umwelt- und Gesellschaftskrise bewusst. Ingenieurberufe werden von jungen Absolvent*innen angeprangert und aufgegeben. Sogar jenen Branchen, die mit ökologischem Wandel in Verbindung gebracht werden – industrielle Windenergie, Biokraftstoffe und Biogas, Abfallwirtschaft – wird heute Greenwashing vorgeworfen: ein Täuschungsmanöver, das darin besteht, das Firmenimage grüner erscheinen zu lassen, während umweltschädliche Praktiken vertuscht werden.
Die Corona-Pandemie hat die Widersinnigkeit der Arbeitswelt ans Licht gebracht: viele Berufe, die an Gesellschafts- und Umweltschäden mitwirken, genießen ein hohes wirtschaftliches und soziales Ansehen, während jene, die zum Gemeinwohl beitragen, nicht anerkannt werden. Der Lockdown hat Bullshit-Jobs sichtbar gemacht, sinn- und nutzlose Berufe, die einfach nur der Beschäftigung dienen. Gleichzeitig wurden Care-Berufe plötzlich gefeiert. Dazu zählt die Betreuung von Personen in den Bereichen Hausreinigung, Gesundheit, Soziales und Bildung. Diese oft wirtschaftlich und gesellschaftlich schlecht angesehenen Berufe werden hauptsächlich von Frauen ausgeübt.
Was ist nachhaltige Arbeit?
Heute erproben Umwelt- und soziale Initiativen unterschiedliche Möglichkeiten, zum Gemeinwohl beizutragen. Im Marais Poitevin, einer Sumpfregion in Frankreich, eröffnete eine Genossenschaft 2007 eine Jurten-Werkstatt und einen Öko-Campingplatz: La Frênaie. Diese Initiative entstand aus dem Wunsch, sowohl einen gesunden, ökologischen, selbstgebauten und erschwinglichen Wohnraum zu entwickeln, als auch in einem bedrohten und schützenswerten Gebiet mit großer Artenvielfalt einen Ort zur Schulung in Umweltthemen zu erschaffen. Nicht ein*e Chef*in hat die Macht, sondern die Macht, das Wissen und die Arbeitswerkzeuge werden geteilt. In Savoyen baut ein kleiner Bauernhof, l’Étoile Verte, seit 2008 Heilpflanzen und Spirulina an. Spirulina ist eine Cyanobakterie mit außergewöhnlichem Nährwert. Der Bauernhof verkauft lokal, funktioniert wie La Frênaie mit flacher Hierarchie und wehrt sich gegen ein kapitalistisches Expansionsmodell.
Wenn man bedenkt, dass Arbeit bedeutet, seine Zeit, seinen Körper und seinen Geist für etwas einzusetzen, bieten diese Initiativen eine wahre Fundgrube an Ideen zum Thema nachhaltige Arbeit. Nachhaltigkeit bezeichnet ganz allgemein Bedingungen, die es der Menschheit ermöglichen, ihren Fortbestand zu sichern. Dabei geht es selbstverständlich darum, die Grenzen des Planeten zu respektieren, aber auch darum, dass der Fortbestand unter Wahrung der Menschwürde möglich ist. Nachhaltigkeit muss also eine soziale Komponente beinhalten. Außerdem darf diese Form der Ökologie keine systemische Unterdrückung aufgrund von Klasse, Geschlecht oder Rasse dulden.
Welchen Handlungsbedarf bringt der Aufschwung nachhaltiger Arbeit mit sich?
In Marseille haben ehemalige McDonald’s-Mitarbeiter*innen, die nach langem Arbeitskampf entlassen wurden, ihr Restaurant beschlagnahmt, um daraus einen solidarischen Ort zu machen, der urbane Landwirtschaft und gesunde Ernährung fördert und gegen Armut ankämpft: Après M. Das Ziel der ehemaligen Angestellten, der Einwohner*innen und Händler*innen des Viertels und aller, die sich bei Après M engagieren, ist die Verwaltung des „sozialen Fast-Food-Restaurants“ durch einen gemeinnützigen Verein. Denn die Leute werden nicht bezahlt. Armut ist eine Realität für Millionen Ehrenamtliche, die sich mit ihrer Arbeit für das Gemeinwohl einsetzen. Und es ist die Realität vieler Aktivist*innen, die ihr Leben dem Kampf um ökologische und soziale Gerechtigkeit widmen und dabei unsere gesellschaftlichen Errungenschaften und unsere Umwelt verteidigen.
Daher scheint es notwendig, einen kollektiven Lebensunterhalt zu organisieren, damit jede*r auf eine gerechte Weise mit Sinn und Würde etwas zu unserer Gesellschaft beitragen kann. Lösungswege könnten die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, die Entlohnung Ehrenamtlicher durch die Schaffung zahlreicher Stellen im öffentlichen Dienst, eine bedeutende Aufwertung der sogenannten systemrelevanten Berufe und eine kollektive und flache Organisation der Lebensbedingungen auf lokaler Ebene sein.