Umweltschutz  3 min Klimawandel in Ägypten: Alexandria oder das Meer?

Barrieren gegen den steigenden Meeresspiegel in Alexandria
Barrieren gegen den steigenden Meeresspiegel in Alexandria © Karim El-Gawhary

In Ägypten findet die Weltklimakonferenz COP27 statt. Im ägyptischen Alexandria sind die Folgen des Klimawandels bereits spürbar.

Die Bollwerke im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels liegen 200 Meter vor der Küste draußen im Mittelmeer. Eine Reihe von Wellenbrechern aus riesigen Zementblocks, jeder einzelne mehrere hunderte Meter lang, trotzen der Brandung. Sie sollen der ägyptischen Stadt Alexandria mit ihren fünf Millionen Einwohnern, ihren Häusern und den archäologischen Stätten, wie der Zitadelle, an der Stelle, wo einst das Weltwunder des Leuchtturms von Alexandria stand, vor dem steigenden Meeresspiegel, den immer höheren Wellen und den zunehmenden Stürmen Schutz gewähren. 

Jetzt im Spätsommer stellt die Brandung für die Wellenbrecher keine große Herausforderung dar. Friedlich plätschern die Wellen gegen den Beton. Ein paar Angler haben es sich auf den Blöcken bequem gemacht, und versuchen ihr Glück. Aber allein die Tatsache, dass mittels über eine Landzunge herbeigeschaffte Kräne gerade an neuen Brechern gebaut wird, vermittelt den Eindruck einer kommenden Bedrohung. Stück für Stück versenken sie die mannshohen Betonblocks im Meer. 

Sie arbeiten gegen die Zeit, denn letzten Winter war die Bedrohung des Meeres für die Stadt schon deutlich zu spüren. Bei Stürmen hatte das Meer die Corniche, die berühmte Küstenstraße Alexandrias, erobert. Dramatische Handyvideos zeigen, wie meterhohe Wellen über die Strandclubs hereinbrachen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, zurück in Meer spülten. 

Während der letzten Weltklimakonferenz im schottischen Glasgow 2021 hatte der Gastgeber und damalige britische Premierminister Boris Johnson in einer seiner Reden Alexandria als Beispiel für eine der Städte genannt, die bei einem globalen Temperaturanstieg von vier Grad vollkommen im Meer versinken würden.

Der Meeresspiegel steigt, während sich das Nidelta geologisch senkt

Auch Mohamed Scherif, der Gouverneur von Alexandria, der uns auf die Baustelle der neuen Wellenbrecher eingeladen hat, um uns zu zeigen, was die Stadt zu ihrem Schutz unternimmt, ist besorgt.  „Viele Forscher sagen, dass die Stadt Alexandria zu den fünf am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Städte der Welt gehört und dass sie in den nächsten 30 Jahren komplett versinken könnte“, redet er nicht lange um den heißen Brei herum.  

„Die Wellen werden immer höher. Früher waren sie maximal eineinhalb Meter hoch, heute können sie drei oder dreieinhalb Meter hoch werden. Und die Frequenz der Stürme im Winter ist gestiegen“, beschreibt er die schon heute spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. 

Ägyptens Küste und vor allem das niedriger gelegene Nildelta haben eine doppeltes Problem. Der Spiegel des Mittelmeeres steigt, während sich das Delta geologisch senkt. Daher wurde dort in den letzten Jahrzehnten ein Netz an Dämmen errichtet, um vorläufig Schlimmeres zu verhindern.  „Aber das alles kostet Geld, viel Geld“, sagt die ägyptische Ingenieurin Azza Abdel Hamid. Sie ist sozusagen die oberste Wächterin Alexandrias über das Meer.

Abdel Hamid leitet in Alexandria die Behörde, die mit dem Schutz der Küste beauftragt ist. Dort werden die kilometerlangen Wellenbrecher und Dämme geplant und ausgeführt. Allein die erforderlichen Maßnahmen vor der Stadt Alexandria und ihrer Umgebung kosten umgerechnet über 82 Millionen US-Dollar“, sagt sie. „Wir brauchen ein größeres Budget, neue Optionen und neue, vielleicht auch ungewöhnliche Ideen“, fordert sie und fühlt sich etwas alleingelassen.

Eine Frage der Gerechtigkeit

„Um das zu stemmen, brauchen wir die Hilfe der Länder, die das Ganze eigentlich mit ihrem Co2-Ausstoß verursacht haben. Ich denke, das wird auch ein wichtiges Thema auf der nächsten Weltklimakonferenz sein“. Diese Konferenz, auch COP27 genannt, wird ab dem 6. November im ägyptischen Rotmeer-Badeort Scharm El-Scheich stattfinden. Neben weiteren Maßnahmen, die den globalen CO2-Austoß reduzieren sollen, um den globalen Temperaturanstieg einzugrenzen, wird es in einem zweiten großen Thema auf der Konferenz auch um „Adaption“ gehen. Damit sind Maßnahmen gemeint, um den bereits vorhandenen Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Und dabei geht es hauptsächlich um Geld. 

Tatsächlich geht es hier um eine grundsätzliche Frage von Gerechtigkeit. Ägypten ist gerade einmal für 0,6 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich und fühlt sich wie viele der Länder des globalen Südens bei der Bekämpfung der Auswirkungen des Klimawandels alleingelassen. „Der CO2-Austoß Ägyptens macht nur einen sehr kleinen Teil der weltweiten Emissionen aus, aber wir tragen hier in Alexandria einen erheblichen Teil des Risikos“, sagt Scherif, der Gouverneur der Stadt.  

Und Alexandria läuft die Zeit davon. „Die Forschung zeigt uns, dass all die Maßnahmen, die wir in den letzten Jahren unternommen haben, nicht ausreichen werden. Die Wellen werden jedes Jahr höher, es regnet immer mehr und die Stürme kommen immer öfter und sie sind heftiger“, blickt der Gouverneur von Alexandria sorgenvoll in die Zukunft. Und die Ingenieurin Abdel Hamid, zögert keine Sekunde mit der Antwort auf die Frage, ob sie oder das Meer den Wettlauf am Ende gewinnen werden. „Wenn es so weitergeht, dann langfristig ohne Zweifel das Meer“.