Restitutionsdebatte um Benin-Bronzen Der gesetzeswidrige Wunsch nach Rückgabe
Benin-Bronzen werden in Museen in aller Welt ausgestellt, doch die größte Sammlung befindet sich im British Museum. Während Deutschland die Rückgabe der in seinem Besitz befindlichen Bronzen angekündigt hat, berufen sich einige nationale Institutionen in England auf gesetzliche Vorgaben, die ihnen eine solche Restitution untersagen. Inwiefern beeinflusst die Regierung die Möglichkeiten britischer Museen, die Objekte zurückzugeben?
„Ein Relikt aus dem Empire und der Kolonialzeit“
Die Kritiker*innen des British Museum, und es sind nicht wenige, werfen den Verantwortlichen vor, sich hinter dem Gesetz von 1963 zu verstecken, um sich nicht ihrer moralischen Verantwortung stellen zu müssen. Nach Ansicht von Professor Tijani ist der angeführte Rechtsgrund „eine Ausrede. Wenn das British Museum der Regierung eine Handlungsempfehlung erteilte, würde die Regierung diesem Wunsch auch nachkommen.“ Allerdings bilden die 25 Mitglieder des Board of Trustees am British Museum, die in der Mehrzahl vom Premierminister und in einem Fall von der Krone ernannt werden, traditionell ein konservatives Lager. Als die ägyptische Schriftstellerin Ahdaf Soueif 2019 aus dem Ausschuss austrat, nannte sie neben anderen Gründen auch die Verweigerungshaltung des Museums gegenüber einer Restitutionsdebatte. Sie beklagte, dass ein Museum, das „im Imperium und in der kolonialen Praxis geboren und aufgewachsen ist, … kaum spricht“. Ein Mitglied des Board of Trustees sowie Kurator*innen vertrauten mir an, dass ihnen der Umgang mit dem Raubgut aus der Zeit des Empire Unbehagen bereite. Doch auch zwei Jahre nach Soueifs Rücktritt und trotz einer intensiven öffentlichen Debatte über das koloniale Erbe sind die Stellungnahmen aus der Presseabteilung des British Museum so vage und zurückhaltend wie eh und je.„Großbritannien kann nicht länger bestreiten, dass diese Artefakte gestohlen wurden.“
Doch selbst wenn das British Museum bereit gewesen wäre, sich in der Frage der Benin‑Bronzen mit der aktuellen Regierung auseinanderzusetzen, befindet es sich nach der Coronavirus‑Pandemie in einer geschwächten Position. Normalerweise zählt das Museum jährlich sechs Millionen Besucher*innen. Doch in den Jahren 2020 und 2021 musste es seine Tore lange Zeit schließen und konnte nur 160.000 Menschen empfangen, von denen gerade mal 3.000 aus dem Ausland kamen. Das Museum kämpfte mit Einnahmeverlusten aus Eintrittsgeldern und anderen Quellen von 93 beziehungsweise 97 Prozent. Die Regierung glich diese Verluste mit einer Nothilfe aus. Als Oliver Dowden den Museen in einem Schreiben nahelegte, sich nicht an politischen und anderen Aktionen zu beteiligen, rief er ihnen darin auch ihre finanzielle Abhängigkeit von seiner Regierung in Erinnerung. Viele Kurator*innen werteten dies als unverhohlene Drohung. Vor diesem Hintergrund wäre es eine Überraschung, wenn das British Museum das Interesse an politischen Kämpfen mit der Regierung nicht verloren hätte.
Der gesetzeswidrige Wunsch nach einer Rückgabe von Objekten
Im Oktober 2021 übernahm George Osborne den Vorsitz im Board of Trustees des British Museum. Obwohl Mister Osborne in einer früheren konservativen Regierung das Amt des Schatzkanzlers (Finanzministers) bekleidete, vertritt er in kulturellen Fragen vermutlich eine deutlich liberalere Haltung als die meisten Minister*innen der aktuellen Regierung. Noch ist nicht ersichtlich, wie und ob sich seine Ernennung auf die Situation auswirken wird. In der Zwischenzeit ist nicht davon auszugehen, dass das British Museum seine Haltung zum Umgang mit den Benin‑Bronzen ändert, auch wenn es sich dadurch in der Benin Dialogue Group von den europäischen Museen und nigerianischen Institutionen zunehmend isoliert. Aus Museumskreisen ist zu hören, dass die Errichtung eines neuen Museums in Benin‑Stadt ausdrücklich unterstützt wird, man grundsätzlich bereit sei, eine nicht näher bestimmte Anzahl von Bronzen als Leihgabe bereitzustellen, und sich darüber hinaus zurzeit mit ähnlichen archäologischen Projekten befasse. Zudem wolle man sich durch eine Beteiligung am Projekt Digital Benin um mehr Transparenz für die eigene Sammlung von Benin‑Bronzen bemühen.„Großbritanniens konservative Regierung [ ...] kann sich aus ideologischer Sicht nur schwer mit der Idee einer Wiedergutmachung von Schäden aus der Vergangenheit anfreunden, wenn zu diesem Zweck die Sammlungen nationaler Museen aufgelöst werden müssten.“
Beispielsweise unterliegen Museen in Schottland nicht denselben Gesetzen wie nationale Institutionen in England. Das Horniman Museum in London (das über 50, im Jahre 1897 entwendete Benin‑Objekte verfügt), das Cambridge Museum of Archaeology and Anthropology (etwa 160 Objekte) und das Pitt Rivers Museum in Oxford (etwa 105 Objekte) erklärten ebenso wie Museen in Newcastle und Bristol ihre Bereitschaft zu einem Restitutionsdialog. Doch staatlich finanzierte Museen wie das Horniman unterliegen einem starken politischen Druck. Der Kurator eines dieser Museen, der für eine umfangreiche Sammlung von Benin‑Bronzen zuständig ist, beschrieb dies in einem Gespräch als ein Gefühl des Gefangenseins zwischen dem Wunsch, das Richtige zu tun, und der Notwendigkeit, die Regierung nicht zu provozieren. Das Aberdeen University Museum und das Jesus College an der Cambridge University konnten dank einer größeren Unabhängigkeit die Rückgabe einzelner Objekte an das NCMM beschließen.
„Ein Gefühl des Gefangenseins zwischen dem Wunsch, das Richtige zu tun, und der Notwendigkeit, die Regierung nicht zu provozieren.“
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