INTERVIEW MIT EMILY HAWROTH Könnten Quantencomputer das Klima retten?
Quantencomputer könnten in naher Zukunft einen großen Beitrag zur Entwicklung sauberer Technologien leisten. Könnten – denn noch ist nicht sicher, ob in den nächsten zehn bis 20 Jahren ein ausreichend robuster Computer dieser Art gebaut werden kann. Wir sprachen mit Quantenexpertin Emily Haworth von der Technischen Universität München über das Potenzial eines „Quantensprungs“ – und warum wir uns besser nicht darauf verlassen sollten.
Frau Haworth, worin liegt das große Potenzial von Quantencomputing?
Quantencomputer arbeiten grundlegend anders als klassische Computer, sie funktionieren eher wie die Natur. Mit ihnen können wir daher hoffentlich besser verstehen, wie die Natur funktioniert. Wir haben herausgefunden, dass Quantencomputer Zahlen hervorragend faktorisieren und bestimmte Probleme sehr schnell lösen können. Im Wesentlichen könnten sie eines Tages die moderne Kryptografie, also alle unseren aktuellen Verschlüsselungstechnologien, in Sekundenschnelle knacken. Aber es gibt auch unzählige positive Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel in Bezug auf Optimierung und Reduzierung von Emissionen.
Wie kann man sich das vorstellen, dass Quantencomputer „wie die Natur“ funktionieren?
Bei klassischen Computern basiert die Programmierung nur auf Einsen und Nullen. Aber wir wissen, dass es in der Natur nicht so einfach ist. Sie ist niemals nur binär; alles bewegt sich auf einer Skala. Und so funktionieren Quanten: Sie existieren als Wahrscheinlichkeit zwischen der 0 und der 1. In der Quantentechnologie sind die Computer selbst die Quantensysteme und genau wie die Natur tendieren sie zu der Lösung, die am wenigsten Energie benötigt.
Stimmt es, dass eine Berechnung, die auf einem Supercomputer 2,5 Tage dauert, auf einem Quantencomputer in 200 Sekunden erledigt werden könnte und zu einem Bruchteil der Energiekosten, wie ein Forscher berechnet hat?
Ja, wir sehen potenziell einen erheblichen Energievorteil mit Quantencomputern. Die Quantenphysik hat eine andere Thermodynamik als die klassische Physik. Quantum ist eine Art umkehrbares Rechnen, daher gibt es weniger Wärmeableitung auf dem Weg. Die heutigen Computernetzwerke benötigen enorme Energiemengen – Quantencomputer könnten möglicherweise das Potenzial haben, diese erheblich zu reduzieren.
Auf welche andere Weise könnte Quantentechnologie eingesetzt werden, um Kohlenstoffemissionen zu reduzieren?
Zunächst sollten wir uns die Branchen ansehen, in denen die Dekarbonisierung am schwierigsten ist. Zum Beispiel Transport: Quantentechnologie könnte nicht nur dazu dienen, verschiedenste logistische Abläufe effizienter zu machen, sondern zum Beispiel auch sehr nützlich dabei sein, Batterietechnik zu verbessern. Theoretisch könnte Quantentechnologie sogar dazu führen, dass nach Belieben neue Materialien erschaffen werden – was uns möglicherweise effizientere Solarzellen verspricht, bessere Katalysatoren, reduzierten Energieverbrauch, neue Kraftstoffe wie grünem Wasserstoff, bessere Baumaterialien und so weiter.
Glauben Sie, dass die Quantentechnologie ein Wendepunkt im Kampf gegen den Klimawandel sein wird?
Wir sollten uns definitiv nicht auf Quantencomputer oder andere neue Technologien verlassen, um den Klimawandel zu stoppen, denn der Faktor Zeit spielt nicht zu unseren Gunsten. Wir müssen innerhalb des nächsten Jahrzehnts handeln, und die Quantentechnologie wird in dieser Zeit höchstwahrscheinlich nicht ihr volles Potenzial erreicht haben. Daher sollten wir uns im Moment auf die Lösungen konzentrieren, die wir bereits kennen, anstatt unsere Hoffnungen auf zukünftige Möglichkeiten zu setzen. Zum Beispiel sollten wir uns um die Wiederherstellung von Wäldern kümmern, anstatt auf neue Technologien zur Kohlenstoffbindung zu warten. Wie es aussieht, wird der Klimawandel jedoch ein langfristiges Problem sein – und in Zukunft wird es da sicher auch viele Anwendungsfälle für Quantentechnologie geben.
Was schätzen Sie, wie lange es dauern könnte, bis erste Quantentechnologien praktisch zur Anwendung kommen?
Obwohl wir unser Bestes geben, vermag das im Moment niemand seriös zu schätzen. Ich würde sagen, dass wir noch mehr als ein Jahrzehnt davon entfernt sind.
Welche sind die größten Herausforderungen, die es bis dahin zu bewältigen gilt?
Die Hardware, auf der wir Quantenalgorithmen ausführen, erzeugt zu viel Rauschen, um die Antwort herauszubekommen. Wir müssen Wege finden, damit sich Hard- und Software sozusagen in der Mitte treffen. Wir können dies tun, indem wir Software entwickeln, die besser mit dem Rauschen umgehen kann, und indem wir die Hardware dahingehend verbessern, dass wir das Rauschen beseitigen. Anders gesagt: Wir haben bereits die exakten Gleichungen für die Modellierung von Quantensystemen, aber ihre klassische Berechnung erinnert an den Supercomputer „Deep Thought“ in Per Anhalter durch die Galaxis – es würde Äonen und einen sehr großen Computer brauchen. Stattdessen eignet sich ein Quantensystem perfekt, um sich selbst zu modellieren.