Türsteher*innen im Porträt Sie hüten das Nachtleben

Hanna Teglasy, Türsteherin beim petersplatz.eins, Wien
Hanna Teglasy, Türsteherin beim petersplatz.eins, Wien | Foto: Jonas Höschl

Beim Ausgehen ist es stets ein aufregender Moment: Wird man von den Türsteher*innen in einen Club gelassen, oder wird es ein „Heute leider nicht“? Neben der Selektion am Einlass kümmern sich Türsteher*innen auch darum, dass alle Feiernden sich die Nacht hindurch sicher fühlen können. Jonas Höschl und Sascha Ehlert porträtieren fünf Nacht-Arbeitende, die gemeinsam auf über 50 Jahre Erfahrung zurückblicken.


Killa Schuetze, Robert Johnson (Offenbach) & Tresor (Berlin)

Killa Schuetze – Robert Johnson (Frankfurt am Main), Tresor/Clubcommission (Berlin) Foto: Jonas Höschl Das Robert Johnson in Offenbach bei Frankfurt am Main und der Tresor in Berlin sind beide bereits seit den 1990ern bestehende, weltweit bekannte Club-Institutionen. Killa Schuetze ist seit 15 Jahren für eine sichere Tür verantwortlich – erst in Frankfurt, mittlerweile in Berlin.

Sascha Ehlert: Ist dieser Job zu dir gekommen – oder bist du zu ihm gekommen? Und: Wann und wo war das? 

Killa Schuetze: Man kann sagen, dass der Job zu mir gekommen ist. Das war so 2008, in Frankfurt am Main. Ich war gerade aus Portugal zurückgekommen und habe einen Job gebraucht. Zu der Zeit war ich sehr stark in ein Umfeld von Freund*innen eingebettet, von denen viele im Robert Johnson gearbeitet haben. Und als dann jemand schwanger wurde, wurde ich gefragt, ob ich denn für diese Person übernehmen wolle.

Bist du schnell reingekommen in den Job, oder musstest du dir erst mal so einen Panzer zulegen, um mit den Eindrücken, die man an der Tür eines Technoclubs einsammelt, umzugehen?

Beides ein bisschen. Natürlich hast du, wenn du als Türsteherin anfängst, erstmal gewisse stereotype Vorstellungen über diesen Job im Kopf und versuchst, denen erstmal zu entsprechen. Man hat ja vorher auch kein Training, keine Ausbildung oder so etwas, sondern macht ganz viel learning-by-doing. Aber wir, die zu der Zeit für das Robert Johnson gearbeitet haben, waren eben auch ein Freundeskreis, deshalb lief das alles sehr natürlich ab.

Wie sehr hat dich dieser Job denn seitdem als Person geformt, und wie stark warst du vor ihm eigentlich selbst Clubgängerin?

In den 1990ern war ich in Hip-Hop-Clubs in Frankfurt und Umgebung, um 2000 dann auch in House- und Techno-Clubs wie dem Monza oder dem Robert Johnson. Und dann war ich ein paar Jahre im Ausland, während derer ich nicht viel weggegangen bin. Erst als ich dann zurückkam und plötzlich diesen Job im Robert Johnson hatte, habe ich dadurch einen Einstieg in die Techno- und House-Kultur gefunden. Auch in dem Sinne, dass ich zum ersten Mal verstand, was Subkultur bewegen kann – und wie sehr man selbst Teil von einer Veränderung sein kann, zum Beispiel als Frau vor so einer Clubtür.

Was hat denn die Entscheidung des Robert Johnson, mit einem weiblichen Tür-Team zu arbeiten, aus heutiger Perspektive damals im Frankfurter Nachtleben bewirkt?

Ich glaube, das war einer von vielen kleinen Schritten hin zur Gleichberechtigung an der Clubtür. Das Robert Johnson war nicht der erste Laden, der so etwas gemacht hatte. Der legendäre Frankfurter Club Dorian Gray am Flughafen hatte auch eine weibliche Bouncerin. Und in Berlin tauchten ungefähr zur selben Zeit auch Frauen an Türen auf. Aber es hat sich seitdem definitiv dahin entwickelt, dass es heute ein relativ gängiges Konzept ist, mit weiblich gelesenen Personen an der Tür zu arbeiten.

Wir sind halt immer nüchtern und passen auf.

Wie sehr ist man, wenn man vor dem Laden steht und die Tür macht, eigentlich selbst Teil der Party, die drinnen passiert?

Das ist eine gute Frage. Erstmal fühlt es sich in der Regel natürlich nicht so an. Wir sind halt immer nüchtern, passen auf und tragen eine gewisse Verantwortung dafür, dass es denen, die drinnen feiern und ihre Verantwortung einen Abend lang mal aufgeben, nicht nüchtern sind und Spaß haben, gut geht. Wir sind also gleichzeitig in einem anderen Raum als die Gruppe von Menschen, die eben in dieser Nacht nicht „aufpassen“ will, aber trotzdem fühlen wir uns als Teil der Party. Immerhin begegnen wir ja jedem Gast zwei Mal am Abend. Und beim zweiten Mal, beim Rauskommen, besteht meist ein großer Unterschied zum ersten Mal, und im Optimalfall sieht man den Leuten dann auch an, dass sie eine richtig gute Nacht gehabt haben.

Ein bisschen seid ihr sozusagen der Cerberus der Clubs, also dieser von der Realität ein Stück weit entkoppelten Räume.

So komme ich mir wirklich manchmal vor, beziehungsweise kann ich die Metapher nachvollziehen. Die Gäste überschreiten eine Art Schwelle, wenn sie zu uns reinkommen – und das geht auch mit einer Bewusstseinsveränderung einher, egal, ob diese durch den Raum, die Musik, das Tanzen oder Drogen ausgelöst wird. 

Du hast mir in einem Vorgespräch erzählt, dass du mit Pandemiebeginn beim Robert Johnson aufgehört hast und dann eine Zeit lang nicht an der Tür gearbeitet hast, bevor du dann einen Türjob in Berlin angenommen hast. Wie hat es sich in dieser Zeit dazwischen für dich angefühlt, also ohne die Routine der Nachtarbeit an den Wochenenden?

Der Bouncer-Job war schon immer eigentlich eher ein kleiner Teil meines Lebens – so wie bei den meisten in meinem damaligen Frankfurter Umfeld. Alle haben irgendwie studiert, Nebenjobs oder Kunst gemacht und die Tür als Ausgleich genutzt. Dennoch war die Pandemie für viele eine schwere Zeit, weil Clubs ja keine Unternehmen in einem klassischen Sinne sind – also die Menschen, die regelmäßig für sie arbeiten, tun das meistens auf Freelance- oder Minijob-Basis. Also nichts, wo du abgesichert bist, in Kurzarbeit gehst oder Ähnliches. Bei manchen großen Clubs ist es natürlich anders, aber die Mehrheit der Leute, die in Clubs arbeiten, sind sehr prekär beschäftigt. Für mich war diese Zeit auch anstrengend, aber ich habe in der Zeit zum Beispiel mein Fotostudium an der Folkwang-Uni abgeschlossen und so voll die spannende Zeit gehabt, in der ich ganz in meine Kunst eintauchen konnte. Und dann kam das Jobangebot vom Tresor.

Warst du dir, als die Anfrage kam, der Historie des Ladens bewusst?

Also ich hatte vorher keinen Grund, mich mit dem Tresor auseinanderzusetzen, aber als ich mit dem Club dann in Kontakt war, wurde mir das natürlich schnell und umfassend bewusst. Mir wurde dann auch schnell klar, dass ein Club wie der Tresor ein Awareness-Team braucht – und so habe ich in meiner Zeit für den Tresor Berlin und den Tresor.West in Dortmund jeweils drei Teams aufgebaut und miteinander verknüpft. Das sind einmal die Securities, dann die Selektion beziehungsweise das ‚Crowd Management‘ und das Awareness-Team. Früher war es in Clubs meist so, dass ein Team alle drei Rollen übernommen hat. Einerseits waren wir ‚Crowd Manager‘, haben also entschieden, wer reinkommt und wer nicht, haben dann aber auch Taschenkontrollen durchgeführt und im Zweifel Leute rausgeschmissen, uns aber darüber hinaus auch gekümmert, wenn zum Beispiel mal jemand einen Krankenwagen braucht, Streitigkeiten geschlichtet werden müssen und so weiter. Ich habe versucht, das so aufzubauen, dass jedes Team seinen festen Aufgabenbereich zu erfüllen hat und die Übergänge trotzdem fließend sind. Aber es geht nicht nur um die Nacht-Arbeitenden, auch im Management muss Awareness gelernt und gelebt werden, damit alles ineinandergreift und funktioniert. Da liegen meistens die größten Hürden für so einen Prozess.

Inwieweit hat das Implementieren professionellerer Strukturen, die dafür sorgen sollen, dass sich auch wirklich ausnahmslos alle Menschen in Clubs wohl fühlen, denn dazu geführt, dass sich die Partys selbst verändern? Oder ist das gar nicht so?

Verändert hat sich vor allem, dass immer mehr Menschen an den Punkt gekommen sind, an dem sie gesagt haben: Es reicht. Wir wollen nachts nicht mehr sexuell belästigt werden oder Diskriminierung an der Clubtür erfahren. Und dadurch hat sich auch der Anspruch der Clubs an sich selbst entwickelt. Gleichzeitig müssen wir uns, glaube ich, im Klaren darüber sein, dass ein Raum, wie der Club einer ist, nie zu 100 Prozent sicher sein kann – es kann nur darum gehen, ihn so sicher wie möglich zu gestalten. Und dazu gehört eben auch, dass die Leute, die an der Tür arbeiten, sich zu Themen wie gender diversity fortbilden und zum Beispiel lernen, wie man nicht-binäre Personen anspricht. Eine Rolle spielen aber auch Fragen: Wie gehe ich mit bestimmten neuen Drogen oder Methoden des Konsumierens wie dem Spiking um? Gewisse Themen waren in der Clubwelt zwar schon länger präsent, aber es wurde lange nicht darüber geredet – und das sollte sich ändern. Zum Glück gibt es da immer mehr Wissen, das weitergegeben wird und damit hilft, Clubs für alle sicherer zu gestalten.

Alex Winkelmann, Bar 25 & Kater Holzig (Berlin)

Alex Winkelmann, Bar 25/Kater Holzig (Berlin)Foto: Jonas Höschl
Die Bar 25 war in den 2000er-Jahren einer der ersten Berliner Clubs, in dem Feiern über mehrere Tage hinweg möglich war, sein Nachfolger-Club Kater Holzig zieht nach wie vor jedes Wochenende ein großes Publikum an. Alex Winkelmann arbeitete über fünf Jahre in beiden Clubs und erzählt uns von seinen Erfahrungen.

Sascha Ehlert: Alex, erzähl, wie bist du damals in der Bar 25 gelandet? Und war das eigentlich dein erster Gig an der Tür?

Alex Winkelmann: Also mein erster Gig war im Kosmos auf St. Pauli in Hamburg. Ich habe früher in Hamburg gewohnt und habe da mit einer Freundin zusammengearbeitet. Als ich dann nach Berlin umgezogen bin, war sie auch schon dort und arbeitete bereits in der Bar 25. Wenn ich mal einen Job brauche, sagte sie, könnte ich da mal anklopfen und Hallo sagen – und das habe ich dann auch gemacht. Ich bin schlecht mit Jahreszahlen, aber das muss so 2007 oder 2008 gewesen sein, also so zwei Jahre, bevor die Bar geschlossen wurde. Da war dieser Ort also bereits eine Weile gewachsen, und das hat mich auch an ihm interessiert. Ich fand dieses Organische und Improvisierte sehr imposant. 

Als ich anfing, habe ich dann erstmal auch geputzt und so Zeug, ich hab einfach einen Job gesucht. Ich bin in der Gastronomie und im Hotelwesen aufgewachsen, habe schon als Kind immer mit meiner Mutter Zimmer sauber gemacht, deshalb ging mir das total leicht von der Hand. Ich hatte früh gelernt, dass es Sinn macht, diese Aufgaben gewissenhaft und sorgfältig zu erledigen, wodurch sich von Seiten der Leute in der Bar 25 nach und nach ein Vertrauen aufgebaut hat. Und dann haben sie mir irgendwann die Aufgabe zugeteilt, die Tür zum Backstage zu machen, also zu kontrollieren, wer ein Bändchen hat und wer nicht. 

Da habe ich dann zum ersten Mal auch durchaus grenzwertige Augenblicke gehabt, zum Beispiel, wenn Menschen kein Bändchen hatten, aber aus diesen oder jenen Gründen wirklich „unbedingt“ da rein mussten. Teilweise auch sehr große Menschen, gegen die ich voll die Witzfigur war. Die meisten fanden das aber lustig, wenn so jemand wie ich zu ihnen „nein“ gesagt hat. Aber es gab natürlich auch mal Leute, die sich furchtbar aufgeregt haben. Und dann versucht man ja, mit denen zu reden. Zum Glück habe ich nie eins auf die Nase bekommen oder so.

Bist du also gut im Deeskalieren?

Ich bin schon auch sonst ein eher ruhiger Geselle, möchte ich behaupten. Ich habe bei Konflikten stets versucht, ruhig zu bleiben und Problemlösungen anzubieten: „Ruft doch einfach jemanden an, der für euch bürgen kann“ oder so. Jedenfalls ist die Bar 25 dann irgendwann umgezogen auf die andere Spreeseite und hieß dann Kater Holzig. Dort fing es dann an, dass ich am Eingang die Kasse gemacht habe. Das war ein Job, der mit noch mehr Vertrauen behaftet war. Meine Schichten gingen dann oft von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens oder so. Manchmal ging es aber natürlich auch länger, zum Beispiel an Silvester. 

Irgendwann habe ich dann auch Sonntags die Kasse gemacht, wo die Leute den ganzen Tag über in den Kater gekommen sind, und wo dann vor allem die Leute kamen, die immer wieder in den Club kamen und deshalb immer direkt reingelassen wurden. Viele, die Sonntags in den Kater kamen, waren Leute, die vorher schon eine Weile auf Achse waren, also fragt man die dann natürlich auch, woher die gerade kommen und checkt so, wie sie drauf sind. Es gab auf jeden Fall keine Agenda oder so – mal abgesehen davon, dass die Leute, die lange feiern gehen, bei uns gern gesehen waren, also Menschen, die schon in einem gewissen Modus bei uns ankamen. Ansonsten ging es immer danach: Scheinen die nett und entspannt? 

Im Metier Nachtleben ist es nicht so leicht, vertrauenswürdige Menschen zu finden.

Ein Schritt zurück: Hatte die Bar 25, die bereits als du dort angefangen hast, sowas wie eine lebende Club-Legende war, auch als Ort zum Feiern eine Anziehung auf dich? Oder haben dich all die Afterhours quasi ‚nur‘ beruflich interessiert?

Eher letzteres. Also, ich fand den Ort schon spannend, der war ja quasi eine temporäre autonome Zone und komplett außer Rand und Band. Und die Eigendynamik, die das ganze Unternehmen entwickelt hat, war auch spannend. Aber ich war kein Raver, als ich nach Berlin gekommen bin. Ich bin auch allgemein in meinem Leben häufig ein Spätstarter gewesen, so auch mit dem Feiern und Trinken. Während ich im Nachtleben gearbeitet habe, war ich fast immer eher stiller Beobachter, nur ganz am Ende, als ich auch mal eigene Veranstaltungen schmeißen durfte, habe ich diese Position mal aufgegeben. Retrospektiv betrachtet haben sie mir dort vermutlich auch deshalb so viele Sachen übergeben. Ich bekam eben irgendwann auch mal ein Budget zugesprochen, mit dem ich dann eigene Partys kuratieren durfte, auch, weil die meine Musik gut fanden. Und ich habe halt nie gestohlen oder irgendwas – und in dem Metier Nachtleben ist es gar nicht so leicht, vertrauenswürdige Menschen zu finden.

Wann und warum ging das Kapitel Bar 25 beziehungsweise Kater Holzig dann eigentlich für dich zu Ende? 

Am Ende habe ich insgesamt vier, fünf Jahre dort gearbeitet. Dort habe ich natürlich das Gute und Schöne, aber auch die hässlichen Seiten mitbekommen, manchmal auch Gefährliches. Jedenfalls hatte ich irgendwie das Gefühl, dass diese Nachtarbeit auf Dauer, ich habe das zu der Zeit zwei, drei Mal die Woche gemacht, nicht so gut für meinen Biorhythmus ist. Ich habe das zwar irgendwie okay weggesteckt, aber mich trotzdem nicht jahrelang in diesem Job gesehen. Und dann bot sich ein anderer Job an, weil Freunde von mir einen eigenen Laden aufmachten. Und so habe ich beim Heimathafen Neukölln, einer klassischen Live-Location, angefangen, hinter den Kulissen. Ich sagte ja schon, dass ich im Hotelwesen aufgewachsen bin, deshalb war ich, glaube ich, immer gern „zu Diensten“ und nett zu Leuten. 

Jedenfalls bot mir die Steffi-Lotta, eine der Gründerinnen von der Bar 25, irgendwann an, ob ich nicht Freitags und Samstags Selektion machen mag, das war mir aber zu doll und ich habe abgelehnt. Dann hatte ich meine letzte Schicht, das war sehr nett, und tatsächlich war das ja immer eine gute Community, dieser Club. Wenn man da in dem engeren Zirkel drin war, war das super, und die Leute, die dort gearbeitet haben, mag ich bis heute. Und: wenn du so eine lange Schicht zusammen durchstehst, bei der ganz viele Sachen passieren, das ist natürlich aufregend und immer schön. Trotzdem bin ich dann abgedüst. 

Ist mit dem Ende des Jobs dann auch dein Zugang zu diesem sozialen Kosmos abgebrochen, oder ist das danach Teil deines Lebens geblieben? 

Also ich treffe immer wieder Leute, die ich in dieser Zeit kennengelernt hab. Da gibt es schon immer wieder so Flashbacks, wenn man in irgendeine Bar rein geht oder zu Modulor am Moritzplatz und dort einen Stammgast der Bar sieht. Vielleicht guckt man sich dann auch nur verwundert an, ohne einander anzusprechen. Ich gehe aber nicht proaktiv zurück zum alten Arbeitsplatz, also auf das heutige Holzmarkt-Gelände. Einmal habe ich das gemacht, vor vier, fünf Jahren. Da wurde ich dann auch sehr freundlich begrüßt. Aber allgemein ist dieser Lebensabschnitt für mich abgehakt, und ich gehe auch kaum noch feiern. 

Was bleibt von der Bar 25?

Natürlich muss man die Bar 25 nicht zu stark romantisieren, aber das war schon ein sehr offener und freier Ort, und ich denke, es braucht so etwas weiterhin. Ich würde sagen, dass ich am Ende relativ unkonventionell aufgewachsen bin – jedenfalls haben meine Eltern das Konventionelle immer ein bisschen kritisch beäugt, und auch deshalb bin ich, glaube ich, gut darin, an unkonventionellen Orten Fuß zu fassen. Ich war auch in Bezug auf die sozialen Normen immer sehr flexibel und offen – und das war die Bar 25 ja auch, sie war auf jeden Fall ein Ort, wo man sich ausprobieren konnte. Ich fand es toll, dass ich dort so verschiedene Positionen durchlaufen konnte. Und natürlich sind Orte wie diese Clubs wichtig für eine Stadt. Orte, wo man ein bisschen abschalten und frei drehen kann. Diese Szenarien sind wichtig für die Menschen, das habe ich in meinem Job ja sehr direkt wahrgenommen – und dazu müssten die Leute auch nicht unbedingt auf Drogen sein. Irgendwie sind solche Läden ja auch soziale Treffpunkte, die den Leuten wirklich was bedeuten. Ich find es toll, dass ich dazu etwas beitragen konnte. 

Hanna Teglasy, petersplatz.eins (Wien)

Hanna Teglasy, Türsteherin beim petersplatz.eins, WienFoto: Jonas Höschl
Das petersplatz.eins ist ein junger Veranstaltungsort im Zentrum von Wien, unweit vom Stephansdom gelegen. Unsere Interviewpartnerin Hanna Teglasy arbeitet dort seit über einem Jahr.

Sascha Ehlert: Wie bist du vor der Clubtür gelandet, und was machst du dort eigentlich? 

Hanna Teglasy: Ich bin bei dem Laden, bei dem ich mitarbeite und der seit Silvester 2022 existiert, ein bisschen mehr involviert als ausschließlich vor der Tür – ich mache auch beim Booking mit und in Sachen Social Media. An sich mache ich an den Abenden aber die Kasse, ich lasse also die Leute rein und mache den Eintritt. Dadurch, dass ich in vielerlei Hinsicht mitarbeite und mich von daher in einer gewissen Machtposition befinde, habe ich mich bewusst dazu entschieden, auch an der Kasse zu arbeiten. Nur am Computer zu sitzen und E-Mails zu schreiben und zu telefonieren, ist irgendwie nicht das Wahre. Außerdem bekomme ich so viel mehr mit, ich lerne unsere Gäste kennen und kriege direkt mit, wie die sich bei uns fühlen.

Du bewegst dich also auf Augenhöhe. Bist du denn auch selbst Clubgängerin, also wärst du eigentlich selbst auf diesen Partys, wenn du nicht an der Tür sitzen und kassieren würdest?

Ja, eindeutig. Auch wenn das natürlich abgenommen hat, seitdem ich im Club arbeite. Aber ich habe eh schon lange Freund*innen, die Partys veranstalten, die Musik machen oder DJs sind, war also schon immer relativ tief drin und sehr interessiert.

Was hat dich denn dazu bewogen, im Club mitzuarbeiten? 

Das Team. Das ist für mich ein bisschen Familie. Wir reden sehr offen miteinander, ich kann den anderen auch sagen, wenn es mir mal nicht gut geht – und dann springt eben jemand anderes für mich ein. Ich muss mich nicht erklären, wir helfen einander ganz selbstverständlich. Diese Art von familiärer Zusammenarbeit ist für mich sehr wertvoll. Ich fühle mich sehr wohl mit den anderen. 

Was machst du, damit sich die Leute, die zu euch kommen, bei euch auch wohlfühlen? 

Ich versuche vor allem erstmal, sehr offen zu kommunizieren. Wenn jemand vor mir steht und ich das Gefühl habe, der oder die hatte schon ein bisschen zu viel, dann versuche ich mit der Person Kontakt aufzunehmen. Ich frage, warum sie hier ist, lass sie sich hinsetzen und gebe ihr erstmal ein Wasser. Und zu den Leuten, bei denen ich glaube, dass sie nicht passen, bin ich einfach sehr ehrlich. Ich sag dann so: „Nicht, dass ihr dann in fünf Minuten wieder hochkommt und euer Geld zurückwollt“. Ich habe das Gefühl: Wenn ich aufrichtig zu ihnen bin, sind sie auch sehr ehrlich zu mir – im Guten wie im Schlechten. Also natürlich gibt es auch immer wieder Vorfälle, bei denen wir jemanden rauswerfen müssen – und darauf reagieren die wenigsten, vor allem Männer, positiv. 

Clubs sind traditionell Orte, die auch dazu da sind, Menschen die Chance zu geben, mal für ein paar Stunden die Kontrolle über sich selbst abzugeben, es sind Räume der Entgrenzung gewesen, in denen die Konventionen der Gesellschaft für ein paar Stunden weniger wichtig erscheinen. Ist das eine Vorstellung, die für dich persönlich noch zeitgemäß ist? 

Ich würde mir wünschen, dass das möglich ist, aber dafür passiert in unserer Gesellschaft im Kontext von Partys noch zu viel sexualisierte Gewalt. Deshalb braucht es von unserer Seite, also als Club, schon ein gutes Kontrollsystem, damit sich am Ende der Nacht auch alle auf der Party wohlgefühlt haben.

Gehst du, seit du selbst im Club arbeitest, auch noch in anderen Städten und Ländern feiern? 

In Wien geh ich privat, wie gesagt, nur noch wenig aus, aber in Budapest mache ich das sehr gerne. Dort komme ich auch eigentlich her, weshalb ich jeden Monat einmal dort bin. Natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert, wenn man sich anschaut, was in Ungarn gerade politisch abgeht. Aber wie das eben so ist, wenn der Staat versucht, starke Kontrolle über die Menschen auszuüben, da entsteht dann gleichzeitig eine sehr starke Underground-Kultur, die eine Alternative anbieten will. Während die Pride in Wien mittlerweile gefühlt vor allem ein weiterer Anlass ist, an dem Hetero-Männer rausgehen und sich einen niedersaufen, werden die queeren Partys in Budapest von einer starken Community organisiert. Man merkt dort einfach die Liebe und die Dringlichkeit, die dahintersteckt, und das Ganze ist oft ausschließlich durch Spenden finanziert. Ich finde, wir in Wien sind ganz schön heuchlerisch geworden, was das Feiern betrifft – dann gibt es einen Rave fürs Klima, und am Ende liegen auf dem Boden überall die Blechdosen verteilt.

Ich habe mit meiner letzten Frage auf eine Anschlussfrage abgezielt – und zwar möchte ich gern von dir wissen, ob du definieren kannst, was die Wiener Clubkultur ausmacht? Ist die anders als in anderen, vor allem deutschsprachigen, Großstädten?

Eine Sache, die schon an Wien besonders ist: es gibt so viele Outdoor-Sachen, zum Beispiel auf der Donauinsel. Man kann im Sommer wirklich überall feiern – das habe ich bisher in keiner anderen Stadt so gesehen. 

Alles ist politisch, auch das Feiern.

Auch wenn in der Hinsicht in Budapest mehr möglich zu sein scheint: Denkst du denn, dass es in Wien überhaupt potenziell noch möglich ist, im Nachtleben Orte aufzubauen, die quasi utopische Fluchträume sind, die sich von dem abgrenzen, was in der Mehrheitsgesellschaft herrscht? 

Also es gibt diese Orte schon hier. Auf der anderen Seite gibt es natürlich aber auch Veranstaltungen, bei denen du vielleicht denkst, okay, hier gehen auf jeden Fall alle miteinander respektvoll um, aber dann passiert trotzdem etwas Unangenehmes. Und dann ist es natürlich auch nochmal ganz anders in den Mainstream-Clubs. Mein Problem mit dem Wiener Nachtleben ist eben das: Es gibt zwar Safe Spaces, aber sobald du aus denen rausgehst und dich durch die Öffentlichkeit bewegst, bist du als FLINTA*-Person automatisch wieder gewissen Gefahren ausgesetzt. Ich bin ja der Meinung: Alles ist politisch, auch das Feiern.

Du arbeitest vielleicht noch nicht allzu lange im Nachtleben, dennoch möchte ich dich noch fragen: Denkst du, dass dieser Job dich zum Beispiel bis in deine nächste Lebensphase hinein begleiten wird – oder denkst du, dass das eher ein Übergangsjob ist? 

Ich denke eher letzteres. Dieser Job ist schon einer, der viel von meiner Energie zieht. Ich mein: Egal, wie toll die Partys, die Menschen dort sind – diese Nächte bestehen ja immer daraus, dass ich mit 300, 400 Leuten rede. Und dann kommt dazu, dass ich schnell festgestellt habe, dass es am Ende des Tages im Nachtleben dann meistens doch wirklich eigentlich nur ums Geld geht. Auf der anderen Seite steht natürlich aber eine Menge Positives. Ich habe extrem viele tolle Leute kennengelernt. Und trotzdem muss ich mich ab und an aus diesem Leben rausziehen, einfach, um meine soziale Batterie aufzuladen. Aber ich werde sicher immer noch etwas mit dem Clubleben zu tun haben. Vielleicht aber eher hinter den Kulissen. Dort sehe ich mich langfristig eher.

Daniel, Celeste (Wien)

Daniel, Celeste (Wien)Foto: Jonas Höschl
Das Celeste in Wien ist ein eher alternativer Club mit Garten. Daniel arbeitet bereits seit über 15 Jahren als Türsteher dort und in anderen Läden.

Sascha Ehlert: Was hat dich dazu gebracht, Türsteher zu werden? 

Daniel: Ich hatte gerade das Abitur beendet und nichts Besseres zu tun, als man mir diesen Job angeboten hat. Ich hatte gerade angefangen, zu studieren und war eh auf der Suche nach einem Nebenjob – und ein Türsteher-Job lässt sich da zeitlich gut unterbringen. Es hat sich also einfach so ergeben, aber ich hatte das Glück, eine wichtige Qualifikation mitbringen zu können: Ich war immer ganz gut darin, Konflikte gewaltlos zu lösen.

Wie sieht denn deine Strategie zum Lösen von Spannungen und Konflikten im Nachtleben aus?

Also meine maximale Gewaltausübung besteht darin, jemanden mal ein bisschen zu schieben. Weil das mein Grundsatz ist, gehe ich insgesamt anders an aggressives Publikum heran. Ich versuche in der Regel die Aggression gleich im Keim zu ersticken. In 15 Jahren in dieser Arbeit habe ich festgestellt, dass man sonst schnell in einer Spirale landet, in der es sich immer weiter hochgeschaukelt. Aber eigentlich passieren mir solche Situationen in den Läden, in denen ich arbeite, kaum. 

In der Zeit seit Corona ist die Clubszene relativ stark im Umbruch. Insbesondere im Bezug darauf, dass immer mehr Clubs Awareness-Teams einsetzen, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Menschen im Club eine gute Zeit haben können, ohne zum Beispiel Angst vor männlichen Gästen haben zu müssen. Wie hat sich deine Arbeitspraxis in den vergangenen Jahren verändert? 

Ich habe ja seit zehn Jahren immer im selben Club mitgearbeitet. Den Laden gibt es seit 30 Jahren, früher wurde er als Restaurant geführt. Vor zehn Jahren hat ihn dann der Sohn übernommen und zum Club umgebaut. Eigentlich hatte ich zu dieser Zeit bereits aufgehört, als Türsteher zu arbeiten. Ich hatte mein Studium beendet – aber dann hat mich der Kompagnon von dem, der diesen neuen Club aufgemacht hat, gefragt, ob ich nicht die Tür machen will. Er rief mich an, weil ich ihn mal aus einem anderen Club geworfen hatte – das hatte ihm scheinbar imponiert, wie ich mit ihm umgegangen war. 

Jedenfalls verfolgen wir, seitdem ich dort arbeite, eigentlich immer dieselbe Philosophie: das A und O ist, dass wir immer sofort reagieren, wenn sich jemand unwohl fühlt, und dass wir Menschen, die einem Probleme machen, ohne Umstände rauswerfen. Grundsätzlich haben wir aber ein eher einfaches Publikum. Zu uns kommen Leute, die wissen schon, was sie von dem Lokal zu erwarten haben, die also gezielt kommen, nicht so sehr die Laufkundschaft. Natürlich brauchst du als Türsteher*in viel Feingefühl, dennoch ist es bei uns eher leicht, wenn du gut im Kommunizieren bist.

Als Türsteher*in ist es eher leicht, wenn du gut im Kommunizieren bist.

Du machst deinen Job ja jetzt verhältnismäßig lange. Fragst du dich manchmal, aus welcher Motivation du weiter dabeibleibst? Geht es dir darum, das zu machen, solange du zufrieden und glücklich bist mit deinem Job? Und gibt dir der Job an sich dieses gute Gefühl, oder ist es bei dir das Gesamte, also der Umstand, dass du Teil des Nachtlebens bist? 

Da sind die Gründe mannigfaltig. Ich bin niemand, der privat ausgeht. Aber, was mir dieser Job mit seinen flexiblen Arbeitszeiten gebracht hat, ist eben ein fixes Einkommen und gleichzeitig eine soziale Absicherung im österreichischen System – was mir die Möglichkeit gegeben hat, mich beruflich in mehrere Richtungen gleichzeitig zu entwickeln. Ich kann mich darüber hinaus zum Beispiel um meine zwei Großmütter kümmern. Ich habe die Zeit, 20 Stunden die Woche für die beiden zu investieren, was in einem „normalen“ Job natürlich nicht möglich wäre.

Außerdem habe ich eine große Bastelleidenschaft: Ich restauriere gerne Dinge, so Fahrräder, Grammophone und Instrumente, die ich wiederum verkaufe. Außerdem hat die Arbeit an der Tür ja auch soziale Aspekte – du gehst sozusagen aus und wirst dafür bezahlt. Ich muss dort einfach ich sein und empfinde den Job kaum als stressig. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet mich an meinen Abenden vor der Tür nichts, womit ich nicht umgehen kann.

Du kommst in deinem Job mit unfassbar vielen Menschen in Kontakt. Gab es für dich im Laufe der Jahre vielleicht eine Begegnung, die für dich besonders einprägsam war, beziehungsweise durch die sich dein Denken in irgendeiner Weise verändert hat? Oder hast du vielleicht einfach vor der Tür mal eine Person kennengelernt, mit der du seitdem eng befreundet bist? 

Ja, mein direktes Umfeld hat sich schon ein Stück weit um den Club entwickelt. Viele meiner Freundschaften stammen zwar noch aus meiner Schulzeit, das sind meist also eher längere Geschichten. Aber meine Arbeit hat meine persönliche Entwicklung und meinen Umgang mit Menschen natürlich sehr geprägt. Jede soziale Interaktion, die du an der Tür hast, ist für mich immer ein bisschen ein Experiment. Wie gehe ich jetzt an die Sache ran? Wie beginne ich das Gespräch, um herauszufinden, ob jemand heute bei uns rein sollte oder nicht? Bin ich eher nett? Was hat es für Auswirkungen auf meine Interaktionen, wenn ich zum Beispiel mal schlechte Laune habe oder müde bin oder dieses oder jenes? Inwieweit hängt die Reaktion von meinem Gegenüber auch von meiner Wortwahl ab? Das ist schon super spannend. 

Ich bin meistens sehr ruhig – aber genau das kann manchmal auch falsch sein. Wenn ich bei der falschen Person zu ruhig bin, kann auch das eine Situation in die falsche Richtung bringen. Ich finde, man lernt als Türsteher sehr viel darüber, welches Bild man nach außen spiegelt und wie sich das, was die anderen dir entgegnen, verändert, wenn du an deinem Selbstbild etwas änderst, beziehungsweise damit spielst.

Kiki Gorei, Goldener Reiter (München)

Kiki Gorei, Goldener Reiter (München)Foto: Jonas Höschl
Den Goldenen Reiter gibt es seit 2018, am Rand vom Münchener Gärtnerplatzviertel. Kiki Gorei ist schon seit zehn Jahren als Türsteher dabei – Ende nicht in Sicht.

Sascha Ehlert: Was hat dich vor die Tür geführt?

Kiki Gorei: Ich war so 19, 20 und hab in München immer in so einer Bar abgehangen, wir waren sozusagen Stammkunden. Dann hat ein sehr guter Kumpel von mir angefangen dort zu arbeiten, und der meinte dann zu mir: „Hast du nicht auch Bock?“ Ich fand das lustig, die Belegschaft dort ist cool, also dachte ich mir: „Auf jeden Fall“. Mit 19 einen Nebenjob zu haben, der nochmal so 100, 150 Euro am Abend bringt – zwei, drei Mal die Woche ist das super. Und jetzt bin ich 29 und mach es immer noch jedes Wochenende.

Bist du denn auch jenseits der Arbeit ein Clubgänger? 

Ja, schon. Ich arbeite ja auch als DJ für verschiedene Läden. Damit habe ich mit 17, 18 angefangen. Ich kenne also ohnehin schon lange viele Leute, die sich in derselben Ecke bewegen, meine Freunde sind in denselben Läden wie ich. Da ist es gleich, ob ich dort gerade auflege oder selektiere.

Nach welchen Kriterien arbeitest du denn als Selector?
 
Ich denke, es ist so ein Mittelding zwischen Strenge und entspannt sein. Ich achte vor allem auf diese ganzen Klassiker, also zum Beispiel darauf, dass ich große Männergruppen am Anfang des Abends nicht so reinlasse, damit es nicht für andere Gäste unangenehm wird. Das gleiche gilt natürlich für Leute, die zu besoffen oder high sind. Allgemein unterhalte ich mich aber immer kurz mit den Leuten und wenn die cool sind, dann ist in dem Laden, wo ich gerade arbeite, auch jeder willkommen. Wir machen keine harte Tür.

Ich habe im Zuge der Gespräche für diese Reihe sehr verschiedene Philosophien und Team-Größen bei den verschiedenen Clubs festgestellt. Wie groß ist euer Team? 

Wir sind zwischen acht und zehn Türsteher*innen. Wir machen die Schichten immer zu zweit, plus einem Chef vom Dienst. Eigentlich also ein recht kleines Team, da springt jeder mal für den anderen ein. 

Welche Rolle spielt der Club für dich als sozialer Ort? 

Also ich bin schon auch oft nachts an meinem Arbeitsplatz, wenn ich gerade nicht arbeite. Und meistens häng ich dann tatsächlich auch, wenn ich privat da bin, die meiste Zeit an der Tür mit den anderen.

Wie sehr hat sich dein Verhältnis zum Nachtleben mit den vergangenen Jahren verändert?

Eigentlich überhaupt nicht. Aber das liegt sicher auch daran, dass München natürlich nicht so groß ist wie Berlin. Hier kennen alle alle und sind irgendwie in ähnlichen Freundeskreisen. Irgendwie ist das Nachtleben auch immer noch mein Ausgleich, meine Abwechslung vom 40-Stunden-Job. Ich fahre da einfach ein bisschen runter und vergesse die ganze Woche.

Die Pandemie hat dazu beigetragen, dass es in der Szene mehr Gemeinschaft gibt.

Und das Münchener Nachtleben? Hat sich das in den letzten Jahren merklich verändert? 

Also natürlich haben Corona-bedingt teilweise Läden zugemacht. Auf der anderen Seite hat die Pandemie, finde ich, auch dazu beigetragen, dass es in der Szene mehr Gemeinschaft gibt und sich in Clubs die starren Genre-Trennungen dazwischen, was ein Hip-Hop- und was ein Techno-Club ist zum Beispiel, stärker aufgelöst haben. Dafür haben mein Umfeld, die Leute, mit denen ich regelmäßig zusammen auflege, und auch ich selbst einiges getan. Ich persönlich hab irgendwann gemerkt, dass ich als DJ gern alles spielen würde – egal ob das gerade Garage, Trap oder House ist. Und den Leuten, die tanzen, geht es auch so.

Wie alt ist das Publikum eigentlich, mit dem du zu tun hast?

Also, das ist bei mir super gemischt. Wir haben Leute zwischen 18 und 45 bei uns, würde ich sagen. 

Würdest du sagen, dass die sogenannte Generation Z, also die letzte nachgewachsene Club-Generation, sich an der Tür und im Club anders verhält als Generationen vor ihr? 

Ich finde schon. Die sind einfach viel höflicher. Wenn ich da mal sage: Nein, heute nicht, dann ist das für die eigentlich immer okay, wohingegen mit den Älteren gerne mal dann die Diskussionen losgehen.

Wie sehr hat sich denn auf der anderen Seite die Arbeit an der Tür für dich verändert, seitdem du angefangen hast? Liegt zum Beispiel stärker als früher ein Augenmerk darauf, dass es ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis gibt und dass mit Clubs Räume geschaffen werden, in denen sich weiblich gelesene Personen gleichermaßen wie als männlich gelesene Personen wohlfühlen? 

Bei uns im Club hat sich dahingehend nicht so viel verändert, glaube ich. Ich weiß nicht genau, wie wir es machen, aber ich glaube, es gibt in keinem anderen Club in München so wenig Beschwerden von Frauen, die sich unwohl fühlen. Wir schauen einfach, dass die Leute, die wir reinlassen, zu der Musik passen. Wir haben darüber hinaus auch viele Stammgäste, die wir einfach gut einschätzen können. 

Wie blickst du in die Zukunft? Denkst du manchmal darüber nach, den Job irgendwann sein zu lassen? 

Tatsächlich überhaupt nicht. Ich mag einfach den Laden sehr gerne, ich sehe die Leute hier gerne und bin generell gern unter Leuten.

Die Clubkultur hat sich in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ja immer stärker in der Gesellschaft verankert, natürlich werden da auch die Clubgäste mal älter. Und vielleicht auch die Leute, die an der Tür stehen. Kannst du dir also vorstellen, den Job mit 40, 45 noch zu machen?

Voll, also ich kann es mir auf jeden Fall besser vorstellen, mit 45 noch die Tür zu machen, als DJ zu sein.