Playmobil Kafka auf YouTube
Klassiker müssen nicht langweilig sein, dachte sich Michael Sommer und startete 2015 zusammen mit dem Reclam-Verlag den YouTube-Kanal „Sommers Weltliteratur to go“. Dort stellt er wöchentlich mit seinem Playmobil-Ensemble – kompakt und unterhaltsam – ein Werk von Weltbedeutung vor, so auch die Werke Franz Kafkas.
Drei der acht Texte, die der studierte Literaturwissenschaftler, Regisseur, Autor und Dramaturg in seiner Playlist Käferalarm! – Werke von Franz Kafka veröffentlicht hat, stellen wir euch in diesem Artikel vor. Wer sich vor allem für die Person Kafkas und seine Familie interessiert, sollte sich unbedingt den Brief an den Vater anschauen. Die Verwandlung ist nicht nur Kafkas, sondern auch Michael Sommers Bestseller. Und so richtig schaurig kafkaesk wird es In der Strafkolonie. Achtung! Nichts für schwache Nerven! Abschließend erzählt uns Michael Sommer selber noch etwas zur Geschichte seines Projekts.„Brief an den Vater“
„Die Verwandlung“
„In der Strafkolonie“
Michael Sommer, wie bist du auf das Format gekommen?Ich habe bis 2014 als Dramaturg am Theater in Ulm gearbeitet. Theater und Literatur zu erklären und zu vermitteln ist bei diesem Job eine der wichtigsten Aufgaben. Ich habe dabei mit vielen spielerischen Formaten experimentiert, Playmobil und sogar Barbies waren öfter im Einsatz. Bei einer Einführungsveranstaltung zu Dantons Tod von Georg Büchner habe ich mal die Kamera mitlaufen lassen, als ich den Inhalt mit Figuren improvisiert erklärt habe. Hinterher habe ich das unscharfe Video auf YouTube gestellt und war zunächst erstaunt, wie viele Leute es sich anschauten. Dann wurde mir klar, dass das Stück gerade Pflichtlektüre fürs baden-württembergische Deutsch-Abitur war und dass junge Menschen offenbar einen Bedarf an einfachen Zusammenfassungen im Internet haben. Also habe ich im Januar 2015 begonnen, wöchentlich ein Werk der Weltliteratur gemeinsam mit den Kunststoffkollegen zusammenzufassen. Und seitdem mache ich das.
Wer sind deine Follower*innen?
Die meisten meiner User*innen sind unter 25 und schauen meine Videos, um sich vor der nächsten Deutschklausur oder dem Abitur schnell nochmal in Erinnerung zu rufen, worum es in der Geschichte eigentlich geht. Natürlich gibt es auch Lehrkräfte, die meine Videos im Unterricht benutzen, und es soll auch Fans geben, die den Kanal des reinen Unterhaltungswertes wegen abonniert haben. Man kann die Videos natürlich auch benutzen wie früher einen Theaterführer.
Was bekommst du für Feedback?
Ja, okay, es gibt den Kommentar „Gottseidank, jetzt muss ich das sch#§¡ Buch nicht mehr lesen!“ mehr als einmal in meinem Kanal. Andererseits gibt es auch tolles Feedback von Leuten, die sich aufgrund meiner Videos für eine Geschichte interessieren oder Lust dadurch bekommen, ein Buch nochmal zu lesen. Am meisten freue ich mich eigentlich darüber, wenn ich gerade junge Menschen dazu inspirieren kann, sich selbst kreativ und spielerisch mit Literatur auseinanderzusetzen, indem sie zum Beispiel selbst Videos gestalten. Die teile ich auch gern als „Gastvideos“ in meinem Kanal.
War der Reclam-Verlag von Anfang an mit dabei?
Ein halbes Jahr, nachdem ich den Kanal gestartet hatte, habe ich mal bei dem Verlag mit den kleinen gelben Heften angeklopft und gesagt: „Guckt mal, was ich mache, wollen wir dabei vielleicht zusammenarbeiten?“ Ich hatte das große Glück, dass es sofort „Klick“ gemacht hat und wir zueinander gefunden haben. Seitdem gibt es viele Klassiker „präsentiert von Reclam“, bei denen ich dann immer ein Videolektorat habe – was für mich super ist, denn ich bin ja nur ein Ein-Personen-Betrieb (wenn auch mit vielen 7,5 cm großen Kollegen), und manchmal ist das Geschäft ein bisschen einsam.
Was machst du, wenn du nicht Weltliteratur mit Playmobil nachspielst?
Im Augenblick kümmern meine Frau und ich uns vor allem um unseren Hund Watson, dem es nicht so gut geht; ansonsten genießen wir sehr gern die Seen und Berge rund um München, wo wir wohnen.
Was verbindet dich persönlich mit Kafka und seinen Werken?
Das Gefühl der Fremdheit, irgendwie ein Außenseiter zu sein, nicht ganz dazuzugehören, in der Familie, in der Arbeit, in der Gesellschaft – dieses Thema, das bei Kafka immer wieder auftaucht, kann ich gut nachempfinden. Kafka selbst war ja auch biografisch ein ziemlicher Außenseiter im Literaturbetrieb oder im Hinblick auf seine komplizierten Beziehungskisten. Dieses Unbehagen in der Gesellschaft, das ganz zentral zu Kafkas Modernität gehört, habe ich gerade als junger Mensch auch sehr empfunden. Mittlerweile bin ich ganz glücklich damit, dass ich ein eher seltsamer Käfer bin.