Zuzanna Czebatul
Ausstellung "Techno Worlds"
„Macromolecule Exploiting some Biological Target“ („Makromolekül, das ein biologisches Ziel verfolgt“) (2021)
Die Bildhauerin Zuzanna Czebatul dekonstruiert in ihren Werken die Eigenschaften von Materialien und kulturellen Symbolen und legt damit deren zugrunde liegenden Bedeutungen frei. Czebatul ist als Raverin, Türsteherin oder DJ selbst ein aktiver Teil der Berliner Clubkultur und lässt sich von den Verbindungen zwischen Popkultur, individueller Freiheit und gesellschaftlicher Ideologien inspirieren. Für TECHNO WORLDS hat die Künstlerin eine übergroße, giftgrüne Ecstasy-Tablette entworfen, auf deren Seiten die Worte „Rush“ und „Revolution“ eingestanzt sind.Czebatuls hyperreal erscheinende und mit Luft gefüllte Skulptur Macromolecule Exploiting some Biological Target („Makromolekül, das ein biologisches Ziel verfolgt“) (2021) fungiert als ein ebenso humorvolles wie reflexives Monument der Rave-Kultur, insbesondere jene der 1980er- und 1990er-Jahre. Getragen von einer Generation, die bereits durch die Pharmaindustrie mit Lifestyle-Arzneien sozialisiert worden war, erfreute sich die synthetisch hergestellte, empathogene Droge Ecstasy aufgrund ihrer enthemmenden und aktivierenden Wirkung in den Clubs besonders großer Beliebtheit. Die beiden verwendeten Begriffe, „Rush“ und „Revolution“, verweisen auf zwei Pole der damaligen Bewegung und interpretieren ihren gesellschaftlichen Hintergrund. Der Trend von modernen Pharmaprodukten wie zum Beispiel der Antibabypille, Antidepressiva und Valium ist eng verknüpft mit der Entwicklung hin zu einer Leistungsgesellschaft und deren Schnelligkeit und Stresspotential: Das Individuum als Teil einer globalisierten und vom Kapital dominierten Welt flüchtet sich aus dem Alltag in kollektive Zeitlosigkeit und hedonistische Rebellion. Gleichzeitig war die Szene von einer Aufbruchsstimmung und der Hoffnung auf technologischen Fortschritt und gesellschaftliche Transformation geprägt. Die Euphorie, die die Raver*innen auf der Tanzfläche verweilen lässt, ist und war Ausdruck ihrer unangepassten Lebensweise und des Clubs als Ort gelebter gesellschaftlicher Utopie. Musik, Drogen und Raver*innen verbinden sich bis heute zu jenen ikonischen Resonanzkörpern, die Teil des kollektiven Gedächtnisses der Techno-Bewegung sind.
Der Twist von Beschleunigung und Transformation wird formal durch die von Czebatul verwendeten Typografien aufgegriffen: „Rush“ scheint sich nach vorne auszudehnen und Platz einzunehmen. „Revolution“ dagegen wird kreisförmig und in so großen Lettern geschrieben, dass das Wort als solches fast nicht zu erkennen ist. Der Künstlerin gelingt es in ihrer Arbeit, den Zwiespalt und die Verführungskraft der Clubkultur der 1990er-Jahre spürbar zu machen. Noch heute hält die Sehnsucht nach jenen gemeinschaftsstiftenden Momenten der Cluberfahrung an, doch wurde die Hoffnung auf eine umfassende gesellschaftliche Revolution enttäuscht. Es bildeten sich in den vergangenen Jahren stattdessen in Clubräumen kleinteiligere Utopien, die sich durch ausdifferenzierte Musikgenres, den Diskurs um digitale Technologien und die Eroberung von übrig gebliebenen Freiräumen im urbanen Raum auszeichnen. In ihnen lebt die subversive Kraft des Techno in den Praktiken, Ästhetiken und einem in die Zukunft gerichteten Verlangen nach Veränderung fort.