Angela Schanelec
Der traumhafte Weg
- Produktionsjahr 2016
- Farbe / LängeFarbe / 81 Min.
- IN-Nummer IN 4431
Vor vielen Jahren waren sie ein Paar. Gemeinsam zogen Theres und Kenneth 1984 durch Griechenland; ihre Reisen finanzierten sie mit Straßenmusik. Das unbeschwerte Glück nimmt ein jähes Ende, als Kenneth vom Unfall seiner Mutter erfährt und unverzüglich in die englische Heimat zurückkehrt. Als sich das Paar in Deutschland wieder begegnet, ist der Zauber von damals verflogen. 30 Jahre später in Berlin: Die Schauspielerin Ariane trennt sich von ihrem Mann David, einem renommierten Anthropologen. Von seiner neuen Wohnung aus, in der Nähe des Hauptbahnhofs, kann David einen Obdachlosen sehen. Als Theres an dem Mann auf der Straße vorbeigeht, erkennt sie: der Obdachlose ist Kenneth. Nach einem Blickwechsel geht sie wortlos weiter.
Griechenland, im Sommer 1984: Unbeschwert sitzen Kenneth und Theres am Straßenrand und singen „The Lion Sleeps Tonight“; Touristen werfen Münzen in die Kappe des jungen Mannes: Geld genug, auch um zu Hause in England anzurufen. Die Nachricht ist niederschmetternd. Kenneths Mutter hatte einen schweren Unfall; Hals über Kopf kehrt der Sohn in seine Heimat zurück. Ihn erwartet eine schlimme Zeit. Seine Mutter liegt ohne Hoffnung auf Genesung im Krankenhaus, der Vater leidet an schweren Sehstörungen. Kenneth, der von einer Karriere als Musiker träumt, nimmt Drogen und besorgt auf Wunsch des Vaters Morphium – Sterbehilfe für die Mutter.
Das Fernsehen zeigt, wie für Flüchtlinge aus der DDR die Grenze zwischen Ungarn und Österreich geöffnet wird. Theres, die Altphilologie studiert hat und Lehrerin werden will, erhält 1989 einen Praktikumsplatz in Berlin. Gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn bricht sie auf.
30 Jahre später: Ariane arbeitet als Schauspielerin in Berlin, ihre Ehe steckt in einer tiefen Krise. Auf ihren Wunsch verlässt ihr Mann David, ein renommierter Anthropologe, die gemeinsame Wohnung; er zieht in ein Apartment in der Nähe des neuen Hauptbahnhofs. Von dort aus beobachtet er Dreharbeiten mit seiner verlorenen Frau – und er sieht einen Obdachlosen, der mit seinem Hund an einem S-Bahn-Zugang liegt. Auch Theres geht an ihm vorbei und erkennt: Der Obdachlose ist ihr einstiger Freund Kenneth. Stumm sehen sich die beiden in die Augen, bis Theres wortlos weitergeht.
DER TRAUMHAFTE WEG ist ein irritierendes, verstörendes Werk, das, zumindest auf den ersten Blick, die Geheimnisse seiner Figuren nicht preisgeben will; vieles bleibt ungesagt, vor allem wenn es um die asketisch kargen, manchmal sogar fragmentarischen Dialoge geht. Die Bilder sind wichtiger als jedes Wort, bis zu scheinbar nebensächlichen Sequenzen und Einstellungen. Eingangs, wenn Theres und Kenneth in Griechenland auf der Straße singen – das ist drei Jahre nach dem griechischen EU-Beitritt – herrscht noch Aufbruchsstimmung. Demonstranten verkünden zuversichtlich eine „neue Ära“ für das Land. Wir wissen heute, dass sich die Vorstellungen so nicht erfüllt haben – genau so wenig wie die Erwartungen der Flüchtlinge aus der DDR beim Überqueren der Grenze zwischen Ungarn und Österreich, oder die Träume von Kenneth von einer Karriere als Musiker. DER TRAUMHAFTE WEG erzählt eine Geschichte vergeblicher Hoffnungen. Manchmal ist es auch nur ein Insert-Bild, dass die Figuren erklärt, wie zum Beispiel eine nur scheinbar ohne jeden Grund einmontierte Einstellung, die eine idyllische Weidelandschaft mit Gewässern und Pferden zeigt: ein Topos des Friedens und der Sehnsucht und ein Gegenbild zu den Straßenszenen am Berliner Hauptbahnhof.
„Mit äußerster Präzision inszeniert, hat Schanelecs rigorose, karge Ästhetik den Effekt, dass jede Abweichung, jeder Aufbruch – ein Musikstück, eine ungewöhnliche Kamerabewegung, eine einzelne Träne in der steinernen Fassade eines unbewegten Gesichts – die Dimension eines Erdbebens annimmt.“ (Filmmaker Magazine)
Angela Schanelec erzählt mit ihren Bildern ein Stationendrama, das von der Haltung der Regisseurin bestimmt wird. „Ich glaube, es hat mit Zuneigung zu tun, mit meiner Zuneigung zu den Figuren in meinen Drehbüchern, und ich spüre, wenn der Darsteller mir diese Zuneigung ermöglicht.“ Ohne diese Empathie wäre DER TRAUMHAFTE WEG schwer zu ertragen. Es ist ein schmerzhaftes Werk über unausweichliches menschliches Leiden. Gegen Ende, nach dem vergeblichen Wiedersehen von Theres und Kenneth, richtet sich der Blick der Kamera auf einen Bahnsteig. Ein ICE rast durch die Einstellung. Wenn der Zug aus dem Bild ist, fällt der Blick auf einen einzelnen Schuh auf der Plattform. Auch so kann man vom Schmerz eines Suizids erzählen; klar wird nun auch, weshalb die Regisseurin zu Beginn ihres Films immer wieder Detailaufnahmen von den Schuhen Kenneths einmontierte. Dabei zerlegt und zersplittert sie ihre Sequenzen in ungewöhnlich viele einzelne Einstellungen, in Groß- und Detailaufnahmen. So „findet die Inszenierung mit dem Ausschnitt und dem Aufeinanderfolgen der Einstellungen statt, und durch die Ausschnitthaftigkeit war ich gezwungen, deutlich mehr Einstellungen zu machen.“ (Angela Schanelec)
Hans Günther Pflaum, 04.01.2018
- Produktionsland
- Deutschland (DE), Griechenland (GR), Vereinigtes Königreich (GB)
- Produktionszeitraum
- 2015/2016
- Produktionsjahr
- 2016
- In Zusammenarbeit mit
- Tigerlily Films (London) || Homemade Films (Athen)
- Farbe
- Farbe
- Bildformat
- 1:1,33
- In Koproduktion mit
- Westdeutscher Rundfunk (WDR) (Köln) || Arte Deutschland TV GmbH (Baden-Baden)
- Länge
- Langfilm (ab 61 Min.)
- Gattung
- Spielfilm
- Genre
- Drama
- Thema
- Liebe, Beziehung / Familie, Europa, Psychologie, Musik, Prekariat, Krankheit / Sucht / körperliche Beeinträchtigung
- Rechteumfang
- Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
- Anmerkungen zur Lizenz
- Lizenzdauer bis
- 14.12.2026
- Permanente Sperrgebiete
- Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH), Liechtenstein (LI), Südtirol (Alto Adige), Brasilien (BR)
- Verfügbare Medien
- DVD, Blu-ray Disc
- Originalfassung
- Deutsch (de)
DVD
- Untertitel
- Deutsch Teil UT, Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Arabisch (ar), Tschechisch (cs), Litauisch (lt)
Blu-ray Disc
- Untertitel
- Deutsch Teil UT, Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Arabisch (ar), Tschechisch (cs), Litauisch (lt)