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Filmkatalog

Über den Filmkatalog

Bildausschnitt: beleuchteter, festlicher, vertäfelter Filmvorführraum

Wolfgang Becker
Good Bye, Lenin!

  • Produktionsjahr 2003
  • Farbe / LängeFarbe / 121 Min.
  • IN-Nummer IN 1712

Berlin (Ost) im Herbst 1989: Die Mutter von Alex Kerner liegt nach einem Herzinfarkt im Koma; so entgeht ihr der Fall der Mauer. Im Sommer 1990 erwacht sie. Der Arzt erklärt, jede Aufregung könne für die Patientin tödlich sein. Alex muß ihr das Ende des SED-Staats verheimlichen. Er und seine Freunde gaukeln der kranken Frau das Weiterleben der DDR vor; die Illusion funktioniert lange, bis sich die Wahrheit nicht mehr verheimlichen läßt. Die kluge Komödie war der erfolgreichste deutsche Film des Jahres 2003.


DDR, im Sommer 1978: An Bord der "Sojus 31" startet Sigmund Jähn als erster Deutscher ins All. Auch Alex Kerners Vater verlässt sein Land; er geht in den Westen. Der eine gilt als Held, der andere als Vaterlandsverräter. Der Besuch der Herren vom Staatssicherheitsdienst sorgt für eine erste psychische Krise von Alex' Mutter. Aus der Klinik zurückgekehrt verwandelt sich die Frau in eine eifrige Aktivistin; das Leben der Restfamilie geht seinen sozialistischen Gang - bis zum Herbst 1989. Alex nimmt am "Abendspaziergang" teil, einer Freiheits-Demo, die von den Vertretern der Staatsmacht brutal unterbunden wird. Die Mutter, unterwegs zu einem Festakt im "Palast der Republik", sieht, wie ihr Sohn niedergeknüppelt wird; sie bricht zusammen, kommt viel zu spät ins Krankenhaus und liegt nach einem Herzinfarkt im Koma. Die Mauer fällt, Honecker geht, und die Wohnung der Kerbers wird auf westlichen Standard gebracht. Alex' Mutter aber "verschläft den Siegeszug des Kapitalismus". Im Sommer 1990 erwacht sie. Der Arzt erklärt, jede Aufregung könne für die Patientin tödlich sein. Alex muss ihr das Ende des SED-Staats vorerst verheimlichen. Was aber geschieht, wenn die Frau, obgleich noch bettlägerig, wieder nach Hause kommt?

Es folgt die Geschichte einer in die Praxis umgesetzten DDR-Nostalgie; sie führt über die Rekonstruktion des häuslichen Schlafzimmers bis zur Suche nach den vertrauten Spreewaldgurken, die auf dem Markt schnell von Westprodukten verdrängt werden. Notfalls füllt der Junge neue Ware in alte Verpackungen um, und der west-östliche Etikettenschwindel funktioniert. Jeder gesundheitliche Fortschritt der Mutter erfordert noch verwegenere Maßnahmen der Illusion. Groß inszeniert Alex ihren Geburtstag; er lässt alte Genossen antreten und Knaben von den längst nicht mehr existenten "Jungen Pionieren" die sozialistische Heimat besingen. Sogar das Problem der Medien bekommt er mithilfe seines Freundes in den Griff: Denis ist der geborene Propagandist, der die Bilder seiner Videokamera mit Archivmaterial aus der ehemaligen DDR versetzt und diesem Material einen neuen Sinn gibt. Dass die Mutter auf den Betrug hereinfällt, beruht nicht nur auf der List des Fälschers, sondern auch auf den begrenzten Möglichkeiten ihrer Vorstellungen, die über den Oktober 89 nicht hinausreichen können.

Die physischen Spuren der DDR wurden nach dem Fall der Berliner Mauer so flink und konsequent getilgt, dass schon ein gutes Jahrzehnt später die Fiktion der Rekonstruktion zu Hilfe kommen musste. Die Geschichte von Bernd Lichtenberg und Wolfgang Becker mag auf den ersten Blick absurd aussehen, doch ihr Ausgangspunkt stellt eine sinnvolle Frage: Auf welche sichtbaren Beweise seiner Existenz hatte der Staat gegenüber seinen Bürgern gebaut? Wie weit setzte er auf Zeichen, auf Signale und Rituale, die sich manipulieren ließen? Dass die Antwort zur Komödie mit leicht tragischen Untertönen führt, ohne dass der Regisseur darauf aus wäre, bedingungslos lustig zu sein, verdankt der Film der sich daraus ergebenden Zusatzfrage: Mit welchen Mitteln ließe sich die Illusion eines Weiterlebens der DDR erzeugen?

Klug und clever demonstriert GOOD BYE LENIN! die Willfährigkeit von Bildern und Tönen und geht dabei weit hinaus über die eigene Story: Der Betrug gelingt umso leichter, als die DDR im Laufe ihrer vierzig Jahre ihrerseits die manipulierte Selbstinszenierung gepflegt hatte; da lassen sich die angeblichen Dokumente mit ähnlichen Methoden einfach umdrehen - sogar die Wende wird in gegenläufige Bahnen gelenkt. In dem von Denis gefälschten Material über die Maueröffnung drängen nicht mehr die Bürger der DDR nach Westberlin. Die Wessis scheinen in den Osten zu eilen, um dort dem Konsumterror und der Arbeitslosigkeit zu entkommen.

Im Sommer 1991 muss Alex mit einem finalen Coup die Fiktion einer überlebenden DDR beenden. Das ist die Zeit des Abschieds von der Mutter, die ihrerseits einige gewichtige Unwahrheiten zu gestehen hat. Und es ist der Moment, in dem Alex wieder einen Vater und neue Geschwister haben wird, die begeistert im Fernsehen das "Sandmännchen" anschauen - eine Kultsendung, die die DDR genauso überlebt hat wie Wolfgang Beckers wunderbare Hauptdarstellerin Katrin Saß, die noch als Mutter im Koma eine enorme Präsenz ausstrahlt und stets erkennen lässt, wie genau sie weiß, wovon dieser Film erzählt.

Manchmal scheint sich GOOD BYE LENIN! sogar des Kinos der Defa zu entsinnen, wie in jener Einstellung, in der ein Flugzeug über den Himmel von Ostberlin zieht, das einzig und allein in westlicher Zielrichtung unterwegs sein kann. Ein fast identisches Bild einer heimlichen oder unterschwelligen Sehnsucht gab es einst in Lothar Warnekes DIE BEUNRUHIGUNG (1981). Wolfgang Becker erinnert sich auch an andere Filme über den Umbruch in Europa: Den zerlegten Lenin, der, als Teil eines abgebauten Denkmals unter einem Helikopter hängend, irritierend schwerelos durch die Lüfte gleitet, hat als erster der Grieche Theo Angelopoulos in DER BLICK DES ODYSSEUS gezeigt. Mit dem Motiv der Fußballweltmeisterschaft - 1990 wurde das wiedervereinte Deutschland Champion - setzt GOOD BYE LENIN! eine Tradition fort, die Fassbinder mit DIE EHE DER MARIA BRAUN und LOLA begonnen hatte.

Schade nur - das ist das einzige Defizit an diesem Film, der auch mit der Stimmigkeit unzähliger Details überrascht - dass seine Episoden-Struktur von Alex Kerners Off-Erzählungen dramaturgisch zusammengehalten werden muss und so stets ein wenig zur Nummern-Revue tendiert. Die Geschichte endet nicht ohne Wehmut. Doch für Nostalgiker hält die Realität inzwischen einen Trost bereit: Spreewaldgurken gibt es inzwischen wieder, sogar in den alten Bundesländern.

GOOD BYE, LENIN! war im Jahr 2003 in den deutschen Kinos ein sensationeller Erfolg und erreichte mehr Zuschauer als mancher angebliche Kassenschlager aus Hollywood; im Spätherbst wurde der Film mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet.

Hans Günther Pflaum

Produktionsland
Deutschland (DE)
Produktionszeitraum
2001-2003
Produktionsjahr
2003
Farbe
Farbe
Bildformat
1:1,85
In Koproduktion mit
Westdeutscher Rundfunk (WDR)/Arte (Köln)

Länge
Langfilm (ab 61 Min.)
Gattung
Spielfilm
Genre
Drama
Thema
Kapitalismus, Beziehung / Familie, Wende / Wiedervereinigung, DDR, Sozialismus / Kommunismus, Krankheit / Sucht / körperliche Beeinträchtigung

Rechteumfang
Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
Lizenzdauer bis
14.11.2024
Permanente Sperrgebiete
Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH)

Verfügbare Medien
DVD, DVD, Blu-ray Disc, 35mm
Originalfassung
Deutsch (de)

DVD

Untertitel
Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Italienisch (it)
Anmerkung zum Format
UT Kurzzeichen;#russisch;#arabisch;#indonesisch

DVD

Untertitel
Arabisch (ar), Indonesisch (id), Deutsch (de), Chinesisch (zh), Englisch (en), Französisch (fr), Italienisch (it), Portugiesisch (Bras.) (pt), Russisch (ru), Spanisch (es)
Anmerkung zum Format


Blu-ray Disc

Untertitel
Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (es), Portugiesisch (Bras.) (pt), Dänisch (da), Schwedisch (sv), Finnisch (fi), Norwegisch (no)

35mm

Untertitel
Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (es), Arabisch (ar)