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Filmkatalog

Über den Filmkatalog

Bildausschnitt: beleuchteter, festlicher, vertäfelter Filmvorführraum

Theodor Kotulla
Aus einem deutschen Leben

  • Produktionsjahr 1977
  • Farbe / LängeFarbe / 145 Min.
  • IN-Nummer IN 1620 || 4231

Nach dem Roman "La mort est mon métier" von Robert Merle

Deutschland im Jahr 1916: Franz Lang, ein 16-jähriger Junge aus dem Bürgertum, will in den Krieg und darf vorerst nur in einem Lazarett arbeiten. Erst der Kontakt mit Hauptmann Günther bringt ihn seinem Wunsch näher. 1917 kämpft Lang an der Westfront. 1919 arbeitet er in einer Fabrik, weigert sich, auf das langsamere Tempo eines älteren Kollegen Rücksicht zu nehmen und wird, nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung, fristlos entlassen. Er schließt sich dem "Freikorps Roßbach" an und erschießt einen Gefangenen. 1922 wird Franz Lang Mitglied der NSDAP; ein Jahr später ist er in Mecklenburg verantwortlich für einen Fememord; er wird angezeigt und zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1928, nach einer Amnestie, findet er mit Hilfe der Partei Arbeit auf einem Gutshof in Pommern, heiratet und begegnet dem "Reichsführer" der SS, Heinrich Himmler. 1934 tritt Franz Lang, in Himmlers Auftrag, eine Stelle in der Verwaltung des Konzentrationslagers Dachau an und wird 1941 Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz - mit der Order, das Lager solle noch "effektiver" werden als jenes in Treblinka. Als Franz Lang, der mit seiner Familie in einer Villa außerhalb des Lagers wohnt, in einem Keller Reste eines Insekten-Vernichtungsmittels sieht, beschließt er, das Giftgas (Zyklon B) auch zur Vernichtung von Menschen einzusetzen. 1942, nach einem Besuch Himmlers, wird Lang zum Obersturmbannführer der SS befördert. Als seine Frau Else, die bis dahin die Vorgänge im Lager nicht zur Kenntnis genommen hat, erfährt, was dort vor sich geht, kommt es zu einem langen Disput, in dem sich ihr Mann immer wieder mit Befehlen von oben rechtfertigt. Auch 1946, in amerikanischer Haft, erklärt Lang: "Ich habe nur gehorcht." In der Zelle verfaßt er seine "Lebenserinnerungen", eine kalte Beschreibung der Vernichtungsmaschinerie, die er in Auschwitz entwickelt hatte. 1947 wurde Franz Lang hingerichtet.

Robert Merles Roman, der Theodor Kotullas Film als Vorlage diente, beschreibt den Werdegang einer authentischen Figur: es geht um den Arbeiter und SA-Mann Rudolf Höß, der als Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz zum Perfektionisten der Massenvernichtung wurde. Kotulla wendet die rekonstruktiven Möglichkeiten des Spielfilms so konzentriert und auf seinen Protagonisten insistierend an, daß auch aus dieser Nacherzählung biographischer Stationen ein Lehrstück über Zusammenhänge entstand, die in den Spielfilmen über den Holocaust häufig vernachlässigt wurden. Sichtbar wird vor allem das grenzenlos Durchschnittliche, Banale in der Figur von Höß/Lang; verzichtet wurde auf die sonst übliche Dämonisierung des NS-Verbrechers.

Als das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" anläßlich von Steven Spielbergs SCHINDLERS LISTE dem deutschen Kino vorwarf, es hätte sich nie unmittelbar an das Thema "Holocaust" gewagt, ignorierte der Autor AUS EINEM DEUTSCHEN LEBEN (und auch eine ganze Reihe wichtiger DEFA-Filme); mag Spielbergs Film emotional packender sein und vor allem ein weit größeres Publikum gefunden haben, so ist Kotulla, wenn es um die analytischen Qualitäten geht, seinem amerikanischen Kollegen einige Schritte voraus; Franz Langs Weg vom patriotisch eifernden Jungen zu einem der grausamsten NS-Verbrecher hat in seiner Banalität durchaus seine Folgerichtigkeit. Lang ist ein Produkt des äußersten Obrigkeitsdenkens; er erfüllt seine Aufgaben so ungerührt und perfekt wie eine Maschine, die Massenmorde, für die er verantwortlich ist, ohne sich dafür auch verantwortlich zu fühlen, sind eben nicht das Ergebnis sadistischer Lust oder fanatischen Hasses, sondern einer Mentalität, für die der Befehl eines Vorgesetzten jedwedes Denken genauso außer Kraft setzt wie das eigene Schuldgefühl. Höß/ Lang ist davon überzeugt, nur seine "Pflicht" zu erfüllen; er tut das auch dann, wenn es ihm keine Freude bereitet, mit einer entsetzlichen "Gewissenhaftigkeit" und Gründlichkeit - obwohl ihm weder die Stelle in der Verwaltung des Konzentrationslagers Dachau noch die Leitung von Auschwitz als verlockende Aufgabe erschienen.

Die ausführliche Darstellung des Vorlebens von Lang/Höß, der sozialen Not, in die er zeitweise gerät, erklären auch, was in den Jahren nach dem I. Weltkrieg den Boden bereitet hat für den Nationalsozialismus: ein pervertiertes patriotisches Ideal, das vor allem in den Zeiten wirtschaftlicher Krisen zum Nährboden einer Ideologie wurde, die Abhilfe versprach und dafür die "Ausmerzung" von gnadenlos zu Sündenböcken erklärten Bevölkerungsgruppen (Juden, Kommunisten) forderte: Höß/Lang hat von der NS-Ideologie und von wirtschaftlichen Zusammenhängen wenig Ahnung, sie interessieren ihn auch nicht; ihm geht es allein darum, jeden Befehl so gründlich wie nur irgendwie möglich zu erfüllen.

Anders als Spielberg, der nicht zögert, das Grauen des Holocaust inszenatorisch zu wiederholen und dafür die Opfer mit der Kamera noch in die Gaskammer verfolgt, erzählt Kotulla mit großer Diskretion. Die Kamera bleibt draußen, wenn eine Schar von Männern schweigend in den angeblichen Duschraum geht, und zeigt stattdessen einen Uniformierten mit Gasmaske, der das tödliche "Zyklon B" durch eine Luke im Dach nach unten wirft, um am Ende der Sequenz auf einen qualmenden Schornstein zu schneiden. Das spiegelt auch die Haltung von Höß/Lang, der die Ermordeten nicht als Menschen wahrnimmt, sondern als "Einheiten", die es zu erledigen gilt. Am Ende wird er erklären: "Meine Pflicht ist es, zu gehorchen!"

Hans Günther Pflaum

Produktionsland
Deutschland (DE)
Produktionszeitraum
1976/1977
Produktionsjahr
1977
Farbe
Farbe
Bildformat
1:1,66
Basiert auf
Robert Merle

Länge
Langfilm (ab 61 Min.)
Gattung
Spielfilm
Genre
Literaturverfilmung
Thema
Filmgeschichte, Nationalsozialismus

Rechteumfang
Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
Anmerkungen zur Lizenz
03/2006 - bei Ausleihe bitte Rücksprache mit Film Bereich
Lizenzdauer bis
31.01.2023
Permanente Sperrgebiete
Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH)