Gender Bender 2017
Trost in trostlosen Zeiten

Performance beim Gender Bender Festival 2017
Performance beim Gender Bender Festival 2017 | Foto: Chill Panther Media

Für die dritte Ausgabe des Festivals „Gender Bender“ rief das Goethe-Institut Bangalore Künstlerinnen und Künstler aller Sparten auf, ihre Sichtweisen auf vorherrschende Geschlechterbilder und Körperdarstellungen auszudrücken. Die Schriftstellerin, Regisseurin und Schauspielerin Deepika Arwind gibt einen Einblick in das Festival, das Anfang September im Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan Bangalore stattfand.

Inmitten des Stimmengewirrs, der angeregten Diskussionen über die ausgestellten Kunstwerke und Installationen, entdecke ich eine Wand voller äußerer weiblicher Geschlechtsorgane. Sie stammen von der Illustratorin Arunima Bose und bestehen aus unterschiedlichen Materialien: Metall, Pelz, Spitze, Damenbinden, Lehm. Jedes fühlt sich anders an.

Installation der Künstlerin Arunima Bose
Installation der Künstlerin Arunima Bose | Foto: Goethe-Institut Bangalore

Keiner wird gewinnen

Als ich mich umdrehe, kommen gerade einige Collegestudenten herein, laut diskutierend. Sie haben soeben an einem interaktiven Spiel von Fields Of View teilgenommen, „Made To Order“, das sich mit Kasten- und Klassenunterschieden und dem sozialen Geschlecht auseinandersetzt. Einer von ihnen sagt: „Ich bin zu Tränen gerührt.“ Das Spiel ist in seiner Einfachheit spektakulär: Du übernimmst die Rolle einer Arbeiterin in der Bekleidungsindustrie und schlägst dich durch die alltäglichen Probleme des Überlebens. Niemand scheint dabei je zu gewinnen.

Zwei Transgenderfrauen melden sich für das Spiel an. Ich denke darüber nach, was dieses Festival in Indien bedeutet. Es stellt Geschlechterbilder in Frage, und allein dadurch spricht es die unterschiedlichsten Menschen an. Es ist spielerisch, respektlos und für jedermann frei zugänglich. Und wo sieht man schon einmal ein Foyer, das von 27 Büstenhaltern geschmückt wird?

Installation der Künstlerin Elisabeth Pfahl
Installation der Künstlerin Elisabeth Pfahl | Foto: Goethe-Institut Bangalore

Das grossE Potential des Unfertigen

Ins Leben gerufen wurde „Gender Bender“ vom Sandbox Collective in Bangalore. Das Ziel war es, ein Festival rund um das Thema Gender zu schaffen, das prozesshaft und ergebnisoffen agiert. Das Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan war sofort angetan von dieser Idee. Die meisten Installationen und Performances verstehen sich dementsprechend als work in progress. Sie sind unfertig, rau, aber auch kühn und voller Potential. Die Werke der von einer unabhängigen Jury ausgewählten Künstlerinnen und Künstler gehen nach dem Festival auf Reisen.

Eine Performance, die mich besonders fasziniert, stammt von Madhushree Basu aus Chennai. Sie trägt den Titel „Swachchandacharinee“. Basu trägt darin eine undurchsichtige Maske. Sie ergründet äußerst eigenwillig ein Gedicht von Vayalar Ramavarama, während sie gleichzeitig ein Film beim Tanzen zeigt.

Trost in trostlosen Zeiten

Es ist erstaunlich, was für ein großes und breit gefächertes Publikum ein solches Festival anzieht. Alt und jung, neugierig, geduldig. Auf dem Weg nach draußen bleibe ich lange vor einem teilweise autobiografischen Gemälde von Ibtisam Tasnim stehen. „Al Awra: The Intimate Parts“ reflektiert das Leben der LGBTQ-Community in Gesellschaft und Kultur des Nahen Ostens. Ihr eigenes Leben ist geprägt von Papierkram, dem bürokratischen Kampf um Einwanderung, der sich durch ihr Gemälde zieht. Ölzweige zieren den Bilderrahmen.

„Gender Bender“ feiert die Vielfalt. Doch um all das zu erfassen und zu verarbeiten, werde ich wiederkommen müssen. Damit sich Verbindungen herstellen lassen, die Inspiration nachhallen kann. In der Zwischenzeit ist der Gedanke tröstlich, dass man sich auf die kollektive Offenheit und die Vorstellungskraft der beteiligten Künstlerinnen und Künstler und des Publikums verlassen kann. Und das in einer Zeit, da vieles andere trostlos erscheint.

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