„Tramas Democráticas“
„Von diesem Dialog profitieren alle“
Demokratie geht nur gemeinsam. Mit „Tramas Democráticas“ bringt das Goethe-Institut Akteure aus Südamerika und Deutschland zusammen, um demokratische Werte zu stärken.
Von Anja Riedeberger
Zwischen 1990 und 2020 wurden in Südamerika mehr als 1.600 Initiativen zur Demokratieförderung initiiert, davon 40 Prozent von zivilgesellschaftlichen Organisationen, so eine Erhebung des Projekts „LATINNO“ des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Es sind insbesondere NGOs und kleinere zivilgesellschaftliche Initiativen, die zum Thema Förderung demokratischer Werte und Praktiken mit neuen Methoden und Medien experimentieren und so für mehr Transparenz, Partizipation und Integration eintreten. Was können diese Initiativen voneinander lernen? Welche gemeinsamen Herausforderungen gibt es in den einzelnen Ländern? Welche Lösungen lassen sich auf andere Länder, andere Kontexte übertragen?
Zu diesen Fragen kommen im Rahmen von „Tramas Democráticas“ zwischen Juni 2020 und April 2021 zivilgesellschaftliche Initiativen aus Argentinien, Brasilien, Deutschland, Kolumbien und Venezuela zusammen. In Workshops und öffentlichen Diskussionen stehen Innovationen im Bereich Demokratieförderung sowie die Übertragbarkeit von Lösungsansätzen und die engere Zusammenarbeit im Vordergrund.
Die Teilnehmer*innen berichten hier von ihren Erfahrungen:
Paula Peña, Kolumbien – Movilizatorio
Desinformation führt in Kolumbien zu Polarisierung und wachsender Intoleranz. Aus diesem Grund haben wir Movilizatorio gegründet, ein Laboratorium für Bürgerbeteiligung und soziale Innovation.
Paula Peña
| Foto: © privat
Wir stärken kritisches Denken und vertiefen das Wissen über Fake News und Desinformation, damit alle an demokratischen Prozessen teilhaben können. Bei „Tramas Democráticas“ lernen wir ähnliche Initiativen aus Südamerika kennen. Es ist wunderbar, Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen über Phänomene, die die demokratischen und politischen Prozesse überall in Lateinamerika beeinflussen.
Debora Albu, Brasilien, Institut für Technologie und Gesellschaft Rio de Janeiro – ITS Rio
Gerade jetzt in der Pandemie ermöglicht Technologie Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und Teilnahme an politischen Prozessen. Es besteht aber immer die Gefahr, dass bestimmte Gruppen sich technische Plattformen zunutze machen, um die Sphäre des Öffentlichen zu vergiften.
Debora Albu
| Foto: © privat
Wir beim ITS Rio begegnen dem, indem wir über Herausforderungen und Chancen von digitalen Technologien informieren, etwa mit unserem Projekt „Redes Cordiais“, eine auf die Bekämpfung von Desinformation in sozialen Medien gerichtete Initiative. Uns interessiert natürlich sehr, wie andere Initiativen gegen Desinformationskampagnen vorgehen. Daher sind wir von Anfang an bei „Tramas Democráticas“ dabei gewesen und haben viele Akteure aus Südamerika kennengelernt, die in diesem Bereich aktiv sind.
Juan Pablo Marín Dían, Kolumbien – DataSketch
Bei DataSketch engagieren wir uns gegen Intransparenz, etwa im Kontext von öffentlichen Ausgaben. Wir visualisieren Informationen, um sie zugänglicher zu machen.
Juan Pablo Marín Dían
| Foto: © privat
Informationen dürfen keine Ressource sein, über die nur wenige verfügen. Durch unsere Anwendungen können alle Interessierten Informationen mit wenigen Klicks entdecken. Wir unterstützen damit auch die Arbeit von Journalist*innen und Aktivist*innen. Mit unserem kollaborativen Ansatz decken wir auch bisher nicht zugängliche Information auf und stellen sie allen zur Verfügung, etwa im Kontext der Finanzierung von politischen Kampagnen. Intransparenz ist ein verbreitetes Problem in vielen Ländern Südamerikas, nicht nur in Kolumbien. Daher profitieren wir sehr von dem internationalen Austausch – gemeinsam können wir noch effizienter Gegenmaßnahmen entwickeln.
Sil Bahia, Brasilien – PretaLab
Mit PretaLab fördern wir schwarze Frauen im Bereich Technologie und Innovation. Sie bilden immerhin 28 Prozent der brasilianischen Bevölkerung und sind in technischen Bereichen stark unterrepräsentiert. Die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Angela Davis sagt, wenn eine schwarze Frau sich in der Gesellschaft bewegt, dann bewegt sich die Gesellschaft mit ihr. Genau darum geht es bei PretaLab: Wir wollen die Beharrungskräfte überwinden und die Gesellschaft in Bewegung bringen. Technologie ist nie neutral, sie dient oft den Interessen von Wirtschaft und Politik. Daher brauchen wir mehr Diversität in technologischen Unternehmen. Das ist kein brasilianisches Phänomen, diese Unterrepräsentation gibt es überall. Daher ist es wichtig, unser Wissen zu teilen und auch von anderen Initiativen Strategien zu lernen, wie wir dem entgegentreten können.
Nicolás Díaz Cruz, Kolumbien – Extituto
Wir in Südamerika leben in einer der ungleichsten Regionen der Welt, was sich auch darin niederschlägt, wie Entscheidungen getroffen werden.
Nicolás Díaz Cruz
| Foto: © privat
In der Politik finden Verhandlungen oft hinter verschlossenen Türen statt. Die Zivilgesellschaft braucht Zugang. Hier denke ich an eine Idee der Deutschen: Transparenz, symbolisiert durch die gläserne Kuppel des Bundestages. Bei einem unserer aktuellen Projekte veröffentlichen wir Steuererklärungen und Vermögen von Bürgermeisterkandidat*innen in Bogotá und legen somit mögliche Interessenskonflikte offen. Der internationale Austausch, den „Tramas Democráticas“ ermöglicht, ist für uns sehr wertvoll, etwa mit Vereinen wie Asuntos del Sur und Democracia en Red in Argentinien oder dem Instituto Update in Brasilien, die einen ähnlichen Ansatz haben wie wir. Von diesem Dialog profitieren alle.